Preis für demokratische Schulentwicklung

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Begrüßung Ralf Fücks, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung
Preis für demokratische Schulentwicklung
Berlin, den 16. November 2015

Liebe Frau Schwan,
liebe Sylvia Löhrmann,
liebe Preisträgerinnen und Preisträger,
liebe Freundinnen und Freunde der Heinrich-Böll-Stiftung und der beteiligten Kooperationspartner,
liebe Schülerinnen und Schüler!

ich heiße Sie herzlich Willkommen zur Verleihung des Preises für demokratische Schulentwicklung – „Demokratie erleben“!

Dies ist eine Premiere: Der Preis wird heute zum ersten Mal verliehen, und wir freuen uns sehr, dass er hier in der Heinrich-Böll-Stiftung vergeben wird. Er zeichnet Schulen aus, in denen Kinder und Jugendliche gemeinsam mit Erwachsenen Demokratie lernen, leben und gestalten können; Schulen, die sich für eine inklusive Schulkultur stark machen, die Beteiligung großschreiben und die kulturelle Vielfalt schätzen. Damit steht der Preis für Werte, die auch die Arbeit der Heinrich-Böll-Stiftung prägen.

Eine Demokratie braucht Demokraten: Bürgerinnen und Bürger, die sich mit den demokratischen Grundwerten unserer Verfassung identifizieren und sich aktiv an den öffentlichen Angelegenheiten beteiligen. Wie wichtig eine demokratische Grundhaltung und demokratisches Engagement sind, sehen wir heute an vielen Stellen, an denen unsere Demokratie unter Druck gerät. Überall in Europa vergiften nationalistische, fremdenfeindliche und antidemokratische Bewegungen das politische Klima. Brennende Flüchtlingsunterkünfte sind ein Alarmzeichen für wachsenden Hass und Intoleranz. Das Vertrauen in Parteien und Parlamente ist angeschlagen. Die Hunderttausende, die vor Krieg und Terror nach Europa fliehen, stellen den humanen und weltoffenen Charakter unserer Gesellschaften auf die Probe.

Wir alle haben vermutlich noch die grässlichen Bilder aus Paris im Kopf – wie wir unsere Freiheit gegen Extremismus und Terror verteidigen, ohne sie einer vermeintlichen Sicherheit zu opfern, ist eine echte Bewährungsprobe für die Sturmfestigkeit der europäischen Demokratie.

Schon diese kurze Aufzählung zeigt, dass ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen keine Errungenschaft ist, die auf alle Zeiten garantiert ist. Demokratie muss immer neu gelernt, gelebt, verteidigt und weiterentwickelt werden. Am besten verteidigen wir sie, indem wir sie praktizieren – in unserem Alltag, in der Schule, in unserem Stadtquartier wie in der großen Politik.

Genau das ist das Ziel, das wir gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik  als Trägerin dieses Preises verfolgen: Schulen zu stärken, die sich auf einen demokratischen Weg machen und ihre Entwicklung in die eigene Hand nehmen.
Diese Schulen vermitteln Kindern und Jugendlichen, wie sie sich einbringen und mitgestalten können, dass ihre Meinungen relevant sind und ihre Anliegen Gehör finden, dass Toleranz und Respekt Werte sind, von denen letztlich jeder profitiert, weil eine offene Gesellschaft jedem Möglichkeiten gibt, sich zu entfalten, dass zu Demokratie der zivilisierte Streit ebenso gehört wie die Bereitschaft zum Kompromiss; die Achtung von Minderheiten ebenso wie das Akzeptieren von Mehrheitsentscheidungen.

Schulen, die diese Werte in  ihrer Schulkultur verankert haben, sind Vorbilder für all jene, die die sich nicht mit Klagen über mangelnde Ressourcen und eine bürokratische Schulverwaltung begnügen, sondern selbst aktiv werden wollen.

Wir sind dankbar für diesen Preis, weil er mit dem bescheidenen Preisgeld Dinge ermöglicht, die eine Schule sonst ggf. nicht finanzieren könnte und viel wichtiger: weil er demokratische Schulentwicklung würdigt und sie öffentlich sichtbar macht.

An Schulen werden – von Seiten der Bildungspolitik wie von Eltern und Interessensvertretern – immer neue Anforderungen herangetragen. Vielfach münden diese Erwartungen in der Forderung nach neuen Schulfächern: Informatik und Medienkunde, um in der digitalen Gesellschaft bestehen zu können; Wirtschaft, um die komplexen ökonomischen Zusammenhänge einer globalisierten Welt begreifen zu können; Religionsunterricht auch für nicht-christliche Konfessionen, um Angehörigen aller Religionen eine identifikationsstiftenden Platz einzuräumen; darüber hinaus sollen Prävention und Gesundheitsförderung, Verbraucherbildung, Nachhaltigkeit oder Berufsorientierung fächerübergreifend berücksichtigt werden. Auf welche Fächer und Inhalte verzichtet werden kann, wird übrigens selten erwähnt.
Das schulische Curriculum wird so immer weiter verdichtet und zum vermeintlichen Allheilmittel für all das, was junge Menschen am Ende ihrer Schulzeit erlernt haben sollten. Zusätzlicher Druck entsteht durch internationale Vergleichstests wie PISA und die Verkürzung  der Schulzeit in einigen Bundesländern.

Angesichts dieser Überlast an fachlichen Anforderungen hat die Vermittlung von sozialen Kompetenzen vergleichsweise wenige Fürsprecher – dabei sind sozialen Kompetenzen für unser Gemeinwesen und auch die Arbeitswelt nicht weniger wichtig wie fachliches Wissen, das sich ohnehin immer rascher erneuert und erweitert. Diese soziale Seite von Schule zu stärken ist ein wichtiges Anliegen dieses Preises. Schülerinnen und Schüler, die gelernt haben, sich über den Unterricht hinaus zu beteiligen und anderen respektvoll zu begegnen, sind Aktivposten für die Demokratie von morgen. Gegenwärtig können wir erleben, in welch hohem Maße wir alle auf solche Tugenden angewiesen sind.

Zum guten Schluss möchte ich allen Dank sagen, die das Konzept für diesen Preis und seine Realisierung in den letzten Jahren mit großem Engagement betrieben haben.

Insbesondere möchte ich nennen:
aus der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik: Ulrike Kahn, Wolfgang Beutel und Wolfgang Edelstein
auf Seiten der Heinrich-Böll-Stiftung: Philipp Antony & David Handwerker
sowie die ehrenamtlichen Mitglieder der Jury.

Bedanken möchte ich mich auch bei unseren Kooperationspartnern:
Der Zukunftsstiftung Bildung der GLS Treuhand, dem Förderprogramm „Demokratisch Handeln“, der Freudenberg-Stiftung sowie dem Netzwerk Lernen durch Engagement.

Vielen Dank an alle, die heute und morgen hinter den Kulissen für ein gutes Gelingen sorgen
Unser Tagungsbüro und die Technik
Und last not least die Band um den Schlagzeuger Jens Düppe.

Schließlich bedanken wir uns ganz herzlich bei allen Teilnehmenden für ihr Interesse an diesem Preis – machen Sie ihn bekannt, ermutigen Sie Schulen aus Ihrem Umfeld, sich bei der nächsten Runde zu bewerben! Wer sich auf den Weg zu einer demokratischen Schulkultur macht, kann nur gewinnen, ganz gleich, ob man einmal hier auf der Bühne stehen wird oder nicht!

Vielen Dank!