Der Mann fürs Grobe

Ein Flüchtling hält ein Transparent mit der Aufschrift "Geld statt Gutscheine"
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Ein Flüchtling hält ein Transparent mit der Aufschrift "Geld statt Gutscheine", aufgenommen am 14. November 2015 in Hamburg

Sachleistung statt Bargeld – in Brandenburg wurde 2014 ein bekennender Hardliner zum Innenminister berufen. Konflikte in der rot-roten Koalition sind da vorprogrammiert.

Er ist der Mann fürs Grobe. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat ihn nach der gewonnenen Landtagswahl 2014 ins rot-rote Kabinett geholt, um die im Land allseits ungeliebte Kreisgebietsreform durchzudrücken. Karl-Heinz Schröter, davor seit Jahrzehnten Landrat, zuletzt seit 1994 im Landkreis Oberhavel, hatte ursprünglich selbst gegen die Reformpläne, die vorsehen, mehrere Landkreise zusammenzulegen, opponiert. Jetzt soll er sie als Innenminister umsetzen. Der 61-jährige Sozialdemokrat gilt als politischer Dickkopf, der sich nur schwer in eine Parteidisziplin einbinden lässt. Landesweit hat er sich vor allem als Hardliner in der Asylpolitik einen Namen gemacht.

Dass ausgerechnet dieser Mann nun als Innenminister für das bereits in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete Integrationskonzept der rot-roten Landesregierung stehen soll, ist schwer vorstellbar. Denn zwei der zentralen Forderungen des Konzepts hat Schröter nie akzeptiert: Die Vermeidung von Abschiebungen und die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes – konkret die „flächendeckende Gewährung von Geld- statt Sachleistungen“ für Flüchtlinge. So steht es sinngemäß im Übrigen auch im derzeit geltenden rot-roten Koalitionsvertrag.

Schröter sperrte sich als Landrat bis zuletzt gegen eine liberale Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes, das im Landesintegrationskonzept ausdrücklich als „diskriminierend“ und als auf  „Abschreckung“ abzielend bezeichnet wird. Selbst als die Landesregierung per Runderlass ausdrücklich forderte, Bargeld statt Gutscheine an die Flüchtlinge zu verteilen, scherte sich Schröter nicht darum, sondern verteidigte seine Lesart der Gesetzeslage. Noch im November 2013 focht er vor Gericht mit Erfolg gegen die Klage eines Flüchtlings aus Togo, der sein Recht auf Geldleistungen einfordern wollte.

Das Pikante daran: Ausgerechnet dieser Flüchtling war ein Jahr davor vom damaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) für seinen Kampf gegen das Gutscheinsystem im Landkreis Oberhavel mit dem „Band für Mut und Verständigung“ ausgezeichnet worden. 2014 wurde zudem die Initiative „Willkommen in Oberhavel“, die Gutscheine von Asylbewerbern gegen Geld umtauschte, von der Stadt Oranienburg und der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen mit dem nach dem früheren KZ-Häftling Franz Bobzien benannten Preis geehrt. Landrat Schröter blieb davon unbeeindruckt.

Jetzt soll also genau dieser Politiker als Brandenburger Innenminister die Flüchtlingspolitik steuern und die Arbeit mit den zahlreichen Willkommensinitiativen im Land koordinieren. Schröter gilt im Kabinett als interner Gegenspieler von Diana Golze. Die linke Sozialministerin ist die zweite verantwortliche Instanz auf der Potsdamer Regierungsbank, wenn es um die Umsetzung des Landesintegrationskonzeptes geht. Während Golze an einem Landesaufnahmegesetz arbeitete, das zum Ziel hat, die Kommunen bei den Kosten der Unterbringung zu entlasten, um Flüchtlingen möglichst schnell integrieren zu können, glänzte Schröter im Sommer mit einem besonders integrativen Vorschlag: „Wenn Armutsflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern die Erstaufnahme nach drei Monaten verlassen, sollten sie statt Bargeld wieder Gutscheine und Sachleistungen erhalten“, ließ er mitteilen.

Außerdem hält es der Innenminister für sinnvoll, die Wartezeit in der Erstaufnahme, also der Station, von der aus die Flüchtlinge anschließend auf die einzelnen Landkreise verteilt werden, von drei auf sechs Monate zu verlängern, damit Flüchtlinge mit geringen Aussichten auf Asyl leichter abgeschoben werden können. Abschreckung statt Integration also. Willkommen in Brandenburg.

Weitere Beiträge zur Flüchtlingspolitik in Brandenburg finden Sie auf der Länderseite unseres Dossiers "Wie schaffen die das? Die Flüchtlingspolitik der Länder" (zur Startseite).