Die Wahlen 2020: Inklusiv, frei und fair? Perspektiven marginalisierter Minderheiten

Kommentar

Aufgrund der Entrechtung von Minderheiten werden die allgemeinen Wahlen 2020 nicht vollständig frei und fair sein. Die nächste Regierung muss darin bestärkt und unterstützt werden, die Problematik ethnischer und religiöser Konflikte und Diskriminierung zu priorisieren.

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Die multireligiöse Stadt Yangon

Während sich Myanmar auf die bevorstehenden Parlamentswahlen im November 2020 vorbereitet, hat die SMILE Foundation - ein Think Tank mit Sitz in Yangon, der sich für interreligiösen Frieden und Minderheitenrechte einsetzt - die Erfahrungen von religiösen und ethnischen Minderheiten, die ihr Wahrecht ausüben, sowie die verschiedenen Barrieren und Formen der Diskriminierung, denen sie ausgesetzt sind, beobachtet. Die Analyse von SMILE kommt zu dem Schluss, dass die Regierung Myanmars und die Wahlkommission (Union Election Commission, UEC) Gesetze und Rechtspraktiken anwenden, um ethnische und religiöse Minderheiten zu diskriminieren, indem sie den Rohingya und muslimischen Kandidaten - wie auch anderen religiösen und ethnischen Minderheiten in Myanmar - das Recht verweigern, sich zur Wahl aufzustellen.

Vielen weiteren Minderheiten wird das Wahlrecht verweigert, das durch den erschwerten Zugang zur Staatsbürgerschaft aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit begründet ist. Binnenflüchtlinge im ganzen Land haben ebenfalls Schwierigkeiten bei der Ausübung ihres Wahlrechts aufgrund der andauernden bewaffneten Konflikte zwischen ethnischen bewaffneten Gruppen und dem burmesischen Militär (Tatmadaw), und vielen von ihnen wird das Wahlrecht verweigert, obwohl sie Inhaber eines Personalausweises sind.

Diese Entrechtung der Minderheitengruppen Myanmars ist ein direkter Verstoß gegen die Verfassung von 2008 und eine Verletzung grundlegender Menschenrechte. Folglich kommt SMILE in seiner Analyse zu dem Schluss, dass die Wahlen vom 8. November 2020 in Myanmar nicht vollständig inklusiv, frei und fair sein werden.

Während der vergangenen fünf Jahre hat es die von der National League for Democracy (NLD) geführte Regierung versäumt, den institutionalisierten und systemischen Rassismus und die Diskriminierung im Land zu bekämpfen, wodurch die Minderheitengruppen zusätzlich marginalisiert worden sind. Die anhaltenden Verletzungen der Minderheitenrechte und die gesetzliche und praktische Diskriminierung haben einen erheblichen Einfluss auf die Wahllandschaft 2020. Sie bedrohen sowohl den Demokratisierungsprozess Myanmars als auch die zukünftige Stabilität des Landes.

Im Mittelpunkt steht dabei nach wie vor die Frage des Zugangs zur Staatsbürgerschaft. Die Verabschiedung von vier sogenannten "Ethnien- und Religionsschutzgesetzen" im Jahre 2015 (unter der früheren Thein Sein-Regierung eingeführt, die von der NLD nicht entfernt oder aufgehoben worden sind) haben ebenfalls dazu beigetragen, die ethnischen und religiösen Unterschiede weiter zu festigen, anstatt sie zu bekämpfen.

Unter der NLD-Regierung haben Hassreden in den sozialen Medien und anderen Medienformen zugenommen und zu großen Spannungen, teilweise sogar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt. Die zugrunde liegenden Spannungen bestehen nach wie vor und haben in die Rhetorik und Politik der politischen Parteien, die bei den Wahlen vom 8. November um die Sitze wetteifern, Eingang gefunden. Eine solche Rhetorik könnte weitere Konflikte oder Gewalt in der Zeit um die Wahlen herum entfachen. Die Wahl auf Grundlage religiöser und ethnischer Zugehörigkeiten könnte auch zu einer weiteren Polarisierung der myanmarischen Gesellschaft führen.

Stakeholder, die die Wahlen in Myanmar unterstützen, müssen ihren Einfluss nutzen, um sicherzustellen, dass die Wahlen im November vollständig inklusiv, frei und fair sind; dies umfasst, dass alle Menschen in Myanmar, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion, ihr Wahlrecht ausüben und sich am Wahlprozess beteiligen können.

Die nächste Regierung muss ermutigt und unterstützt werden, die Problematik ethnischer und religiöser Konflikte und Diskriminierung vorrangig zu behandeln.

Als Sofortmaßnahme müssen die Regierung Myanmars und die Wahlkommission (UEC) die politische Beteiligung ethnischer und religiöser Minderheiten an den Wahlen im November sicherstellen: dafür muss sowohl der ungerechte Ausschluss politischer Kandidaten adressiert werden, der insbesondere Kandidaten der politischen Parteien der Rohingya betrifft, als auch die UEC-Bestimmungen über die zur Stimmabgabe erforderlichen Dokumente, die Personen aus ethnischen Minderheitengruppen unverhältnismäßig benachteiligen.

Nach den Wahlen muss die neue Regierung ab 2021 ihre Prioritäten auf eine Änderung der Staatsbürgerschaftsgesetze des Landes setzen, die im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards stehen, und rechtliche Garantien für die Grundrechte von Menschen unterschiedlichen religiösen Glaubens gewährleisten; dazu gehört die Überprüfung und Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, die mit internationalen Menschenrechtsstandards unvereinbar sind. Die Regierung muss auch proaktiv werden, um gegen die institutionalisierte Diskriminierung innerhalb des Landes vorzugehen, den interreligiösen Dialog und interkommunale Versöhnungsprogramme zu fördern und Hassreden zu beenden.