Die 16. UN-Biodiversitätskonferenz in Kolumbien steht vor der Herausforderung, Ergebnisse zum Erhalt der Biodiversität zu erzielen. Neben Finanzierungsstrategien sind Maßnahmen zum Schutz von Artenvielfalt und Ökosystemen dringend notwendig.

„Frieden mit der Natur“ - so lautet das Motto der 16. Konferenz der Vertragsstaaten (COP16) zur Konvention über biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD), die diesen Montag in Cali, Kolumbien beginnt. Über 18.000 Teilnehmende, darunter Delegierte, Vertreter*innen von NGOs, des Privatsektors und der Presse, werden für die nächsten zwei Wochen rund 1000 Veranstaltungen besuchen, um Maßnahmen zum Schutz der Natur und zur Restauration degradierter Naturräume zu vereinbaren. Neben dem UN-Generalsekretär António Guterres werden zehn Staatschefs, u.a. Lula da Silva aus Brasilien und Claudia Sheinbaum aus Mexiko, sowie 100 Umweltminister*innen und über 140 UN-Delegationen teilnehmen.
Unter der Präsidentschaft von Gustavo Petro und der Umweltministerin Susana Muhamad betont das Gastgeberland Kolumbien seine internationale Vorreiterrolle für den weltweiten Schutz der Biodiversität und hat angekündigt, ambitionierte Ziele für die Aktualisierung der nationalen Biodiversitäts-Aktionspläne zu unterstützen. Das Land, das zu den artenreichsten Ländern der Welt zählt – es verfügt über besonders wertvolle Ökosysteme wie den Amazonas, die Anden, die Pazifikregion und die Karibikküste - bietet die ideale Kulisse für diese Konferenz. Andererseits hat Kolumbien in den letzten Jahren 23 Mio. Hektar an Ökosystemen verloren, ein Großteil durch Abholzungen und Brände als Folge klimabedingter extremer Trockenheit.
Die COP16 ist das höchste Entscheidungsgremium der Konvention über biologische Vielfalt, die alle 196 UN-Nationen unterzeichnet haben. Ziele der Konvention sind die Erhaltung der Biodiversität, die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt sowie ein gerechter Zugang zu genetischen Ressourcen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1992 stärkte die CBD die Bedeutung des Schutzes biologischer Vielfalt weltweit und legte bindende Verpflichtungen für die Unterzeichnerstaaten fest. Auf der als historisch bezeichneten COP15 in Montreal im Jahr 2022 einigten sich die Vertragsstaaten auf das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework. Zu seinen ehrgeizigen Zielen gehören der Schutz von 30 % der globalen Land- und Meeresflächen bis 2030 sowie die Wiederherstellung von 30 % der geschädigten Ökosysteme. 2022 wurde vereinbart, bis 2025 jährlich 20 Mrd. US-Dollar für sogenannte Entwicklungsländer bereitzustellen. Zwei Jahre nach Montreal ist die internationale Gemeinschaft weit von diesem Ziel entfernt.
Erneut Thema: Finanzierung der Biodiversitätsziele
Im Dezember 2023 kündigte die Regierung Petro an, dass Kolumbien die COP16 in Cali ausrichten würde, nachdem der ursprüngliche Gastgeber Türkei aufgrund des verheerenden Erdbebens, das den Südosten der Türkei erschütterte, die Organisation des Gipfels zurückzog. In Cali werden nun globale Lösungen sowie dringend benötigte finanzielle Unterstützungen der Staaten diskutiert. Die sehr gut organisierte Zivilgesellschaft erwartet von der Konferenz konkrete Fortschritte bei den Umsetzungsmechanismen der Biodiversitätsziele. Mit Unterstützung des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Bogotá, das auch zahlreiche Veranstaltungen auf dem Gipfel durchführt, erstellte eine Allianz aus Vertreter*innen der kolumbianischen Zivilgesellschaft die Erklärung „gemeindebasierte Alternativen, die den Planeten kühlen und bewahren“, die Entscheidungsträger*innen bei der COP vorgestellt wird. Ein zentrales Anliegen dieser Erklärung ist, die Biodiversitätsagenda mit der Klimaschutzagenda zusammenzudenken und zusammenzuführen. Außerdem sollen Geschlechtergerechtigkeit sowie die Rolle der Frauen bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt und bei nachhaltigen Ernährungssystemen anerkannt werden. Und schließlich geht es darum, dass lokale, indigene, bäuerliche und afro-kolumbianische Gemeinschaften verbindlich an Entscheidungen beteiligt werden, die ihre Autonomie betreffen.
Forderung: Konkrete Maßnahmen unter Beteiligung lokaler Gemeinden
Darüber hinaus hat die Allianz der kolumbianischen Zivilgesellschaft Vorschläge zur Aktualisierung des Nationalen Biodiversitäts-Aktionsplans erarbeitet, die auf der COP16 diskutiert werden. Mit diesem Fahrplan können die Verpflichtungen des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal, der auf der COP15 verabschiedet wurde, noch umgesetzt werden. Ziel ist es, konkrete Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität, zur Verringerung des Artenverlusts, zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme und zur Förderung der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen festzulegen. Im Rahmen des kolumbianischen Aktionsplans für Biodiversität 2016-2030 will die Allianz den Schutz der biologischen und kulturellen Biodiversität zur Eindämmung der zivilisatorischen Krisen, einschließlich der Klimakrise, neu definieren.
Die internationale Zivilgesellschaft nutzt die COP16, um den Druck insbesondere auf die reicheren Länder zu erhöhen, damit neue ambitionierte Naturschutzziele formuliert und umgesetzt werden. De facto sind bis kurz vor Beginn der Konferenz nur 25 Länder ihren Verpflichtungen nachgekommen, überarbeitete nationale Biodiversitätspläne vorzulegen. Wie beim Klimaabkommen entscheiden die Länder selbst, welchen Beitrag sie zu den globalen Zielen leisten wollen. Für Deutschland steht die COP16 im Kontext der Umsetzung nationaler Biodiversitätsstrategien und dem Bemühen, den „Paris-Moment für die Natur“ zu erreichen – also einen vergleichbaren Durchbruch wie beim Pariser Klimaabkommen. Die Bundesregierung betrachtet die Konferenz als Gelegenheit, den globalen Biodiversitätsschutz in den Fokus zu rücken und Synergien zwischen Umwelt- und Klimapolitik zu schaffen. Ab 2025 will die Bundesregierung jährlich 1,5 Mrd. Euro für den globalen Naturschutz bereitstellen.
Die Weltgemeinschaft steht in Cali vor enormen Herausforderungen, den weltweit auch für Wirtschaftssysteme bedrohlichen globalen Biodiversitätsverlust aufzuhalten und die Dekarbonisierung der Industrien zu beschleunigen. Dies erfordert einen effektiven Multilateralismus, bei dem durch entschiedene Maßnahmen Glaubwürdigkeit zurückgewonnen wird. Auch für Kolumbien steht viel auf dem Spiel: Das Land muss unter Beweis stellen, ob es der Führungsrolle im internationalen Naturschutz gerecht werden und Entscheidungen von globaler Reichweite vorantreiben kann. Es geht um den Schutz der Natur und letztlich um die Zukunft der Menschheit. Dafür sind die Stimmen der Zivilgesellschaft, der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften wichtiger denn je.
Mehr zur COP16 ist auf den Seiten unseres Büros in Bogota zu finden (Spanisch):