Die offene Wunde Ägyptens: Wie weiter mit dem Sinai?

Beduine in der Wüste Ägyptens
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Die Halbinsel Sinai ist gezeichnet von politischer Instabilität. Die Beduinen, eine der größeren Bevölkerungsgruppen der Halbinsel, gehören zu den Verlierern der Modernisierung im Land

In den Wochen nach der Absetzung von Präsident Muhammad Mursi kursierten in ägyptischen Medien und sozialen Netzwerken eine Reihe von Verschwörungstheorien, welche die Notwendigkeit des Militärputsches rechtfertigen sollten. Eine der absurdesten besagte, dass Mursi und der Chefideologe der Muslimbruderschaft Khairat al-Shater US-Präsident Barak Obama zugesichert hätten, für 8 Milliarden Dollar 40 Prozent der Sinaihalbinsel an die Hamas-Regierung im Gazastreifen zu verkaufen.[1] So seltsam diese Theorie, die eine Zusammenarbeit zwischen Hamas, Mursi-Regierung und dem US-Präsidenten nahelegt, auch anmuten mag, so ist sie doch exemplarisch für eine ganze Reihe von offenen Fragen, die der Sinai und die dort seit 2011 verstärkt vorkommenden Aktivitäten militanter Gruppierungen aufwerfen.


Drei Kriege haben Israel und Ägypten zwischen 1956 und 1973 um die Sinaihalbinsel geführt. Seit dem Camp-David-Abkommen von 1978/79 und dem israelischen Rückzug bis 1982 befinden sich die 61.000 Quadratkilometer und die ca. 554.000 Einwohner des Nord- und Südsinais[2] wieder unter ägyptischer Kontrolle. Der Sinai ist wichtiges Herzstück der ägyptischen Tourismusindustrie und er grenzt an den strategisch und wirtschaftlich relevanten Suezkanal, durch den noch heute ein Großteil der Öl- und Gaslieferungen aus den Golfstaaten (3 Prozent der weltweiten Produktion) nach Norden transportiert wird. Der Sinai ist aber auch der Schauplatz des Abwehrkampfes der ägyptischen Armee gegen England, Frankreich und Israel bei deren gemeinsamen Überfall auf den Suezkanal im Jahre 1956. Obwohl militärisch nicht erfolgreich, ist dieses Ereignis noch heute eine der gefeierten Gründungsmythen der "republikanischen" Armee.

Kernstück des israelisch-ägyptischen Friedensvertrages


Das ägyptische Militär hat auf die seit 2011 zunehmende Unsicherheit im Sinai besonders empfindlich reagiert. Der Sinai ist das Kernstück des israelisch-ägyptischen Friedensvertrages. Von seiner Einhaltung ist die milliardenschwere Militärhilfe der US-Regierung für Ägypten abhängig.


Seit 2011 sind verschiedene militante Gruppen durch Angriffe auf die israelische Grenze, auf ägyptische und internationale Sicherheitskräfte[3] und begrenzt auch auf Touristen im Sinai in Erscheinung getreten. Viele, aber längst nicht alle von ihnen sind jihadistischen Strömungen zuzurechnen. Das Akteursfeld ist dabei relativ unübersichtlich, und es ist unklar, ob die Behauptung der ägyptischen Regierung zutrifft, dass es sich vor allem um internationale Kämpfer und um Unterstützer der abgesetzten Regierung handeln würde. Die Mehrzahl scheint aus Ägypten zu stammen und sich lokal zu rekrutieren. Beduinenmilizen haben sich dabei mit Salafisten zusammengeschlossen, zum Teil agieren sie aber auch gegeneinander.


Die wichtigste militante Gruppe Ansar Bait al-Maqdis (Unterstützer Jerusalems) rekrutiert sich sowohl aus lokalen Beduinengruppen, als auch aus Salafisten aus den ägyptischen Zentralprovinzen und dem Gazastreifen. Seit 2011 gehen diese Gruppen mit Gewalt gegen zivile und militärische Ziele vor.


Seit den frühen Tagen der ägyptischen Revolution, als sich die Polizei auf Anweisung Husni Mubaraks von den Straßen zurückzog, ist im ganzen Land ein Sicherheitsvakuum entstanden. In den Zentralprovinzen und den großen Städten wie Kairo hat das Militär dieses rasch gefüllt und versucht seitdem – wenn auch unter politisierten Vorzeichen – eine gewisse Ordnung zu gewährleisten. Auf der Sinaihalbinsel hingegen, wo dem Militär aufgrund des Friedensabkommens nur eine begrenzte Stationierung erlaubt war, ist die Sicherheitslage dem Staat rapide entglitten.

Sicherheitslage im Sinai entgleitet


Die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung liegt seit den 80er Jahren beim Inlandsgeheimdienst, den allgemeinen Sicherheitskräften (Quwat al-Amin al-'amm), welche in der ägyptischen Öffentlichkeit aufgrund ihres brutalen Vorgehens einen äußerst schlechten Ruf genießen. Zur Kontrolle der Sicherheitslage griff der Dienst im Sinai auf einen Mix aus rigider Repression, zentralstaatlicher Kontrolle und Kooptierung von Stammesältesten zurück. Beobachter haben dabei angemerkt, dass aufgrund der augenscheinlichen Verwicklung des Dienstes in den Drogenschmuggel die Priorität im Sinai vermutlich weniger auf der öffentlichen Sicherheit als auf der Aufrechterhaltung der eigenen Operationen lag.[4]


Schon zwischen 2004 und 2006 kam es zu schweren Anschlägen militanter Gruppierungen auf Touristenorte am Roten Meer. Der ägyptische Staat unter Mubarak reagierte mit Massenverhaftungen und Folter Tausender von Personen. Besonders schwer betroffen waren die Beduinen. Ein Verhalten, das sich in das kollektive Bewusstsein der lokalen Bevölkerung eingebrannt hat, die schon lange den Verdacht hegt, dass der Staat sie nicht als ägyptische Bürger wahrnimmt.


Denn während dem Territorium des Sinai zentrale Bedeutung für Ägypten zukommt, haben alle bisherigen ägyptischen Regierungen die Bevölkerung der Halbinsel vernachlässigt.


Der Sinai ist die Heimat von etwa 80.000 - 200.000 ägyptischen Beduinen, die vor der Schaffung nationalstaatlicher Grenzen ungehindert zwischen den Gebieten des heutigen Ägyptens, Israels und dem Gazastreifen migrierten. Die beiden Hauptgruppierungen[5] sind die Sarkawa – die zahlenmäßig stärkste Gruppe im Nordsinai – und die Tarabin, die enge Verwandtschaftsbindungen zu Beduinen im israelischen Negev und im besetzten Gazastreifen haben. Dazu kommen viele nicht-beduinische Ägypter, die seit der touristischen Erschließung der Küste vor allem aus dem Niltal zugezogen sind, um eine Arbeit zu finden. Die Bevölkerung des Sinai hat sich damit in den letzten 50 Jahren verdreifacht. Die Beduinen sind trotz des rapiden Bevölkerungswachstums in den eigenen Reihen heute nur noch eine Minderheit. Gerade die großen Zahl der Jugendlichen unter ihnen ist aber besonders von der sozialen Marginalisierung betroffen.

Beduinen - Verlierer der Modernisierung


Wie fast alle Nomadenpopulationen sind auch die Beduinen Verlierer der Modernisierung. Ihre sozialen und wirtschaftlichen Strukturen gerieten schon früh in Konflikt mit den Regeln der modernen Nationalstaaten. Besonders die Frage des Landbesitzes – Beduinen verfügen meist nur über gewohnheitsrechtlich vererbte und nicht dokumentierte Besitztitel – steht dabei im Mittelpunkt. Althergebrachte Absprachen mit der nicht-nomadischen Bevölkerung bezüglich Land- und Wassernutzung wurden oft nicht anerkannt. Dies betrifft vor allem die Küstenregion. Als nach dem israelischen Rückzug die touristische Erschließung der Küstenorte vorangetrieben wurde, mussten Beduinen aus ihren Siedlungsgebieten weiter ins Landesinnere ausweichen. Traditionelle Erwerbsmöglichkeiten aus dem Ackerbau gingen so verloren. Nur wenige der Arbeitsstellen in der Tourismusindustrie werden von Beduinen besetzt. Diese profitieren meist eher von Dienstleistungen in der zweiten Reihe, als Touristenführer oder Folkloredarsteller.


In der ägyptischen Wahrnehmung galten die Beduinen aufgrund ihrer grenzüberschreitenden Verbindungen lange Zeit als fünfte Kolonne Israels. Auch heute noch hat nur eine Minderheit der Beduinen überhaupt einen Personalausweis, denn Geburten oder Hochzeiten wurden in der traditionellen Gesellschaft lange Zeit nirgendwo registriert. Ohne Ausweis aber gibt es keinen Zugang zu staatlichen Gesundheitsleistungen, subventionierten Lebensmitteln, dem Bildungssystem oder einem der raren Arbeitsplätze bei Polizei, Militär oder der Multinational Force & Observers (MFO)[6]. Ein Mix aus Marginalisierung und Repression durch die Regierung und den eigenen Traditionen haben dazu geführt, dass die Beduinen den ägyptischen Staat bestenfalls als Fremdkörper, schlechtestenfalls als Gegner kennengelernt haben.


Von der regulären wirtschaftlichen Entwicklung weitgehend ausgeschlossen, verdienen viele der Beduinen des Nordsinais ihren Lebensunterhalt mittlerweile mit Schmuggel. Durch das Geschäft mit den Tunneln in den besetzten Gazastreifen, die aufgrund der israelischen Blockade lange Zeit die Lebensader des kleinen Küstenstreifens waren, sind in den letzten Jahren manche Beduinen zu ungeahntem Wohlstand gekommen.

Radikalisierung durch Drogenhandel und Entführung von Flüchtlingen


Auch der lukrative Drogenhandel mit israelischen Mafiastrukturen spielt eine Rolle, sowie die Schleusung und Entführung von Flüchtlingen besonders aus dem Sudan und Eritrea. Diese Entwicklungen im Verbund mit der leichten Verfügbarkeit von Handfeuerwaffen hat allerdings auch dafür gesorgt, dass die sozialen Strukturen der Beduinen untergraben wurden. Traditionelle Autoritäten haben ihre Legitimation an diejenigen verloren, die sich aufgrund ihres neuen Reichtums oder wegen Waffenbesitzes dem beduinischen Gewohnheitsrecht ('urf) verweigern können. In diese Lücke sind neue Akteure gestoßen, unter anderem islamistische Akteure, die im Laufe der letzten zwei Jahre eine Reihe von Shari'a-Gerichten im Nordsinai etabliert haben.


Die Radikalisierung vorangetrieben haben Salafisten aus dem Niltal und dem Gazastreifen. Interessant an letzterer Gruppierung ist, dass viele dieser Salafisten eben nicht Anhänger der Hamas-Regierung in der Küstenenklave sind, sondern 2009 vor Repressionen eben jener in den Sinai ausgewichen sind[7], nachdem sie den zu "unislamischen" Regierungsstil der Hamas kritisiert und wiederholt Versuche unternommen hatten, sich den Interessen der Hamas-Regierung mit Waffengewalt entgegenzusetzen. Die Hamas selbst hat 2012 erklärt, dass man den Sinai nicht für Attacken gegen Israel nutzen würde. Trotzdem kann nicht geleugnet werden, dass die Hamas den Sinai als strategisches und wirtschaftliches Hinterland ausgebaut hat. Geschäftsleute, die unter der Hamas reich geworden sind, haben ihr Geld beispielsweise lieber in Land und Immobilien auf dem Sinai investiert, als in anfällige Infrastruktur im Gazastreifen.


Unter Mursi unternahm die Regierung zaghafte Versuche, die Probleme des Sinai anders anzugehen. Als im August 2012 Islamisten eine Militärbasis überfielen, 16 Soldaten töteten und mit zwei Panzerwagen die israelische Grenze in Taba durchbrachen, entließ der Präsident seinen Innenminister, den Geheimdienstchef und den Gouverneur des Nordsinai. Er ersetzte außerdem den bisherigen Verteidigungsminister mit einem Militär, der als leichter zu kontrollieren galt: Abd al-Fatah al-Sisi, den späteren Präsidentschaftskandidaten. Mit Zustimmung Israels wurde zum ersten Mal seit den 80ern eine stärkere Militärpräsenz auf dem Sinai stationiert. Gleichzeitig unternahm die Regierung erste Anstrengungen, mit den Beduinen ins Gespräch zu kommen und versuchte die Hamas zu verpflichten, ihre Seite der Grenze stärker zu kontrollieren.

Sinai - bis heute militärische Sperrzone


Über den Erfolg dieser Bemühungen gibt es unterschiedliche Meinungen. Klar aber ist, dass die Regierung angab, dass das Militär in einer großangelegten Operation gegen militante Gruppen vorgehen würde. Angesichts der Tatsache, dass fast keine unabhängigen Berichte aus dem Gebiet herausdrangen – der Sinai ist bis heute eine militärische Sperrzone - ist relativ unklar, welchen Umfang die Operationen des Militärs wirklich hatten. Im Laufe des Jahres 2012 tauchten vermehrt Aussagen von Augenzeugen auf, die starken Zweifel daran aufkommen ließen, dass das Militär wirklich großangelegte Kämpfe durchgeführt hat.[8]


Mitte Mai 2013 wurden dann erneut sieben Sicherheitskräfte nahe der Sinaistadt al-Arish gekidnappt. Die Fernsehbilder der Entführten generierten eine Welle der Entrüstung in der Bevölkerung und gaben den Behauptungen der Sicherheitskräfte Nahrung, Mursi würde nicht gegen die Militanten (u.a. angeblich die Hamas) vorgehen, weil sie seiner Muslimbruderschaft ideologisch verbunden wären. Es war diese Entrüstungswelle, auf der das Militär im Sommer 2013 die Absetzung Mursis durchsetzen konnte.


Gleich nach dem Sturz Präsident Mursis kündigte das Militär eine großangelegte Operation im Sinai an. Sie schloss den Großteil der Gazatunnel, die sie mit Wasser flutete. Das alles passierte unter einem fast völligen Blackout der journalistischen Berichterstattung, so dass weiterhin relativ wenig über die Zahl der Getöteten und Verhafteten bekannt ist. Augenzeugen sprechen aber von einem Vorgehen, das sich wie in der Vergangenheit massiv gegen Zivilpersonen richtete bzw. diese durch Kollektivstrafen in Mitleidenschaft zieht.[9] Ähnlich wie bei den Operationen unter Mursi dringen immer wieder Berichte an die Öffentlichkeit, die darauf hindeuten, dass das Militär die Situation zu seinen Gunsten schönt oder Anschläge von Islamisten erfindet.[10] Unabhängige Beobachter können die tatsächliche Kontrolle des Gebiets durch die Staatsorgane zurzeit nicht bestätigen. 


Die Eingangs erwähnte Verschwörungstheorie zielt darauf ab, Legitimität für die Absetzung Mursis zu generieren, indem man ihm unterstellte, Ägypten an das Ausland verraten zu haben. Gleichzeitig setzt sie die Muslimbruderschaft mit der Hamasbewegung gleich, der man die Verantwortung für den Terror im Sinai zuschiebt. Dies macht deutlich wie verschiedene vitale Interessen des Sicherheitsestablishments im Sinai kulminieren. Die ägyptische Armee sieht sich daher bei ihrer aktuellen Kriegsführung auf der Halbinsel nicht nur militanten Islamisten gegenüber, sondern auch mafiösen Strukturen, die teilweise aus dem tiefen Staat der Sicherheitskräfte, d.h. den eigenen Reihen, kommen. Um dieses Netz auflösen zu können, ist mehr als die militärische Stärke erforderlich, mit der Feldmarschall Sisi für seine Wahl geworben hat. Viel mehr wird es darauf ankommen, ob er geschickt mit den Interessen der verschiedenen Anrainer jonglieren kann.

Das israelisch-ägyptische Friedensabkommen hat sich überlebt


Die Entwicklungen im Sinai sind keinesfalls neu und - anders als in der oben zitierten Verschwörungstheorie behauptet - nicht hauptsächlich der Hamas und einer angeblichen Kooperation Mursis mit der Regierung im Gazastreifen zuzuordnen. Vielmehr haben die Entwicklungen der letzten Jahre zusammen mit dem von Mubarak bewusst herbeigeführten Sicherheitsvakuum ein Amalgan aus Interessen und Akteuren zusammengeschweißt. Das grundlegende Dilemma aus strategischer Sicht ist, dass sich die Vereinbarungen, die mit dem israelisch-ägyptischen Friedensabkommen für den Sinai erdacht wurden, überlebt haben. Gedacht war der Sinai als demilitarisierte Pufferzone zwischen den beiden Nachbarstaaten. Jeglicher Einmarsch der einen oder anderen Seite mit Bodentruppen sollte verhindert werden bzw. im Fall der Fälle zumindest ausreichend Zeit gewähren, um die eigenen Verteidigungslinien zu organisieren. Der Gazastreifen und damit die Grenze zu Ägypten war zu dieser Zeit noch unter kompletter israelischer Kontrolle. Jetzt da aber die Hamas als nicht-staatlicher Akteur in Spiel gekommen ist, ist die Regelung aus dem Friedensvertrag, die zur Eindämmung eines zwischenstaatlichen Konflikts gedacht war, nur noch bedingt wirksam.


Mehrere Szenarien sind unter einer Sisi-Regierung für den Sinai denkbar. Die Wahrscheinlichste ist, dass die Sicherheitsdienste versuchen werden, durch weiteren Einsatz von Militär die Oberhoheit über das Gebiet wiederzuerlangen. Dies beinhaltet nicht zwingend das Trockenlegen der Schmuggelrouten, aber zumindest die weitere Einbindung der Sicherheitskräfte in dieses Geschäft. Solange die Blockade über den Gazastreifen anhält, wird der Schmuggel weitergehen, wenn auch mit vermindertem Ausmaß. Durch das brutale Vorgehen des Militärs wird gleichzeitig ein fruchtbarer Boden für die Rekrutierung junger Beduinen durch Militante entstehen.


Der Versuch einer Rückkehr zum Status Quo Ante unter rein militärischen Vorzeichen kann daher nicht zu dauerhafter Stabilität führen, selbst wenn er – wie Sisi bereits angekündigt hat – auch wirtschaftliche Fördermaßnahmen für die Halbinsel vorsehen würde.

Neue Akteure in den Sicherheitsmechanismus einbinden


Das besser durchdachte Szenario müsste daher beinhalten, dass Ägypten, Israel und interessierte Drittparteien wie Jordanien, die USA und die EU den bestehenden Sicherheitsmechanismus an eine veränderte Lage anpassen. Idealerweise müsste daran auch eine palästinensische Übergangsregierung beteiligt werden, falls diese die Oberhoheit im Gazastreifen wiedererlangen sollte. Schon aufgrund der Unwägbarkeit des letzteren Faktors muss man aber vermuten, dass dieses Szenario nicht eintreten wird. Bestenfalls ist mit einem leicht ausgedehnten Mandat der internationalen Beobachter zu rechnen, vermutlich aber nicht vor einer erneuten Eskalation der Gewalt.


Die enge Sicherheitskooperation zwischen Israel und Ägypten wird vermutlich ausgebaut werden, da das ägyptische Militär genau weiß, dass seine Verlässlichkeit für die westlichen Partner daran gemessen wird, den Friedensvertrag gewährleisten zu können. Im besten Fall legt die Regierung nach der ägyptischen Sicherheitsoffensive zumindest einen Plan für wirtschaftliche Investitionen und eine rechtliche Gleichstellung der Sinaibewohner vor. Angesichts der desaströsen gesamtwirtschaftlichen Lage und der von Sisi bisher geäußerten Meinung zu Bürgerrechten, selbst innerhalb des ägyptischen Kernlandes, ist dies aber nur begrenzt wahrscheinlich.


Kristian Brakel arbeitete als politischer Analyst für verschiedene Nichtregierungsorganisationen, die Vereinten Nationen und die EU im Nahen Osten und Nordafrika. Zuletzt war er als Berater des EU Sonderbeauftragten für den Nahen Osten tätig. Er schreibt zu Fragen von Frieden, Sicherheit und Demokratie in der Region.


 


[1] Nachrichtensendung von TV 14 VIP vom 10. Juli 2013.

[2] Neben den beiden genannten Provinzen befinden sich noch drei weitere Gouvernements im Sinai entlang des Suezkanals.

[3] Die "Multinational Force & Observers" (MFO) ist die aus dem Friedensabkommen hervorgegangene Beobachtermission, die den Frieden auf dem Sinai überwachen soll. Truppenstellende Staaten sind die USA, Australien, Kanada, Kolumbien, Fiji, Tschechien, Frankreich, Ungarn, Italien, Holland, Neuseeland, Norwegen und Uruguay. Deutschland unterstützt die Mission finanziell.

[4] Foreign Policy: "Looking for Hashish in Cairo? Talk to the Police", 23. August 2013.

[5] Während diese beiden Gruppen die zahlenmäßig größten sind, gibt es noch ca. 13 andere. Andere Zählungen sprechen von bis zu 30 Untergruppen.

[6] Die MFO ist der drittgrößte Arbeitgeber in der Region.

[7] Die Hamas lieferte sich so z.B. eine blutige Auseinandersetzung mit mafiösen Strukturen des beduinischen Dughmush-Klans, der Familienteile auf beiden Seiten der Grenze besitzt.

[8] Foreign Policy: "Sinai's Invisble War", 13. August 2012.

[9] Slate: "Dark Clouds Over Sinai", 7. Oktober 2013.