Die Stärkung der gesellschaftlichen Demokratisierungsprozesse durch Förderung und Unterstützung der endogenen Veränderungspotentiale ist ein Schlüssel für den Erfolg aller Reform- und Friedensanstrengungen in der Region. Die militärische Besatzung durch Israel prägt natürlich in besonderer Weise die Entwicklung einer demokratischen palästinensischen Gesellschaft. Seit den Oslo-Verträgen (1993) haben der autokratische Führungsstil des verstorbenen Präsidenten Yassir Arafat, Korruption und Misswirtschaft einer „alten Garde“ die Herausbildung demokratischer Institutionen und Prozesse erheblich behindert. Mit der Präsidentschaftswahl im Januar 2005 und Lokalwahlen im ersten Halbjahr richteten sich die Hoffnungen vieler säkularer, demokratie- und rechtsstaatsorientierter Kräfte auf eine Demokratisierung, die immer noch bestehende tribale und patriarchale Strukturen überwindet, innergesellschaftliche Reformen ermöglicht und dem Friedensprozess mit Israel neue Impulse verleiht.
Doch der überraschende Wahlsieg der islamistischen Hamas-Bewegung bei den Wahlen im Januar 2006 führte zunächst zu einer völlig gegenteiligen Entwicklung. Der innenpolitische Machtkampf zwischen Fatah und Hamas führte das Land Ende 2006 an den Rand eines Bürgerkriegs und die dadurch ausgelöste politische Lähmung bedeutet zunächst ein Ende aller demokratischen Reformversuche. Im Juni 2007 übernahm Hamas nach einem „Staatsstreich“ die Macht im Gazastreifen. Heute ist Palästina gespalten: In einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen, der – von Israel belagert und von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten - am Rande einer humanitären Katastrophe steht, und in die Westbank, in der Präsident Mahmoud Abbas (Fatah) „regiert“ und Ministerpräsident Salam Fayad mit internationaler Hilfe die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Lage zu konsolidieren beginnt. Eine Versöhnung zwischen den verfeindeten politischen Lagern ist nicht in Sicht. In beiden Landesteilen werden die politischen Gegner verfolgt und verhaftet. Ob und wann die nächsten demokratischen Wahlen stattfinden werden, ist ungewiss. Somit befinden sich die demokratisch-säkularen Kräfte in Palästina in der Defensive. Die Stiftungsarbeit hat sich auf die Entwicklung und Förderung des zivilgesellschaftlichen Sektors konzentriert.
Partizipation, Menschen- und Bürgerrechte und die Förderung der Entwicklung demokratischer Strukturen sind wichtige Themenfelder auch in den Projektländern Jordanien und Ägypten, auch wenn dort sehr unterschiedliche zivilgesellschaftliche Strukturen existieren. Auch nimmt die politische Repression gegen oppositionelle Gruppen und Organisationen der Zivilgesellschaft zu.
In den letzten Jahren ist – nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg - die Debatte über die Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens sehr kontrovers geführt worden. In unterschiedlicher Form unterstützen die regionalen Büros der Stiftung die zivilgesellschaftlichen Reformkräfte und fördern eine Intensivierung und Ausweitung des interregionalen Reformdiskurses. Gerade die grenzüberschreitende Vernetzung der demokratisch-säkularen Reformkräfte gewinnt angesichts des wachsenden Einflusses islamistischer Bewegungen an Bedeutung, um demokratische und reformerische Bestrebungen in der Auseinandersetzung mit fundamentalistischen und demokratiefeindlichen Gruppierungen zu stärken.
Partizipative Demokratie
2. Dezember 2008
© Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
Schumannstraße 8
10117 Berlin
T +49 (30) 285 34-0
F +49 (30) 285 34-109
www.boell.de
info@boell.de