In Deutschland wird Wüste oft mit Afrika oder Asien in Verbindung gebracht. Auf diese Regionen ist sie jedoch nicht beschränkt: Intensive Landwirtschaft und Klimakrise tragen dazu bei, dass Böden auch in Europa derart degradieren, dass man von Wüstenbildung spricht. Nicht nur in Südeuropa – selbst Länder mit gemäßigtem und feuchtem Klima wie Ungarn und Bulgarien sind betroffen.
Wüstenbildung tritt in Trockengebieten auf – in Regionen, die durch dauerhafte Wasserknappheit geprägt sind. Je nach Definition machen Trockengebiete mehr als 40 Prozent der weltweiten Landfläche aus. Auch in der Europäischen Union (EU) trocknen Böden aus. Dreizehn EU-Mitgliedstaaten, nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch in Mittel- und Osteuropa, geben mittlerweile an, von Wüstenbildung betroffen zu sein. Insgesamt sind 23 Prozent des Gebiets der EU moderat und 8 Prozent hoch bis sehr hoch empfindlich gegenüber Wüstenbildung. Zu den betroffenen Ländern gehören unter anderem Ungarn, Bulgarien, Spanien und Italien.
Eine der Ursachen ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Zum Beispiel in Spanien wird immer mehr Wasser für den Anbau von Obst und Gemüse für den europäischen Markt genutzt: Zwischen 2010 und 2016 hat der Grundwasserverbrauch für die Bewässerung hochprofitabler Produkte wie Erdbeeren, Salat oder Brokkoli um mehr als das Fünffache zugenommen – von 4 Prozent auf 22 Prozent. Die Übernutzung der Wasserressourcen, die Senkung des Grundwasserspiegels und die Verschlechterung der Wasserqualität durch die übermäßige Düngerzufuhr tragen zur Wüstenbildung bei.
Bislang wird in Deutschland Wüstenbildung gemeinhin nicht als Problem wahrgenommen. Jedoch sind auch hierzulande mindestens ein Fünftel der landwirtschaftlichen Flächen von sehr starker Bodenerosion betroffen. Erosion durch Wind findet hauptsächlich in Norddeutschland statt und entsteht durch das Zusammenspiel von flacher Topographie, sandigen bis lehmigen Böden und ausgedehnten landwirtschaftlichen Flächen. In hügeligen Landschaften wiederum wird Boden eher von Starkregen abgetragen. Wird diese Entwicklung nicht gestoppt, könnte sie – verstärkt durch die Klimakrise – dazu führen, dass auch Böden in Deutschland großflächig austrocknen und stärker von Wüstenbildung bedroht werden.
Klimakrise und Wüstenbildung stehen in einem wechselseitigen Verhältnis. Wüstenbildung wird nicht nur durch die Klimakrise befördert – sie trägt auch selbst zu mehr Emissionen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO₂) bei. Degradierte Böden mit geringer organischer Substanz haben eine geringere Kapazität, CO₂ aufzunehmen.
Ist ein Boden gesund, kann er – je nach Zusammensetzung – bis zu 3.750 Tonnen Wasser pro Hektar speichern. Durch Wüstenbildung wird diese Fähigkeit stark beeinträchtigt: Mit jedem Gramm, das der Boden an organischer Substanz verliert, kann er Schätzungen zufolge bis zu 10 Gramm Wasser weniger speichern. Das verschärft Überschwemmungsrisiken und führt zu weiterer Wasserknappheit. Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Wüstenbildung haben die Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2015 das Ziel der Landdegradationsneutralität beschlossen. Es besagt, dass die weitere Degradation von Boden zu verhindern ist und jene Verschlechterungen von Land kompensiert werden müssen, die sich nicht mehr vermeiden lassen – zum Beispiel, indem an anderer Stelle Boden und Ökosystemleistungen restauriert werden. In der EU fehlt bislang eine konkrete Strategie, wie Landdegradationsneutralität bis zum Jahr 2030 erreicht werden kann.
Der Europäische Rechnungshof weist in einem kürzlich veröffentlichten Bericht darauf hin, dass die Fortschritte bei der Verwirklichung des Ziels unzureichend sind. Ein wichtiger Schritt wäre die EU-weite Einigung auf eine gemeinsame Methode zur Bewertung der Wüstenbildung. Das Wissen, wo Wüstenbildungsprozesse wahrscheinlich stattfinden werden, hilft dabei, Bodendegradation zu bekämpfen – bevor sie unumkehrbar wird.