COP16 in Kolumbien: Lokale Gemeinschaften zeigen, wie Naturschutz gelingen kann

Hintergrund

Die auf der COP16 präsentierte Biodiversitätsstrategie Kolumbiens setzt auf die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und traditioneller Gemeinden. Eine von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützte Allianz von rund 15 kolumbianischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bringt ihre konkreten Forderungen und Empfehlungen bei der COP16 ein.

Wandmalerei mit spanischer Überschrift: "Alternativas comunitarias que enfrían, recuperan y preservan el planeta."

Es ist ein Kampf ums Leben.

Mit diesen Worten beschrieb Kolumbiens Präsident Gustavo Petro bei seiner Eröffnungsrede das zentrale Thema der 16. UN-Biodiversitätskonferenz in Cali. Der Klimawandel - eine der Hauptursachen für den Verlust der Artenvielfalt - bedrohe weltweit die Ökosysteme und damit auch das Leben der Menschen. Um ihn wirksam zu bekämpfen, müssen Biodiversität und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Wie bei anderen internationalen Anlässen forderte der linksgerichtete Präsident einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer, um finanzielle Spielräume für Klimaschutz- und Biodiversitätsprojekte zu schaffen. 

Bilanz der ersten Woche der COP16

Die Bilanz der ersten Woche der COP16 fällt gemischt aus. Sie ist geprägt von intensiven Verhandlungen zur Umsetzung des Global Biodiversity Framework. Dabei diskutierten Regierungen über Klimaziele, die Finanzierung der Biodiversitätsziele und die Verantwortung wohlhabender Länder. Diese hatten sich im Rahmen der UN-Konvention über Biodiversität verpflichtet, Entwicklungsländer finanziell zu unterstützen, um Biodiversität und Klimaschutz zu gewährleisten. Laut Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad, gleichzeitig Präsidentin der COP16, habe man in wichtigen globalen Fragen wie der Finanzierung bedeutende Fortschritte erzielt. Konkrete Beschlüsse wurden dazu aber noch nicht gefasst.

Auch habe man große Fortschritte beim Artikel 8J des Montrealer Rahmenabkommens über indigene Völker und lokale Gemeinschaften gemacht. So wurden auch Frauen und indigene Völker, die in freiwilliger Isolation leben, in ihrer Rolle als Schützer*innen der biologischen Vielfalt sowie die Rolle der afro-indigenen Gemeinschaften anerkannt.

Die von der Arbeitsgruppe der Delegierten zum Klimawandel diskutierten Standpunkte bewegten sich zwischen „Erreichen der Ziele des Pariser Abkommens“ und „Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf unter 1,5 ºC“. Damit soll ein weiterer Verlust der biologischen Vielfalt vermieden und die Vision des CBD 2050 (Convention on Biological Diversity, dt. Übereinkommen über die biologische Vielfalt) erreicht werden. Während ein Teil der Teilnehmenden die Begrenzung des Temperaturanstiegs als eine Voraussetzung für die Bekämpfung des Verlustes der biologischen Vielfalt anmahnte, sahen andere in den Zielen des Pariser Abkommens eine Übereinstimmung mit den entsprechenden Beschlüssen über ökosystembasierte Ansätze und naturbasierte Lösungen. Es wurde keine Einigung erzielt. 

Ein zentrales Thema der COP16 ist auch der Schutz des Amazonas-Regenwaldes, der durch Abholzung und Klimawandel dem Kipppunkt immer näherkommt und in einigen Gebieten nicht mehr als CO₂-Senke fungiert, sondern sogar CO₂ freisetzt. So treten zahlreiche Organisationen für die Achtung der Rechte indigener Völker und die Berücksichtigung ihres traditionellen Wissens bei der Politikgestaltung ein. Indigene Völker gelten als die wichtigsten Hüter*innen der biologischen Vielfalt in Amazonien. Ihre Beteiligung ist von entscheidender Bedeutung, um globale Ziele im Bereich Naturschutz und Nachhaltigkeit erreichen zu können.

Eine COP der Zivilgesellschaft 

Während in der blauen Zone der COP16 die Verhandlungen zwischen den Staaten stattfinden, präsentieren 14 Kilometer entfernt in der grünen Zone Vertreter*innen der Zivilgesellschaft ihre Lösungsansätze und Projekte. Unter dem Motto "Gemeindebasierte Alternativen, die den Planeten kühlen und schützen", stellt dort eine von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützte Allianz von rund 15 kolumbianischen zivilgesellschaftlichen Organisationen ihre Forderungen und Empfehlungen vor. Sie arbeiten zum Teil bereits seit Jahrzehnten zu Umwelt, Klima, Agrarökologie und Menschenrechten. Eine zentrale Forderung dieser Allianz an die COP16 ist, die Merkantilisierung und Monetarisierung der Natur und die Förderung von Marktmechanismen zum Schutz der Natur als falsche Lösungen zu verhindern. Stattdessen soll als Grundlage für die Erreichung der Biodiversitätsschutz- und Klimaziele ein gemeindebasiertes nachhaltiges Management von Gemeingütern gefördert werden. Dabei spielt die Selbstbestimmung lokaler Gemeinschaften sowie indigener und afrokolumbianischer Völker eine zentrale Rolle.

Eine Vertreterin des nationalen kolumbianischen Netzwerkes für gemeindebasiertes Wassermanagement (Red de Acueductos Comunitarios) betonte die Relevanz eines Gesetzes, das das Recht auf gemeindebasiertes Wassermanagement festschreibt und so eine Privatisierung der Wasserressourcen verhindert. Obwohl nach jahrelanger Lobbyarbeit der in diesem Jahr erstmalig präsentierte Gesetzesentwurf im Kongress keine Mehrheiten fand, wird sich das Netzwerk weiter für die Verabschiedung eines solchen Gesetzes engagieren. Vertreter*innen agrarökologischer Projekte begrüßen den kürzlich vorgestellten nationalen Plan zur Förderung der Agrarökologie (2024-2035). Dieser wurde in Zusammenarbeit mit ländlichen Gemeinden, Frauenverbänden, indigenen und afro-kolumbianischen Organisationen sowie Universitäten entwickelt. Er stärkt Initiativen für eine ökologische und gerechte Landwirtschaft, die der Ernährungssicherheit sowie dem Biodiversitätsschutz dient.

Ein wichtiges Anliegen der zivilgesellschaftlichen Allianz ist ferner, die Konvergenz der Biodiversitäts- und Klimaagenda im Sinne einer gerechten sozialökologischen Transformation voranzutreiben. Dafür muss die Dekarbonisierung der Wirtschaft und damit der verbindliche Ausstieg aus der Öl- und Gasförderung umgesetzt sowie das Fracking verboten werden. Der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und die Energiewende dürften die Rechte der Menschen in den ländlichen Regionen nicht verletzen und ihre Lebensgrundlagen gefährden, betonen Vertreter*innen der Allianz. Allerdings zeichnet sich schon seit geraumer Zeit ab, dass bei Projekten für erneuerbare Energien eben diese Fehler der Vergangenheit wiederholt werden.

Bei der Präsidentin der COP16, Susana Muhamad, stoßen die Initiativen auf Gehör. Die kolumbianische Umweltministerin betont in ihren Reden, dass die Rettung der Natur nicht auf Kosten der betroffenen Gemeinschaften gehen dürfe. Zudem fordert sie eine stärkere internationale Zusammenarbeit und finanzielle Zusagen für Länder, die große Ökosysteme und bedeutende natürliche Ressourcen bewahren. Dementsprechend setzt auch Kolumbiens, gerade noch rechtzeitig zum ersten Konferenztag präsentierte, Biodiversitätsstrategie auf die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und traditioneller Gemeinden, wobei die Stärkung lokaler Wirtschaftsmodelle im Mittelpunkt steht. Ein wichtiger Aspekt der Biodiversitätsstrategie ist die Vereinbarkeit mit dem kolumbianischen Nationalen Entwicklungsplan sowie der Raumordnung, um soziale Ungleichheiten und Konflikte bei der Landnutzung zu verringern. 

Rolle der Europäischen Union 

Die EU hat mit ihrem Aktionsplan zum Schutz der Biodiversität klargestellt, dass der Verlust von Biodiversität und der Zusammenbruch von Ökosystemen in den kommenden zehn Jahren eine der größten Bedrohungen für die Menschheit darstellen. Darüber hinaus gefährden diese Entwicklungen die Grundlagen der Wirtschaft. Zwischen 1997 und 2011 belief sich der geschätzte Verlust an Ökosystemdienstleistungen weltweit auf 3,5 bis 18,5 Billionen Euro pro Jahr. Der Verlust an Biodiversität führt insbesondere zu sinkenden Erträgen in der Landwirtschaft und Fischerei sowie zu erhöhten wirtschaftlichen Verlusten durch Überschwemmungen und andere Umweltkatastrophen. Die EU hat sich verpflichtet, Länder des Globalen Südens zu unterstützen. Wie diese Finanzierungsmechanismen gestaltet werden, wird in dieser Woche auf der COP16 verhandelt. 

Obwohl viele Fragen noch offen sind, zeigt die COP16, dass eine Zukunft im Einklang mit der Natur nur gemeinsam gestaltet werden kann. Entscheidungsträger*innen müssen diesen Weg konsequent weitergehen - unterstützt durch das Engagement lokaler Gemeinschaften und indigener Völker, die bereits heute wichtige Schritte zum Erhalt der Biodiversität und zum Schutz des Klimas unternehmen.


Mehr zur COP16 ist auf den Seiten unseres Büros in Bogota zu finden (Spanisch):