Dossier
Vielfältige Repräsentation unter Druck
Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik
Die Kommunalpolitik galt lange als Ort einer vorrangig sachpolitischen und damit weniger konfliktbehafteten politischen Debattenkultur. Doch dieser Eindruck trügt. Zunehmend werden Übergriffe auf Amts- und Mandatsträger vermeldet. Das ist bedenklich, denn Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik treffen und gefährden wegen der räumlichen Nähe die demokratische Gesellschaft und ihre Institutionen in besonderer Weise.
Ein Ziel dieser Studie ist es, das Ausmaß von Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik genauer zu untersuchen. Eingebettet ist die Studie in die Vielfaltsstudie der Heinrich-Böll-Stiftung. Diese Reihe widmet sich der vielfältigen Repräsentation in der Kommunalpolitik. Hierfür thematisiert sie unterschiedliche Aspekte und liefert so Daten und Fakten zur oft fehlenden Sichtbarkeit der gesellschaftlichen Vielfalt in der politischen Repräsentation.
Diese Studie ist die zweite Veröffentlichung aus der Vielfaltsstudie.
Zusammenfassung der Studie
- Anfeindungen und Aggressionen gegen kommunalpolitisch aktive Personen sind weit verbreitet: 60 Prozent der befragten kommunalen Repräsentant*innen berichten von eigenen Erfahrungen mit Beleidigungen, Bedrohungen oder tätlichen Übergriffen. Diese sind unabhängig von der politischen Orientierung, dem Geschlecht, dem Migrationshintergrund, der Schichtzugehörigkeit oder der Region. Sie sind generell ein Teil des politischen Alltags der kommunalpolitisch Engagierten.
- Dabei zeigen die kommunalpolitischen Amts- und Mandatsträger*innen eine bemerkenswerte Widerstandskraft: Die wenigsten denken wegen der Bedrohungslage an einen Rückzug aus der Politik. Zwar ist es ein deutliches Alarmzeichen, wenn mit 4,7 Prozent der Teilnehmenden der Großstadtbefragung zu viele Kommunalpolitiker*innen schon einmal den Gedanken des Rückzugs gehegt haben. Es kann jedoch festgestellt werden, dass die weit überwiegende Mehrheit der Befragten ungeachtet rauer Zeiten weiterhin für das politische Engagement zur Verfügung steht.
- Bei knapp einem Drittel der Amts- und Mandatsträger*innen, die Anfeindungen und Aggressionen selbst erlebt haben, führt die Sorge vor (weiteren) Beleidigungen, Bedrohungen oder tätlichen Übergriffen zu Veränderungen des persönlichen Verhaltens. Bedrohungslagen haben auch Effekte auf das Repräsentationsverhalten. Verhaltensveränderungen gibt es auch bei mehr als einem Viertel derjenigen kommunalpolitisch Aktiven, die selbst noch keine persönlichen Erfahrungen solcher Art gemacht haben. Verhaltensänderungen treten dabei vermehrt bei Frauen, Amts- und Mandatsträger*innen mit Migrationshintergrund sowie Personen aus der Unterschicht, der Arbeiterschicht oder der unteren Mittelschicht auf. Die Folgen der Bedrohungslagen sind somit gruppenspezifisch ungleich verteilt und verstärken bestehende Schieflagen der Repräsentation.
- Auch bei den Formen des Umgangs mit erlebten Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Übergriffen bestehen gruppenspezifische Unterschiede. Solche Unterschiede zeigen sich vor allem hinsichtlich des Geschlechts. Sie sprechen für eine zielgruppenorientierte Entwicklung von Unterstützungsstrukturen. Die Instrumente des Rechtsstaats und der Strafverfolgung bleiben dabei wichtig.
Angriffe auf Kommunalpolitiker*innen
In unserem Kommunalwiki findet sich ein umfassender Beitrag zum Thema "Hass-Angriffe auf Kommunalpolitiker/innen". Weiterhin finden sich dort Hinweise zu Organisationen, die Unterstützung bieten.
Weiterführende Informationen und Unterstützung bietet auch das Projekt „Stark im Amt".