Dossier: Präsidentschaftswahlen in Ägypten

Joachim Paul, Heinrich-Böll-Stiftung Tunis

Die Präsidentschaftswahl vom 26. und 27. Mai war für die über 50 Millionen Wahlberechtigten in Ägypten die sechste Abstimmung seit der Revolution vom 25. Januar 2011. Vorangegangen waren drei Verfassungsreferenden, die Wahlen der zwei Kammern des wieder aufgelösten Parlaments, sowie zwei Wahlgänge zur Präsidentschaftswahl Muhammad Mursis im Sommer 2013. Diesmal bestand an dem Sieg von Abd al-Fattah al-Sisi über den einzigen Gegenkandidaten Hamdi Sabahi kein Zweifel. Nur über die Höhe von Ergebnis und Wahlbeteiligung wurde spekuliert.

Die Wahlkommission bestätigte nun al-Sisi's Wahl mit 96,9 Prozent der Stimmen. Seine offizielle Vereidigung ist auf Sonntag, den 8. Juni angesetzt. Eine hohe Beteiligung war für al-Sisi zentral, da es ihm nach dem Putsch vom Juli 2013 und dem Verbot der Muslimbruderschaft um eine Legitimierung der Herrschaft des Militärs ging. Die spontane Verlängerung der Wahlen um einen dritten Tag und die in den staatlichen Nachrichten verbreiteten Androhung von Bußgeldern für Nichtwähler waren ein Anzeichen von Opposition und Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Die Wahlen waren weder frei, noch fair. Sie fanden in einem Kontext von politischer Repression und Kontrolle des öffentlichen Raums durch Unterstützer der al-Sisi Kampagne statt. Laut Human Rights Watch befinden sich über 16.000 Menschen aus politischen Gründen in den Gefängnissen. Zudem hat sich das Militär als Garant von Sicherheit und Ordnung präsentiert und eine Stimmabgabe für al-Sisi untrennbar mit dem Kampf gegen Terrorismus verbunden.

In der Öffentlichkeit kommt Kritik an al-Sisi nicht einmal im Ansatz vor. In den halb-staatlichen Printmedien kehrt die Zensur alten Stils mit längst vergessen geglaubten Kontrollmechanismen zurück. Im Zeitalter der Onlinemedien werden Meinungsbeiträge Wort für Wort diskutiert, um mögliche Verärgerungen seitens unbekannter Mitarbeiter im Sicherheitsbereich zu vermeiden.

Die Beiträge dieses Dossiers werfen Licht auf verschiedene Hintergründe der Wahlen und die gegenwärtige Entwicklung in Ägypten. Karem Yahya beschreibt die Erwartungen ägyptischer Arbeiter, angesichts von Preisverfall und dramatischer Verschlechterung der ökonomischen Situation. Amr Adly setzt sich mit den makroökonomischen Herausforderungen und dringend notwendigen Wirtschaftsreformen auseinander. In einem Interview erklären Mitarbeiterinnen der Organisation an-Nazra die Hintergründe der weitgehenden Abwesenheit von Frauen in der ägyptischen Politik. Kristian Brakel analysiert in einem weiteren Artikel die Hintergründe der aktuellen Situation auf der Sinaihalbinsel und beschreibt welchen Stellenwert die dortige Sicherheitslage für das herrschenden ägyptischen Militärs besitzt. 

Joachim Paul, Leiter des Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Tunesien

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