
Die gesetzliche Rente ist der finanziell bedeutendste Bereich des Sozialstaats in Deutschland. Sie trägt in der Breite der Gesellschaft zur Sicherung des Lebensstandards im Alter bei. Der Beitrag erklärt die Grundlagen und die Finanzierung der Alterssicherung.

Unter wiss. Mitarbeit von Dr. Magnus Brosig*
Versicherung, Versorgung, Grundsicherung
Die Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland wird durch mehrere soziale Sicherungssysteme gewährleistet, deren wichtigste und finanziell bedeutsamste die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) ist. Es ist nach den jeweiligen Leitprinzipien der Alterssicherung zwischen Systemen der Versicherung, der Versorgung und der Grundsicherung zu unterscheiden.
Versicherungen sind Einrichtungen, die Vorsorge treffen für den Fall, dass ein definiertes Risiko (in der Alterssicherung ist das der Wegfall des Erwerbseinkommens) eintritt. Sie kompensieren den Schaden, der beim Eintritt des Risikos auftritt, in einem bestimmten Umfang. So ersetzen Altersrenten in aller Regel nicht den vorherigen Lohn, sondern nur einen Teil davon. Dieser Anteil wird «Lohnersatzrate» genannt. Um dieses Vorsorge- und Versicherungssystem aufrecht zu erhalten, ist es erforderlich, vor Eintritt des Risikofalls Prämien oder Beiträge einzuzahlen, aus denen dann später die Leistungen im Versicherungsfall finanziert werden können (Kapitaldeckungsverfahren) bzw. durch die Ansprüche begründet werden, die von späteren Beitragszahlenden bedient werden können (Umlageverfahren).
Von Sozialversicherungen – neben der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es in Deutschland die Kranken-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung – sind die privaten Versicherungen zu unterscheiden: Lebensversicherungen oder Systeme der betrieblichen Alterssicherung sind private Versicherungen, für die keine Versicherungspflicht besteht. Sozialversicherungen sind dagegen Pflichtversicherungssysteme. Bei ihnen wird per Gesetz bestimmt, welche Personengruppen der Versicherungspflicht unterliegen. Die Pflichtversicherung sorgt für «Poolung» der Risiken in einer sehr großen Grundgesamtheit von Versicherten, sichert also kollektive Vorsorge und Risikoabdeckung. Wenn jede Person allein für sich vorsorgen müsste, ist sie im Regelfall bei schwerwiegenderen Risiken nicht in der Lage, den Schaden zu kompensieren. «Poolen» heißt, dass man das, was die Einzelnen nicht jeweils allein leisten können, durch den Zusammenschluss von vielen, den Versicherten, leisten kann. Da die Beiträge wie die Leistungen in der Rentenversicherung einkommensbezogen sind, können Leistungsgerechtigkeit und kollektive Solidarität in einer Institution miteinander verbunden werden.
Als zweite Grundform der Alterssicherung fungiert die Versorgung, die für die Gruppen der Beamt*innen, Soldat*innen und Richter*innen gilt. Versorgung folgt dem Alimentationsprinzip, der Sicherung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts durch den öffentlichen Arbeitgeber («Dienstherrn») bis ans Lebensende. Auch nach Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst erfolgen die Zahlungen direkt durch den Staat und in einer Höhe, die den vorherigen Lebensstandard im Amt weiterführen lässt. Die genaue Höhe hängt von den abgeleisteten Dienstjahren ab und ist nach mindestens 40 Dienstjahren bei 71,75 Prozent der vorherigen Dienstbezüge gedeckelt. Das Alimentationsprinzip besitzt als Teil der «hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums» nach Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes Verfassungsrang. Die Beamtenversorgung wird aus den laufenden Steuern finanziert.
Das dritte Prinzip ist das Bedarfsprinzip der Grundsicherung. Lange Zeit konnten Menschen, die im Alter nicht über genügend Einkommen aus Renten und anderen Einkommensquellen verfügten, das Existenzminimum über Leistungen aus dem allgemeinen System der Grundsicherung (vormals Fürsorge und Sozialhilfe) sichern. Damals wie heute muss dazu die jeweilige Lebenslage einer Bedürftigkeitsprüfung unterzogen werden. Seit 2003 gibt es ein gesondertes Grundsicherungssystem: die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (also der Arbeitsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen) mit günstigeren Zugangsbedingungen. Leistungen erfolgen nur in der Höhe des unbedingt Erforderlichen und Notwendigen. Maßstab dieses Bedarfs ist die Sicherung der Teilhabe an dem sozialen Leben in der heute bestehenden wohlhabenden Gesellschaft. Die Festsetzung des Leistungsumfangs erfolgt analog zur Regelbedarfsermittlung beim Bürgergeld.
Zur Charakterisierung der Alterssicherungssysteme wird häufig eine zweite Unterscheidung verwendet, die Unterscheidung nach Säulen: Als erste Säule wird die Gesetzliche Rentenversicherung bezeichnet. Die zweite Säule bilden alle Formen betrieblicher Alterssicherung darunter auch die Zusatzversorgung für Arbeitnehmer*innen des öffentlichen Dienstes. Die dritte Säule umfasst alle Formen der (öffentlich geförderten) privaten Altersvorsorge (Lebensversicherungen, Riester-Rente etc.). Die Säulenmetapher vermittelt den Eindruck, es handele sich um drei gleich starke Säulen. Jedoch ist die erste Säule der GRV ungleich stärker, womit eine sehr schiefe Größenreihung der Säulen gegeben ist.
Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung
Seit langer Zeit ist das Grundprinzip der Finanzierung der Alterssicherung umstritten: Kapitaldeckung oder Umlageverfahren. Die GRV ist heute ein komplett umlagefinanziertes System, die auszuzahlenden Rentenleistungen stammen also aus den Beitragseinnahmen und den Bundeszuschüssen des laufenden Monats. Vorsorge in einem Umlageverfahren bedeutet, dass sich Versicherte und Rentenbeziehende als Teil einer generationenübergreifenden Versichertengemeinschaft verstehen, in der sich die jetzigen Rentner*innen darauf verlassen können, dass ausreichend Beiträge von den Erwerbstätigen gezahlt werden und die Erwerbstätigen erwarten können, dass sie später Renten erhalten, die von der nächsten Erwerbstätigengeneration durch Beiträge finanziert werden. Dieses technische Prinzip, das jedoch zugleich eine Norm darstellt, weil sich hier Menschen auf viele andere Menschen grundlegend verlassen, wird als «Generationenvertrag» oder «Generationensolidarität» bezeichnet.
Die GRV ist als Sozialversicherung außerhalb des unmittelbaren Staatsapparates entstanden als öffentlich-rechtliche Körperschaft, mit eigenem Rechtsstatus und eigenem Haushalt. Sie finanziert sich daher in erster Linie aus Beiträgen, den Rentenversicherungsbeiträgen, die je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden gezahlt werden für Einkommen bis zu einer bestimmten Grenze, der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze, die für 2025 bei 8.050 Euro im Monat liegt. Für Einkommensbestandteile oberhalb dieser Grenze müssen und können keine Beiträge gezahlt werden. Im Jahre 2023 betrugen die Beitragseinnahmen 289,7 Milliarden Euro, das sind 76,0 Prozent der Gesamteinnahmen der GRV. Damit sind die Beiträge zur Rentenversicherung die zweitgrößte Einnahmenkategorie aller öffentlichen Haushalte in Deutschland. Der Beitragssatz zur GRV erreichte bereits im Jahre 1973 das Niveau von 18 Prozent des Bruttoerwerbseinkommens einer versicherten Person und liegt nach einer Steigerung auf 20,3 Prozent im Jahre 1997 seit 2018 stabil auf dem Niveau von 18,6 Prozent. Auch aufgrund etlicher Kürzungen im Rentenrecht und durch Erhöhungen des Bundeszuschusses ist der Beitragssatz daher über fünfzig Jahre stabil gehalten worden.
Der zweite große Pfeiler der Finanzierung der GRV sind besagte Bundeszuschüsse. Alle Zuschüsse beliefen sich im Jahre 2023 auf 89,2 Milliarden Euro, also 23,4 Prozent der Gesamteinnahmen der GRV.1 Wie die Bundesregierung es kürzlich in einem Gesetzentwurf formulierte: «Alle Zuschüsse des Bundes sind multifunktional und gewährleisten mit ihrer allgemeinen Sicherungsfunktion die Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung und dienen als Ausgleich für nicht beitragsgedeckte Leistungen der Rentenversicherung».2
Eine andere Messgröße für die Finanzierungsbelastung einer Volkswirtschaft durch Ausgaben der Rentenversicherung ist der Prozentanteil am Bruttoinlandsprodukt. Die Ausgaben der GRV für Altersrenten im Rahmen der allgemeinen Versicherung sind allerdings nach einem Höchststand im Jahre 2003 von 8,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf zuletzt 7,9 Prozent gesunken. Auch die Bundeszuschüsse, der größte Posten im Bundeshaushalt, sind seit 2000 von einem Maximum von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf unter 3 Prozent gesunken. Das bedeutet, dass die GRV nicht immer mehr Anteil an der Gesamtwohlstandsproduktion einnimmt, sondern eher leicht schrumpft. Es besteht in dieser Hinsicht kein Anzeichen einer Überlastung der Volkswirtschaft durch die Rentenversicherung, im Gegenteil ist es angesichts eines steigenden Rentneranteils zur allgemeinen Entlastung auf Kosten der Älteren gekommen.
Leistungsniveau und Sicherungsziel der GRV
Das Rentenniveau, das anzeigt, bei wie viel Prozent des Durchschnittseinkommens eine Standardrente nach 45 Beitragsjahren liegt, ist nach 2000 deutlich gesunken und liegt heute bei 48 Prozent, dem noch bis 2025 gesetzlich festgeschriebenen Mindestsicherungsniveau vor Steuern. Selbst in diesem Fall einer sehr langen Versicherungszugehörigkeit mit dauerhaft durchschnittlichem Einkommen beträgt die monatliche Bruttorente beim Rentenzugang zum Zeitpunkt der Regelaltersgrenze im Jahre 2024/25 nur 1.769,40 Euro. Eine stärker an empirischen Realitäten statt einem Normlebenslauf orientierte Darstellung stellt die Bruttorentenhöhe bei mindestens 35 Versicherungsjahren dar: Ende 2023 betrug diese durchschnittlich 1.623 Euro.3
Mit niedrigen Löhnen oder einigen Jahren ohne Beitragszahlung wird es schwer, eine auskömmliche Rente deutlich oberhalb des Existenzminimums (inkl. Wohnkosten in Städten) zu erhalten. Die Zahl der Empfänger*innen von Grundsicherungsleistungen zeigt dies ebenso wie die Armutsgefährdungsquote. Diese lag 2023 bei Personen im Alter von über 65 Jahren mit 18,4 Prozent mit vier Prozentpunkten deutlich über dem Gesamtdurchschnitt über alle Altersgruppen hinweg von 14,4 Prozent. Besonders betroffen waren Frauen in diesem Alter mit einer Armutsgefährdungsquote von 20,6 Prozent. Ohne politische Maßnahmen zur Stabilisierung wird das Rentenniveau auch in den nächsten Jahren weiter sinken, mit der Folge eines Anstiegs der Altersarmut bzw. der zusätzlichen Inanspruchnahme der Grundsicherung im Alter sowie der Unterversorgung für breite Schichten.
Bis Anfang der 2000er-Jahre war das Sicherungsziel der GRV die weitgehende Lebensstandardsicherung.4 Die geringeren Kosten der Lebenshaltung aufgrund des Fortfalls der Erwerbstätigkeit eingerechnet, sollte der frühere Lebensstandard mit der gesetzlichen Rente und überschaubarer Zusatzvorsorge fortgeführt werden können. Das Sicherungsziel bestand also in der ökonomischen Statussicherung relativ zu der individuellen Lage der jeweiligen Person. Die Zielsetzung liegt nicht darin, im Rentensystem für alle eine gleich hohe Rente zu erreichen, sondern sehr genau die individuelle Lohneinkommenshöhe zu übersetzen in eine je individuelle Rentenhöhe. Die Differenzierung in den Einkommenshöhen soll also auch im Alter erhalten bleiben, die Rentenversicherung sollte keine Änderung der Sozialstruktur und auch keine systematische Umverteilung oder Angleichung der ökonomischen Situation im Alter herbeiführen. Der deutsche Sozialstaat wird deshalb auch als strukturell konservativ klassifiziert. Die Rentenhöhe reproduziert also das Lohngefüge während der Erwerbsarbeitszeit. Diese recht strikte Abbildung von Lohnunterschieden auf die Rentenhöhe wird als «Äquivalenzprinzip» bezeichnet. Die Beitragsäquivalenz basiert auf der Idee der Leistungsgerechtigkeit, einer spezifischen Ausprägung des Reziprozitätsprinzips. Was sich im Sinne der Reziprozität entsprechen soll, sind Leistungen gemessen in Geld: Beitragszahlungen als Ausdruck des Erfolges und der Leistung in Beruf und Erwerbstätigkeit in Relation zu Rentenzahlungen. Das ist der heute insbesondere durch Kindererziehungs- und Pflegezeiten modifizierte Kern der Erwerbsarbeitszentrierung der Rentenversicherung.
Wie es mit der Alterssicherung weitergeht, ist eine Frage politischer Gestaltung. Diese sollte aktiv wahrgenommen werden, um auch in Zukunft ein verlässliches Sicherungssystem für alle Generationen zu gewährleisten.
*Dieser Text ist im Wesentlichen ein Auszug aus der Studie „Rente mit Zukunft. Reformszenarien der Alterssicherung“ von Prof. Frank Nullmeier unter wiss. Mitarbeit von Dr. Magnus Brosig, im Auftrag und herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung im März 2025.
Fußnoten
- 1
Deutsche Rentenversicherung 2024: Rentenversicherung in Zahlen 2024. Berlin.
- 2
Bundesregierung 2024: Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung (Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz). Bundestags-Drucksache 20/11898, 21.6.2024, S. 28.
- 3
Deutsche Rentenversicherung 2024b: Rentenatlas 2024: Die Deutsche Rentenversicherung in Zahlen, Fakten und Trends. Deutsche Rentenversicherung, Berlin, S.12.
- 4
Die Lebensstandardsicherung ist aber mit der Einführung der systematisch geförderten privaten Altersvorsorge, der Riester-Rente im Jahre 2002, heutzutage erst dann zu erreichen, wenn neben den Rentenversicherungsbeiträgen ein Teil des Einkommens in freiwillige persönliche Altersvorsorge investiert wird. Erst diese Kombination, die aufgrund der weit hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Verbreitung und Leistungsfähigkeit der Riester-Rente nur bei Teilen der Versicherten gegeben ist, erreicht ein Gesamtversorgungsniveau, das zumindest zeitweilig als lebensstandardsichernd anzusehen ist.