Drittparteiwähler*innen könnten Harris den Wahlsieg kosten

Analyse

Die amerikanischen Wähler*innen stehen fester denn je zu ihrer jeweiligen Stammpartei, wodurch immer weniger Bundesstaaten überhaupt umkämpft sind und immer knappere Ergebnisse über den Wahlausgang entscheiden. Daher könnten Stimmen für Kandidat*innen von Drittparteien die Wahl entscheiden - und das höchstwahrscheinlich zugunsten von Donald Trump. 

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Eine Person wirft einen Stimmzettel in eine durchsichtige Wahlurne. Im Vordergrund stehen zwei kleine US-Flaggen. Weitere Personen sind im Hintergrund.

In den USA spielen Drittparteien – kleinere Parteien neben der etablierten Demokratischen und Republikanischen Partei – bei Präsidentschaftswahlen in der Regel nur eine untergeordnete Rolle. Es ist für sie nahezu unmöglich, in allen fünfzig Bundesstaaten mit den riesigen Apparaten der zwei herkömmlichen Parteien, inklusive ihrer enormen Geldmittel, großen juristischen Teams und operativen Strukturen, zu konkurrieren. Die Ausnahmen hierzu bildeten Wahlkämpfe wie Bush vs. Gore im Jahre 2000, als alles von einer einzigen Stimme der Wahlleute abhing und die Stimmen für den Kandidaten der Grünen, Ralph Nader, mit ziemlicher Sicherheit das Zünglein an der Waage für den Wahlsieg Bushs waren – oder 2016 Clinton vs. Trump, als die Stimmen für die Kandidatin der Grünen, Jill Stein, möglicherweise den Ausschlag für die Ergebnisse in wichtigen umkämpften Bundesstaaten gaben.

Da die amerikanischen Wähler*innen eiserner denn je zu ihrer jeweiligen Stammpartei stehen, sind immer weniger Bundesstaaten überhaupt umkämpft und entscheiden immer knappere Ergebnisse über den Wahlausgang. Umfragen zufolge könnten dieses Jahr in den wenigen verbliebenen Swing States hauchdünne Mehrheiten den Ausschlag geben. Daher könnten Stimmen für Kandidat*innen von Drittparteien die Wahl entscheiden — und das höchstwahrscheinlich zugunsten von Donald Trump. 

Jill Stein, die Kandidatin der amerikanischen Grünen, könnte eine entscheidende Rolle spielen

In diesem Jahr könnten die Stimmen für die Kandidatin der Grünen Partei erneut den Ausschlag gegen die demokratische Kandidatin geben. Im Gegensatz zu ihren europäischen Pendants ist die US-amerikanische Green Party kein einflussreicher Akteur auf der politischen Bühne. Vielen Amerikaner*innen ist nicht einmal bekannt, dass es in ihrem Land überhaupt eine Grüne Partei gibt. Deren Spitzenkandidatin Jill Stein wird in Umfragen oft nur ein Bekanntheitsgrad von weniger als 50 % bescheinigt. Aufgrund der strukturellen Hindernisse des dortigen „The Winner Takes It All-Systems verfügen die amerikanischen Grünen weder in den Parlamenten der Bundesstaaten noch im US-Kongress über auch nur einen einzigen Sitz und bekleiden landesweit nur einige wenige Ämter in Städten und Gemeinden. Im Gegensatz zu anderen Drittparteien wie der Working People’s Party in New York oder den Democratic Socialists of America, die auf lokaler Ebene zusehends an Bedeutung gewonnen haben, ist es der Grünen Partei nicht gelungen, eine erfolgreiche Bewegung aufzubauen, und die Anzahl ihrer Mitglieder verringert sich seit einem Höchststand im Jahr 2004 kontinuierlich.

Auf internationaler Ebene befindet sich die Partei mit ihren Schwesterparteien im Konflikt. Während sie einige Aspekte der Klima- und Sozialpolitik der internationalen grünen Bewegung teilt, vertritt sie in der Außenpolitik  Positionen, die den Narrativen des Kremlähneln. So fordert sie etwa die Auflösung der NATO oder dass die USA aufhören sollen, „den Krieg zwischen Russland und der Ukraine weiter anzuheizen.

Nach der Wahl 2016 kritisierte die Europäische Grüne Partei (EGP) Stein scharf, bezeichneten ihren Wahlkampf als „peinlich“ und nannte es eine „große Schande“, dass sie zum Wahlsieg von Trump beigetragen habe. Reinhard Bütikofer, damals Co-Vorsitzender der EGP, verurteilte Stein öffentlich für ihre Behauptungen, Hillary Clinton würde die Welt eher in einen Atomkrieg führen als Trump, und die beiden seien gleichermaßen gefährlich. Er kritisierte außerdem, dass  sie es zugelassen habe, dass die Grüne Partei der USA zu einem Werkzeug russischer Wahlbeeinflussung geworden sei. Nach anfänglichen Bemühungen um Dialog und Kooperation forderten 2016 zahlreiche internationale grüne Stimmen die Partei auf, ihre Führung auszutauschen, und bezeichneten deren Standpunkte als „wahnhaft. Stein wurde in der internationalen grünen Bewegung zunehmend geächtet und schließlich 2017 davon abgehalten, bei der Global Greens Conference in Liverpool eine aktive Rolle zu spielen. 

Dieses Jahr beachteten die Europäischen Grünen Steins Kandidatur im Grunde überhaupt nicht und unterstützten Harris’ Kandidatur proaktiv, wobei sie die Demokratin als „zuverlässige Partnerin“ bezeichneten, die die besten Aussichten habe, grüne Prioritäten voranzutreiben. Doch trotz aller Warnungen und der Kritik internationaler grüner Parteien sind Stein und die US-Grünen ein weiteres Mal so aufgestellt, dass sie ihren Einfluss auf Kosten der demokratischen Kandidatin Kamala Harris geltend machen.

Die US-Grünen profitieren von der Verärgerung der Wähler*innen über die Israel-Gaza-Politik der Biden-Harris-Regierung

Stein hat sich als Sprachrohr für Wähler*innen profiliert, die mit der politischen Unterstützung und der Militärhilfe, die die Biden-Harris Administration der Regierung Netanjahu weiterhin gewährt, unzufrieden sind. Seit dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel und dem darauffolgenden Krieg zunächst im Gazastreifen und inzwischen in der gesamten Region empfindet erstmals eine Mehrheit der demokratischen Wähler*innen mehr Sympathie gegenüber den Palästinenser*innen  als gegenüber den Israelis. Nach einer historisch einmaligen Grasroots-Mobilisierung stellen demokratische Wähler*innen inzwischen den parteiübergreifenden Konsens hinsichtlich einer besonderen Beziehung zwischen den USA und Israel infrage. Im Juni 2024 missbilligten fast 70% der Demokrat*innen die Militäraktionen Israels im Gazastreifen und standen damit in einem eklatanten Widerspruch zu ihrer Regierung. Für eine kleine, aber potenziell entscheidende Anzahl von Wähler*innen steht und fällt ihre Wahlentscheidung mit diesem Thema.

Als während der Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten die Präsidentschaftskandidat*innen gekürt wurden, rief die Bewegung Uncommitted Movement demokratische Wähler*innen dazu auf, ihre Stimmen nicht für Biden abzugeben, sondern sich als „unentschlossen“ zu bekennen, als Warnung an den Präsidenten, dass er auch bei den landesweiten Wahlen ihre Stimme verlieren könnte. In dem wichtigen Swing State Michigan, Sitz der größten arabisch-muslimischen Bevölkerungsgruppe der USA, gewann die Bewegung beachtliche 13% der Stimmen. Sie fordert einen dauerhaften Waffenstillstand, ein Ende der bedingungslosen Militärhilfe für Israel und einen Weg zur palästinensischen Eigenstaatlichkeit. Die Organisator*innen haben zwar davon abgeraten, eine Drittpartei zu wählen, empfehlen aber ebenso wenig die Wahl von Harris oder Trump und empfehlen ihren Anhänger*innen damit gewissermaßen, die Wahl auszusitzen.

Die US-Grünen haben sich das Momentum dieser Protestbewegung zunutze gemacht und sich klar gegen die Israel- und Palästina-Politik der amerikanischen Regierung positioniert. Stein, die Jüdin ist, fordert die US-Regierung dazu auf, „den fortwährenden israelischen Völkermord an den Palästinenser*innen im Gazastreifen nicht weiter zu unterstützen.“ In Interviews sagte sie, dass sie als Präsidentin jegliche Militärhilfe für Israel einfrieren würde, bis das Land seine Kriegshandlungen und die Besetzung aller Gebiete jenseits der Grenzen von 1967 einstellt. Ihre Haltung hat ihr die Unterstützung von Gruppen wie „Abandon Harris eingebracht, die offen versuchen, die Regierung für ihre anhaltende Unterstützung der Kriegshandlungen Israels zur Rechenschaft zu ziehen.

Der Unmut der Wähler*innen über die enorm kostspieligen Militärhilfen, die sowohl der Ukraine als auch Israel gewährt werden, wird an beiden Enden des politischen Spektrums zunehmend thematisiert. In den sozialen Medien stellen Vertreter*innen des rechten wie des linken Lagers die Milliarden in Frage, die ins Ausland geschickt werden – und dieses Thema ist besonders brisant, seit die USA wenige Wochen vor der Wahl katastrophale Schäden durch die Hurrikans Helene und Milton erlitten haben. 

Die Unterstützung von Stein war 2016 ein wichtiger Faktor bei der Kampagne des Kreml gegen Hillary Clinton

Angesichts der wachsenden Verärgerung und Besorgnis in der Demokratischen Partei schlagen demokratische Strateg*innen zusehends Alarm bezüglich Steins Kandidatur. Die Abgeordnete im Repräsentantenhaus Alexandria Ocasio-Cortez ging Anfang September mit einem Social-Media-Post viral, in dem sie Steins Präsidentschaftskandidatur als „räuberisch“ bezeichnete: „Wenn man 12 Jahre in Folge die Kandidatin seiner Partei war … und man seine Bewegung so gut wie gar nicht ausbauen konnte, keine erfolgreiche Strategie hinbekommt und bloß alle vier Jahre auftaucht, um Reden vor Leuten zu halten, die zu Recht sauer sind, dann ist das einfach nur unseriös.

Ein Sprecher des Democratic National Committee (DNC) bezeichnete Jill Stein kürzlich als „nützliche Idiotin Russlands“ und schloss sich damit der Kritik der Europäischen Grünen an. Stein ist in den letzten Jahren aufgrund ihrer zweifelhaften Beziehung zu Russland und Wladimir Putin unter strenge juristische Beobachtung gestellt worden. Sie hat nicht nur Putins autoritäre Tendenzen heruntergespielt und die These verbreitet, die NATO-Osterweiterung sei für die russische Aggression in der Ukraine verantwortlich; darüber hinaus reiste Stein im Dezember in ihrer Rolle als Präsidentschaftskandidatin nach Russland, um an einer Konferenz des russischen Fernseh- und Propagandanetzwerks RT teilzunehmen. Auf dem Roten Platz in Moskau nahm sie sogar ein Video für den Wahlkampf auf, in dem sie ihre „inspirierenden“ Gespräche schilderte und eine „US-Hegemonialpolitik“ anprangerte. Es wurde auch bekannt, dass Stein an einem Abendessen zum zehnjährigen Jubiläum von RT teilnahm, bei dem sie Berichten zufolge neben Putin und Michael Flynn saß, dem nationalen Sicherheitsberater von Trump. Dieser wurde zum Rücktritt gezwungen, nachdem Untersuchungen des Justizministeriums geheim gehaltene Telefonate mit hochrangigen russischen Regierungsvertretern aufgedeckt hatten.

Berichten des Geheimdienstausschusses des US-Senats aus den Jahren 2018 und 2019 zufolge war die Unterstützung von Drittparteikandidat*innen – mit Slogans wie „Eine Stimme für Jill Stein ist nicht verschwendet“ – eine tragende Säule der 2016 vom Kreml gesteuerten Kampagne gegen Hillary Clintons Präsidentschaftskandidatur. Demokrat*innen verweisen gern darauf, dass in den wichtigen Bundesstaaten Michigan und Wisconsin die Stimmenzahl von Stein 2016 größer war als der Vorsprung von Trump. In jüngster Zeit haben demokratische Strateg*innen sowohl auf Aussagen von Stein-Anhänger*innen bei Wahlkampfveranstaltungen hingewiesen,  in denen diese offen das Ziel formulieren, Harris den Einzug ins Weiße Haus zu verwehren, als auch argumentiert, Steins Präsidentschaftskampagne 2024 sei ausländischen Einflüssen ausgesetzt gewesen.

Es gibt auch noch zahlreiche weitere Kontroversen: Videos, in denen Stein grundlegende Fragen zur Funktionsweise der US-Regierung nicht beantworten kann, sind in den sozialen Medien der Demokrat*innen viral gegangen. Es gibt auch zahlreiche Medienberichte über Steins Zusammenarbeit mit republikanischen Funktionär*innen und Anwaltskanzleien, die ihr helfen sollten, auf die Wahllisten der Bundesstaaten zu gelangen. Anfang Oktober veröffentlichte das nationale Organisationsgremium der Demokratischen Partei (DNC) einen Video, das veranschaulichte, wie groß die Sorge über mögliche Stein-Wähler*innen bei den Demokrat*innen ist. Dieses zeigt Trump, wie er Stein dafür lobt, dass sie „denen 100 % wegnimmt“ und warnt Wähler*innen mit dem Slogan: „Eine Stimme für Stein ist eine Stimme für Trump.“

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Wähler*innen das kümmert. Viele, die für Stein stimmen, wollen überhaupt keine glaubwürdige Präsidentschaftskandidatin oder sind noch nicht einmal daran interessiert, einer Partei den Rücken zu stärken, deren politische Ansichten sie prinzipiell teilen. Es scheint ihnen noch nicht einmal etwas auszumachen, dass ausländische Akteur*innen Stein für ihre eigenen Zwecke nutzen. Diese Wähler*innen sehen sich als strategische Stimmen gegen Harris, die darauf abzielen, der Demokratischen Partei für das unterstellte moralische Versagen im Gazastreifen eine deutliche und einhellige Absage zu erteilen.

Harris könnte aufgrund von Proteststimmen in wichtigen Swing States verlieren

Diese Proteststimmen könnten die Wahl durchaus zu Harris’ Ungunsten entscheiden. Bei den 2,5 Millionen amerikanischen Wähler*innen muslimischen Glaubens liegen Stein und Harris Umfragen zufolge bei jeweils knapp unter 30 %. In den wichtigen Swing States Arizona (35 % zu 29 %), Michigan (40 % zu 12 %) und Wisconsin (44 % zu 39 %) liegt Stein derzeit bei der muslimischen Wählerschaft vor Harris und verzeichnet auch in Pennsylvania und Georgia einen beträchtlichen Teil der muslimischen Stimmen. 

Biden gewann Michigan 2020 mit nur 154.000 Stimmen Vorsprung; bei den Vorwahlen 2024 holte die Bewegung Uncommitted Movement, die sich neben muslimischen Wähler*innen auch aus vielen jungen, latein- und afroamerikanischen Wähler*innen rekrutiert, in diesem Bundesstaat über 100.000 Stimmen. Es ist durchaus vorstellbar, dass Harris einen dieser Bundesstaaten – und damit die Wahl – mit weniger Stimmen verliert, als Stein und andere Drittparteikandidat*innen zusammen erhalten.

Auch andere Drittparteikandidat*innen könnten die Wahl entscheidend beeinflussen

Die US-Grünen sind nicht die einzige Drittpartei, die bei dieser Wahl antritt. Seit Jahrzehnten sind die Amerikaner*innen vom Zweiparteiensystem frustriert, und eine Mehrheit von ihnen wünscht sich eine tragfähige Drittpartei.

Zu Beginn der Wahl trug die weit verbreitete Unzufriedenheit mit den beiden großen Parteien dazu bei, dass der unabhängige Kandidat Robert F. Kennedy Jr. aus dem gesamten politischen Spektrum an Unterstützung gewann. Er ist ein Erbe der politischen Dynastie der Kennedys sowie Umweltanwalt und -aktivist, der mit rechtsgerichteten Verschwörungstheorien liebäugelt. Obwohl er seine Kampagne letztlich beendete und seither Trump unterstützt, bleibt sein Name in 33 Bundesstaaten auf dem Stimmzettel, darunter in Wisconsin und Michigan, die hart umkämpft sind. In Michigan, wo Trump und Harris Kopf an Kopf liegen, liegt er laut Umfragen bei fast 5 %. Gemeinsam mit den Proteststimmen für die Grünen könnten die Stimmen für RFK Jr. eine entscheidende Wirkung entfalten.

Weitere Kandidat*innen wie der prominente Akademiker Cornel West und der Kandidat der Libertarian Party, Chase Oliver, werden wahrscheinlich weniger bedeutsam sein. Sie spielen eher die traditionelle Rolle eines Drittparteikandidaten, indem sie Wähler*innen eine Alternative bieten, die sich in keiner der beiden großen Parteien zu Hause fühlen und deshalb wahrscheinlich für keinen der beiden stimmen würden. 

West ist vielen Amerikaner*innen als prominenter Akademiker, als moralische Stimme für Gerechtigkeit für rassistisch Diskriminierte und als lautstarker Unterstützer der Präsidentschaftskampagnen von Bernie Sanders 2016 und 2020 bekannt. Auf den ersten Blick hat er viele Gemeinsamkeiten mit Stein, angefangen bei seiner Zugehörigkeit zur Harvard University, wo er Professor war, über seine politische Plattform, die sich mit der Organisation der US-Grünen überschneidet, bis hin zu fragwürdigen öffentlichen Bündnissen und Meldungen, dass seine Kampagne finanzielle und juristische Unterstützung von Republikaner*innen angenommen habe. Er kandidiert als Parteiloser und hat deshalb in weiten Teilen des Landes große Schwierigkeiten, auf die Wahllisten zu gelangen. Doch in den Swing States Arizona, Michigan und Wisconsin wird sein Name auf den Stimmzetteln stehen.

Indessen kann man davon ausgehen, dass die meisten Menschen im Lande noch nie etwas von Chase Oliver, dem Kandidaten der Libertarian Party, gehört haben. Dennoch wird er 2024 in sämtlichen Swing States auf dem Wahlzettel auftauchen. Auch wenn er landesweit wahrscheinlich keinen nennenswerten Einfluss haben kann, wird Oliver in seinem Heimatstaat Georgia mit ziemlicher Sicherheit eine Rolle spielen: Prognosen zufolge wird er dort mehr Stimmen erhalten als voraussichtlich den Vorsprung zum Wahlsieg ausmachen werden. Seine Kernthemen - ein schlanker Staat und individuelle Freiheiten - dürften gemäßigte Republikaner*innen und unabhängige Wähler*innen gleichermaßen ansprechen, denen Trump und Vance zu extrem sind. Dies könnte zu einem Störfaktor für die Kampagne von Harris werden, die um die Unterstützung von Anti-Trump-Republikaner*innen wie Liz Cheney wirbt und eben jene Republikaner*innen für sich gewinnen möchte, die sich nicht mit der MAGA-Bewegung identifizieren.

Die Wahl 2024 könnte von einigen Zehntausend Wähler*innen entschieden werden

Für die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Wähler*innen werden die Themen Wirtschaft, Erhalt der Demokratie, reproduktive Rechte und Einwanderung ihre Wahlentscheidung im November bestimmen. Harris scheint langsam aber sicher Fortschritte dabei zu machen, die allgemeine Wählerschaft für sich zu gewinnen, da sie von immer mehr Wähler*innen als die Kandidatin für den „Wandel“ wahrgenommen wird. Doch wenn Harris im November knapp verliert, werden viele mit dem Finger auf die Kandidat*innen der Drittparteien zeigen, die genug Stimmen erhalten haben, um einen Unterschied zu machen. Es ist durchaus möglich, dass in einem Land mit über 330 Millionen Einwohner*innen die Wahl 2024 von einigen Zehntausend Wähler*innen in Bundesstaaten wie Michigan und Wisconsin entschieden wird – und es ist immer noch eine offene Frage, ob sie sich eher für Stein als für eine Stimme des Protests gegen die Gaza-Politik der US-Regierung entscheiden werden oder für Harris, die ihnen verspricht, die amerikanische Demokratie vor einer zweiten Präsidentschaft Trumps zu bewahren.

Der Beitrag ist eine Übersetzung aus dem Englischen von Kerstin Krolak, Akzént Dolmetscherteam.