Bundesregierung verweigert Unterstützung des Atomwaffenverbots

Während bereits über 120 Staaten den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen unterschrieben haben, verharrt die Bundesregierung auf ihrer Position und verweigert ihre Unterstützung. Auch der NATO-Gipfel 2018 wird eher von Aufrüstung als von Abrüstung geprägt sein. 

Aktion am Alexanderplatz in Berlin am 7. Jul zum 1. Jahrestag des Vertrags zum Verbot von Atomwaffen
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Die deutsche Bundesregierung hält bislang an ihrer Position fest, dem Verbotsvertrag nicht beizutreten.

Die vergangenen Monate waren geprägt von der verbalen Eskalation zwischen US-Präsident Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un, dem einseitigen Aufkündigen des Iran-Abkommens und zunehmenden Investitionen in die Modernisierung von Atomwaffen. Das ist die eine Seite der Nuklearpolitik.

Die andere Seite ist der Prozess des Vertrags zum Verbot von Atomwaffen (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, TPNW). Der Vertrag wurde von 122 Staaten am 07. Juli 2017 bei den Vereinten Nationen in New York verabschiedet. Damit zeigt die Mehrheit der Staaten ein Stoppschild gegenüber der zunehmenden Eskalation und setzt sich aktiv für ein Verbot von Einsatz, Drohung, Stationierung und Transit von Atomwaffen ein.

Fortschritte im Ratifikationsprozess

Ein Jahr nach der Verabschiedung im Juli 2017 gibt es bereits rund sechzig Unterzeichnerstaaten. Zehn davon haben den Vertrag auch schon ratifiziert, darunter Österreich und der Vatikan. Sobald fünfzig Ratifikationen erreicht sind, tritt der Vertrag neunzig Tage später in Kraft. Dieses Ziel kann bis Ende 2019 erreicht werden. Der aktuelle Fortschritt im Ratifikationsprozess lässt sich mit früheren Verträgen zur Abrüstung oder Eingrenzung von Massenvernichtungswaffen vergleichen. Deren Ratifikation lief teilweise sogar etwas langsamer ab, so hatte der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV) nach der Verabschiedung im Juli 1968 acht Monate später neun Ratifikationen – noch heute stellt er den Grundstein der internationalen nuklearen Ordnung dar.

Deutschland und der Verbotsvertrag

Die deutsche Bundesregierung hält bislang an ihrer Position fest, dem Verbotsvertrag nicht beizutreten. Den Verhandlungen, die im vergangenen Jahr in New York stattfanden, blieb sie mit dem Argument fern, es mache keinen Sinn, wenn die Atommächte nicht miteinbezogen würden. Im jüngsten Abrüstungsbericht der Bundesregierung wird erneut die Befürchtung geäußert, der Vertrag untergrabe die bestehende Abrüstungsarchitektur, insbesondere den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV). Dabei nimmt der Verbotsvertrag schon in der Präambel eindeutig Bezug zum NVV als „Eckpfeiler des nuklearen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsregimes“ und hält an den etablierten Standards für Sicherungsmaßnahmen fest (Artikel 3 und 4). Diese sehen vor, dass bestehende Sicherungsabkommen mit der Internationalen Atomenergie - Organisation (IAEO) erhalten bleiben oder neue Abkommen geschlossen werden müssen.

Die Beitrittsfrage wird für Deutschland an einem anderen Punkt zur Krux: der nuklearen Teilhabe in der NATO. Um dem Verbotsvertrag beitreten zu können, müssten die US-Atomwaffen aus dem rheinland-pfälzischen Büchel abgezogen werden. 2010 gab es dazu schon einen Fraktionsübergreifenden Bundestagsbeschluss. Die Bevölkerung befürwortet den Abzug seit Jahren. Auch nach einer aktuellen YouGov-Umfrage in den NATO-Ländern, in denen US-Atomwaffen lagern, zeigt sich in allen Staaten eine deutliche Mehrheit für ein Verbot und den Abzug der Waffen. In Deutschland sprechen sich wiederholt rund siebzig Prozent der Befragten sowohl für den Beitritt zum Atomwaffenverbot als auch für den Abzug der Atomwaffen aus Büchel aus.

NATO-Gipfel 2018

Doch der bevorstehende NATO-Gipfel am 11.und 12. Juli 2018 wird wohl wieder von der Debatte um die Aufstockung europäischer Verteidigungsetats geprägt sein und Nuklearfragen umschiffen. Momentan scheint die Existenz der Atomwaffen auf deutschen Territorium daher unantastbar. Doch eine Diskussion über die Notwendigkeit und Möglichkeiten des Abzugs der US-Atomwaffen ist dringend notwendig – und auch legitim. Denn beispielsweise nimmt der NATO-Gründungstext gar keinen Bezug zu Atomwaffen. Das momentane „Strategische Konzept“ macht die NATO zwar zu einer nuklearen Allianz, „so lange Atomwaffen existieren“, verpflichtet die Mitglieder aber gleichzeitig, die Bedingungen für eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Leo Hoffmann-Axthelm, Mitbegründer von ICAN Deutschland und EU-Kontakt von ICAN in Brüssel, betonte kürzlich auf einem Symposium in Büchel: „Die NATO war auch bisher eine hochflexible Allianz, die stets auf die Wünsche ihrer Mitglieder eingehen konnte. Deutschland kann eine Ausnahmeregelung, ein opt-out, von der erweiterten Abschreckung verhandeln - und so sicherstellen, dass niemals Massenvernichtungswaffen in deutschem Namen eingesetzt werden.“

Schon im Mai 2017 sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bezug auf die USA: Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, seien ein Stück weit vorbei. Die Prognose wurde in den letzten Monaten durch zahlreiche Beispiele bestätigt. Es ist daher an der Zeit, dass Deutschland als Staat im Zentrum Europas einen ersten Schritt geht und sich verteidigungspolitisch von den USA emanzipiert, indem es etwa die Stationierung amerikanischer Kernwaffen auf deutschem Territorium zur Debatte stellt. Das wäre nicht nur ein Signal an die Mehrheit der Staatengemeinschaft, die sich bereits für das Atomwaffenverbot aussprechen. Es wäre auch ein Signal an Länder wie Nordkorea oder Iran, wenn man glaubhaft zeigen kann, dass Atomwaffen in der multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts weder eine praktische noch eine symbolische Alternative sind. Der NATO-Gipfel diese Woche bietet eine Plattform diese Szenarios zu diskutieren und sich nicht nur hinter Zielmarken für Verteidigungsinvestitionen zu verstecken.