Jahresbericht 2006 der Heinrich-Böll-Stiftung

Aus der Reihe

Der Klimawandel ist da – nicht nur als bereits messbares Phänomen in unserer natürlichen Umwelt, sondern auch als Top-Thema auf der Tagesordnung der Politik. Wir setzen darauf, dass den Absichtserklärungen und Beschlüssen tatsächlich ein Umsteuern vor allem in der Energiepolitik folgt. Warnungen vor den katastrophalen Folgen unseres gedankenlosen Wirtschaftens und Konsumierens hat es schon vor 30 Jahren gegeben. Dass wir „die Erde von unseren Kindern nur geborgt haben”, gehört zu den Grundmotiven der Umweltbewegung. Wir richten diese Leihgabe aber zuschande, wenn wir unseren ökonomischen Prozessen nicht in einem Schnellkurs Nachhaltigkeit und Effizienz beibringen. Insbesondere die reichen Nationen müssen endlich ihre ökologischen Hausaufgaben machen. Das ist auch eine Frage der Solidarität – nicht nur gegenüber den nachfolgenden Generationen, sondern gegenüber den Ärmsten in der südlichen Hemisphäre, die der Klimawandel besonders trifft. Ganz sicher ist es eine Aufgabe, die gemeinsames Handeln erfordert, neue Allianzen und neue Koalitionen.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat im vergangenen Jahr auf ihrer großen Konferenz „KyotoPlus” internationale Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um mögliche Wege aus der Klimafalle vorzustellen und zu diskutieren. Ein Buch, das im Frühsommer erscheint, wird die Beiträge dokumentieren. Auch die Website www.kyotoplus.org ist schon eine Fundgrube aktuellen Fachwissens und unser Magazin boell. thema widmete sich dem Klimawandel mit facettenreichen und kompetenten Aufsätzen.

Im April 2006 jährte sich auch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zum zwanzigsten Mal. Mit einer international besetzten Konferenz in Kiew unternahm die Stiftung eine wissenschaftliche, politische und kulturelle „Erinnerung für die Zukunft”. Es ist nicht nur der zeitliche Abstand zu diesem Super-GAU, der die Gefahren der Atomenergie verblassen lässt. Auch die Versuche der Atomlobby, die Kernkraft als Ausweg aus der Klimakatastrophe wieder ins Spiel zu bringen, verlangen einen kritischen Blick, will man den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben. Zur Aktualisierung der Debatte um die Risiken der Atomenergie hat die Heinrich-Böll-Stiftung den umfangreichen Band Mythos Atomkraft herausgegeben, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Wir engagieren uns schon seit einigen Jahren intensiv mit Veranstaltungen und Publikationen zum Thema Europa. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat den ungelösten Problemen Europas hierzulande eine größere Aufmerksamkeit verschafft: Der europäische Verfassungsprozess muss wieder in Gang kommen und eine klare Richtung bekommen, die Frage nach den Grenzen der Union ist ungeklärt wie auch das Verhältnis zu Russland, und die außenpolitische Rolle harrt immer noch einer gemeinsamen Defi nition. Die Verantwortung für eine friedliche und demokratische Entwicklung in Südosteuropa liegt nun vor allem bei der EU. Unsere Außenpolitische Jahrestagung widmete sich 2006 diesem Thema. Die Botschaft der Tagung war klar: Eine verlässliche, an klare Kriterien gekoppelte Beitrittsperspektive für die Balkan-Staaten ist der wirkungsvollste Hebel, um die ungelösten Statusfragen – z.B. des Kosovo – und die Rückschläge im Demokratisierungsprozess zu überwinden. Über die Zukunft der Demokratie in Europa machte sich die zweite Konferenz „Quo Vadis EU?” Gedanken. Angesichts des stockenden Verfassungsprozesses braucht die EU einen neuen Schub. Er könnte aus einer Stärkung des Europäischen Parlaments oder Bürgerbeteiligungen kommen. Die Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit wäre ein weiterer Schlüssel für ein starkes Europa.

Die Stiftung gliedert ihre Publikationspraxis künftig stärker in thematische Reihen. Den Auftakt bildete die Reihe zur Zukunft Europas mit einer Publikation zur deutschen EU-Präsidentschaft: Ist Europa noch zu retten? Im Nachfolgeband beschreibt Michaele Schreyer, ehemalige EU-Kommissarin, die mögliche Zukunft des Verfassungsvertrages. Beide Publikationen sind schon in der zweiten Auflage.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist für die Heinrich-Böll-Stiftung weiterhin ein zentrales Demokratie- und Gerechtigkeitsthema. Um unseren Bemühungen in diesem Bereich noch mehr Wirkung und Profi l zu geben, hat die Stiftung mit dem Aufbau einer neuen geschlechterpolitischen Einheit begonnen, die aus dem Feministischen Institut und der Stabsstelle für Geschlechterdemokratie hervorgeht. Das so entstehende neue Institut wird in den kommenden Monaten der Öffentlichkeit vorgestellt.

Unsere neue Weiterbildungsakademie heißt GreenCampus. Unter ihrem Dach vereinen sich die Qualifi zierungsangebote der Bundesstiftung wie der Landesstiftungen. Wir sind zuversichtlich, aus ihr eine erstklassige Adresse für die Weiterbildung in den Bereichen Politikmanagement, politische Personalentwicklung sowie Gender und Diversity machen zu können (www.greencampus.de). Die Förderung der Demokratie ist eines der ersten Anliegen der Heinrich-Böll-Stiftung. Wir engagieren uns daher in vielen Staaten der Welt, um Demokratisierungsprozesse voranzubringen und Gleichgesinnte in ihrem zuweilen riskanten Einsatz für Frieden und Freiheit zu unterstützen. Leider haben wir im vergangenen Jahr zwei couragierte Kooperationspartner und Vertraute durch Attentate verloren. In Afghanistan wurde der Gouverneur der Provinz Paktia, Abdul Hakim Taniwal, Opfer eines Selbstmordanschlags. In der Türkei trafen die Kugeln eines Attentäters den Journalisten und Menschenrechtler Hrant Dink. Wir werden sie nicht vergessen und uns weiterhin für ihre Anliegen einsetzen.

Im vergangenen Monat haben die Bauarbeiten auf unserem Grundstück Schumannstraße 8 in Berlin-Mitte, schräg gegenüber dem Deutschen Theater, begonnen. Die Grundsteinlegung für das neue Bürohaus und Konferenzzentrum der Stiftung ist für Juni 2007 vorgesehen. Etwa ein Jahr später hoffen wir umziehen und unserem Publikum das aufregende neue Domizil präsentieren zu können.

Im November 2007 wird die Heinrich-Böll-Stiftung 20! In dieser ganzen Zeit wäre ihre Arbeit ohne breite ehrenamtliche Unterstützung nicht möglich gewesen. Fachbeiräte und Fachkommissionen erweitern unseren Blickwinkel und geben uns kritischen Rat. Die Gelder des Förderkreises versetzen uns u.a. in die Lage, Projekte zu fördern, die wir nicht aus öffentlichen Mitteln fi nanzieren können, wie etwa humanitäre Hilfe für politisch Verfolgte. Neben dem Förderkreis unterstützen viele Menschen die Stiftung ehrenamtlich durch ihre Mitarbeit in der Mitgliederversammlung, im Aufsichtsrat, im Frauenrat, in Fachbeiräten und -kommissionen. Bei ihnen allen bedanken wir uns nachdrücklich und immer wieder gerne.

Ganz besonderer Dank gilt wie stets unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ihr engagierter und kreativer Einsatz ist das Fundament für unsere nun schon zwei Jahrzehnte umfassende erfolgreiche Arbeit.



Berlin, im April 2007



Ralf Fücks            Barbara Unmüßig

Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

 

Produktdetails
Veröffentlichungsdatum
April 2007
Herausgegeben von
Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
Seitenzahl
73
Lizenz
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Nachhaltige Entwicklung und Globalisierung
  • Neue Weltordnung, Sicherheitspolitik und Demokratieförderung
  • Europapolitik
  • Feminismus und Geschlechterdemokratie
  • Wissenspolitik
  • Nachwuchsförderung 
  • Wirtschaft, Arbeit und Soziales
  • Migration, Diversity und Interkulturelle Demokratie
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  • Kommunalpolitik und Stadtentwicklung
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