Israelische Reaktionen auf die Wahl Trumps

Gäste auf der Wahlparty der US-Botschaft in Israel schauen auf ihre Handys
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Skeptische Blicke aufs Handy bei der Wahlparty in der US-Botschaft in Tel Aviv

Die US-Wahl spaltet auch die Bevölkerung Israels. Die Linksliberalen in Tel Aviv sind geschockt, während im rechten Lager und bei der Siedlerpartei der Sieg Trumps gefeiert wird.

Die Reaktionen der Israelis auf die Wahl Trumps waren ähnlich wie in den USA: komplett gespalten. Denn während in New York und San Francisco Schock und Trauer ausbrach, war der Jubel im mittleren Westen und im Süden groß. So auch in Israel: Die liberalen jüdisch-amerikanischen Wähler Tel Avivs, die fest mit einem Wahlsieg Clintons gerechnet hatten und in Israel selbst zumeist mitte-links wählen, erwachen erst langsam wieder aus der Schockstarre, während der Rest des Landes mehr oder weniger offen jubelt. Auf der politischen Rechten hofft man, dass der Sieg Trumps nun endlich die lang ersehnte amerikanische Unterstützung der eigenen Wählerpräferenzen und Weltanschauungen bringen wird. Denn vor allem Wähler des regierenden Likud, der nationalreligiösen Siedler-Partei „Jewish Home“, aber auch die amerikanischen Ultraorthodoxen haben mit überwältigender Mehrheit für Trump gestimmt. Entsprechend auch die offiziellen Reaktionen der politischen Lager.

Während die links-zionistische Meretz vor Trumps Politikwechsel gegenüber Israel und dem Nahen Osten warnt, und Zipni Livni und Herzog von der Labour/Zionist Party zwar gratulieren, aber ihre Hoffnung ausdrücken, dass die Politik des Präsidenten Trump sich von seiner Kampagne unterscheiden wird, haben im Office des Premierministers und erst recht bei der Siedlerpartei vermutlich „die Sektkorken geknallt“. Premierminister Netanjahu, der sich dieses mal während des US-Wahlkampfes auffallend zurückgehalten hatte und auch seinen Kabinettsmitgliedern eine Schweigepflicht auferlegt hatte, bescheinigte Trump direkt nach seinem ersten Telefonat mit ihm, dass er „ein echter Freund Israels“ sei und man sich auf die Zusammenarbeit freue. Ein zwar noch recht zurückhaltendes Statement, das wohl mit der zurückhaltenden Haltung des republikanischen Lagers in den USA und Netanjahus großen Finanziers Adelson während des gesamtem Wahlkampfes zu tun hatte, in dem sich Netanjahu fest verankert sieht. 

Offener Jubel dagegen bei der Siedlerpartei von Minister Bennett - Vorsitzender der Partei des „Jüdischen Heims“ und Erziehungsminister - und Justizministerin Shaked, sowie dem rechten Lager des Likud. Sie erklären, dass die Ära eines palästinensischen Staates nun vor bei sei und Trumps Sieg nun die einmalige Gelegenheit für Israel ist, „die Zweistaatenlösung und die Idee eines palästinensischen Staates im Herzen des eigenen Landes endgültig zu beerdigen“.

Verteidigungsminister Lieberman spricht angesichts Trumps Versprechungen im Hinblick auf Israel gar von einem „Paradise Plus plus“.

Keine Frage also: Der Wahlsieg Trumps gibt den rechten und nationalreligiösen Parteien und Bewegungen Israels einen immensen Auftrieb – wie wohl den rechtspopulistischen Bewegungen weltweit, sei es für Le Pen und ihre Wahlen im nächsten Jahr in Frankreich, den Brexit-Befürworter/innen Grossbritanniens oder für die AfD in Deutschland.

Was will Trump?

Aber wird das am Ende auch so sein? Was will Trump und was hat er im Wahlkampf versprochen, dass sein Sieg den rechten Flügel in Israel so optimistisch stimmt? Und wird er halten, was immer er im Wahlkampf versprochen hat? Das wäre eigentlich recht ungewöhnlich.Erst recht wenn man bedenkt, dass Trumps Wahlkampf eigentlich nur eine große Road-Show war. Es ging nicht um Inhalte, sondern darum, aus der Angst der weißen Mittelschichten um Abstieg und Zukunft Kapital zu schlagen. Und dabei war ihm jedes Mittel recht: Schwulen- und Frauenfeindlichkeit, genauso wie rassistische und antisemitische Hetze. Damit seine zentrale Parole „America’s first – Making the real America really great again“ wirklich bei den Wählern zog, musste man Amerikas jetzigen Zustand erst mal schlecht reden und Ängste schüren.

Aber ist diese Parole wirklich gut für Israel? Was bedeutet sie für die Region und für Trumps mögliche Politik im Nahen Osten und insbesondere für Israel?

Trumps Berater für Israel, Jason Greenblatt und David Friedman, haben jedenfalls ein Dokument verschickt, dass sich wie Netanjahus Sprechzettel am Abend der israelischen Wahlen 2015 liest. Darin halten sie fest, dass eine Zweistaatenlösung ohne die Anerkennung Israels als jüdischen Staat nicht möglich sei; die 67iger-Grenzen werden erst gar nicht erwähnt und vor allem: die Siedlungen werden nicht als „Hindernis“ für einen Frieden angesehen. Gerade letzteres würde eine starke zentrale Verschiebung der bisherigen Position der USA bedeuten, nach der die Siedlungen und ihr weiterer Ausbau immer als „Hindernis zum Frieden“ angesehen wurden - selbst unter Bush und Condoleezza Rice.

Außerdem hatte sich Trump im Wahlkampf harsch gegen das Abkommen mit dem Iran gestellt. Ein Thema, das Hauptkonfliktpunkt zwischen Obama und Netanjahu in den vergangenen Jahren war und das vom israelischen Premier geradezu obsessiv betrieben wird. Trumps Ankündigung nicht zu vergessen, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen – ein Schritt, der aus Sicht der israelische Rechten signalisieren würde, dass Jerusalem bei einer Lösung nicht geteilt, sondern vollständig in den Händen Israel verbleiben würde. Besser könnte es also für die israelische Rechte nicht kommen. Oder?

„America’s first“ und internationaler Isolationismus sind schlecht für Israels Sicherheit

Verschiedene Think Tanks wie dem Institute for National Security Studies (INSS) und weitere Expert/innen sind wesentlich zurückhaltender, was eine mögliche Änderung der amerikanischen Politik im Nahen Osten angeht. Selbst die „Spin Doktoren“ des Büros des Premierminister und das Außenministerium sind äußerst skeptisch, wie ein geleaktes Papier zeigt: Trump wird nicht nur als ein „großer weißer Fleck“ angesehen, was seine Nahostpolitik und seine  äußerst widersprüchlichen Aussagen betrifft. Sie befürchten auch, dass eine Politik des „America first“ und eine isolationistische US-Politik zu weniger Engagement des wichtigsten Partners Israels führen würde - nicht nur im israelisch-palästinensischen Konflikt, sondern auch im Nahen Osten insgesamt. Dies könnte am Ende nicht mehr, sondern weniger Sicherheit für Israel in einer weiterhin instabilen Region bedeuten. Schon die zurückhaltende Politik Obamas im Syrienkonflikt ist in Israel auf wenig Zustimmung gestoßen. Von links bis rechts ist man der Meinung, dass Obama sich schon frühzeitig gegen Assad und vor allem seine Verbündeten Iran und Russland hätte stellen müssen – gegebenenfalls auch militärisch. Es wird befürchtet, dass nach dem Irak im zerfallenden Syrien ein zweiter Satellitenstaat Irans entstehen könnte - diesmal an der direkten Grenze zu Israel, ergänzt durch die vom IS besetzten Teile Syriens. Eine wahre Horrorvorstellung für Israel. Das Analysepapier des Außenministeriums kommt auch zu dem Schluss, dass Trumps isolationistische Politik in Verbindung mit seiner kühl kalkulierten Haltung eines Business Man, den Nahen Osten schlicht nicht als „gutes Investment“ ansehen würde und von daher das Engagement im Nahen Osten reduzieren könnte.

Auch Trumps Bewunderung für den Despoten Putin wird in Israel skeptisch gesehen. Denn ein Präsident Trump, der den Ausgleich mit Putins Großmachtbestrebungen sucht, statt ihm Kontra zu geben, wird sicher keine konträre Lösung im Syrienkonflikt zu Putin suchen. Er wird mit Assad und seinem Regime leben können und die eh schon zaghafte Unterstützung der Rebellen durch Obama weiter zurückfahren. Er hat zwar angekündigt, dass er den Kampf gegen den IS in Mosul und Raqqa in Syrien weiter unterstützen will. Aber damit liegt er ganz auf der Linie Putins.

Eine „America first“-Politik wird auch sicher keine Probleme damit haben, wenn Despoten wie Al-Sisi die Menschenrechte mit Füßen treten, wenn sie im Gegenzug Terrorismus bekämpfen. Ägyptens regierungsnahe Medien haben daher bereits den Sieg Trumps gefeiert. Man hofft auch hier auf einen „großen Wechsel“ im ägyptisch-amerikanischen Verhältnis.

Auch die Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes wird nicht zu seinen Prioritäten gehören, so das Papier des Außenministeriums.

Paradigmenwechsel zu Lasten Israels und der Region

Alles in allem ist bei näherem Hinsehen zurecht zu befürchten, dass Trumps „America first“-Politik in Verbindung mit einer eher  geschäftsorientierten Haltung zur internationalen Politik generell wohl zu einem weitaus schwächeren internationalem US-Engagement führen werden - mit gravierenden Folgen für die Region des Nahen Ostens und damit auch für die Sicherheit Israels. Die neue Hinwendung der USA zu Putin wird nicht nur das transatlantische Verhältnis auf eine extreme Probe stellen, sondern könnte auch die Parameter der US-Politik im Nahen Osten gefährlich verschieben.

Es stimmt wohl: Trump wird einen Paradigmenwechsel in der amerikanischen Politik gegenüber dem Nahen Osten einleiten. Auch in dieser Hinsicht ist seine Wahl eine Zäsur - aus der Sicht Israels sicher keine positive. Das könnte auch der israelischen Rechten am Ende des Tages klar werden.