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Wege aus der Krise

13. November 2008
Von Heike Löschmann und René Hingst

Dies ist das dritte Kapitel der Studie Herausforderungen des politischen Wandels in Burma/Myanmar.

Die komplette Studie als PDF (916 KB, 97 Seiten)

1. Das „Feilschen“ um die Macht
2. Der Prozess entscheidet!
3. Engagement gegen die humanitäre Katastrophe
4. Vorschläge zu einem „Code of Conduct“ für ein entwicklungspolitisches Engagement in Burma/Myanmar

Das „Feilschen“ um die Macht

Burma bleibt den meisten Besuchern des Landes verborgen. Entlang der ausgetretenen Pfade für Touristen - im wesentlichen die Route Rangoon, Mandalay, Bagan (Pagan) - finden sich keine urbanen Elendsquartiere, die in Ländern wie den Philippinen, Indonesien oder Bangladesh nur allzu deutlich die sozialen und wirtschaftlichen Probleme veranschaulichen. Der Eindruck, den die meisten Besucher mit nach Hause nehmen, ist deshalb weniger der eines armen bzw. verarmten Volkes, das um sein tägliches Überleben kämpft, als vielmehr der eines „in sehr einfachen Verhältnissen“ lebenden Volkes, das den „Segnungen“ der westlichen Konsumgesellschaft entsagt. Selbst in Burma tätige Diplomaten, die sich allerdings nur innerhalb der Hauptstadt ohne besondere Genehmigung des Regimes frei bewegen können, bestätigen nicht selten diesen Eindruck - wenn natürlich differenzierter als durchschnittliche Touristen.

Dabei lassen sich die Auswirkungen der Krise leicht aufspüren. Man muss nicht zwangsweise die oben erwähnten Satellitenstädte Rangoons und die Suburbs Mandalays, die abseits gelegenen Dörfer in der trockenen, zentralen Ebene oder die von der Drogenproduktion dominierten Gebiete im Shan-Staat besuchen, um hier nur einige der sozialen Brennpunkte im Land zu erwähnen. Bereits die in jedes „harmlose Gespräch“ in einem Teashop in Rangoon integrierbare Frage nach der wirtschaftlichen Situation des Gesprächspartners ermöglicht aufschlussreiche Einblicke hinter die dünne Fassade der Normalität, die von der sprichwörtlichen Freundlichkeit der Burmesen und der schieren Angst vor Repressalien aufrecht erhalten wird.

Die massiven Spannungen, die bereits in solchen „informellen Interviews“ deutlich werden und sich quer durch alle Schichten ziehen - hochrangige Offiziere und Staatsangestellte ausgenommen - bestätigen die alarmierenden Signale, die sich aus den wenigen verfügbaren makroökonomischen Daten ablesen lassen. Dabei steht fest, dass die gegenwärtige Krise des Landes nur durch radikale Reformen überwunden werden kann. Sollten diese Reformen weiter aufgeschoben werden, dann wird das Land im besten Fall langsam hinter den Entwicklungsstand der beiden „Armenhäuser“ der Region, Laos und Kambodscha, zurückfallen. Im schlechtesten Fall wird es sehr schnell zu einer Versorgungskrise kommen, die weitreichende soziale Unruhen auslöst.

Dass das Regime vor den notwendigen Reformen zurückschreckt, ist nicht allein eine Folge seiner vielzitierten wirtschaftlichen Inkompetenz und der Ignoranz gegenüber den Problemen der einfachen Bevölkerung. Die Sorge des Regimes gilt zweifellos auch den zum Erhalt seiner Machtstellung wichtigen Staatsangestellten und dem Militär. Radikale Reformen würden die gesellschaftliche Sonderstellung dieser beiden Gruppen am schwersten erschüttern. Um die Entwicklung der Landwirtschaft - dem mit Abstand wichtigsten Wirtschaftszweig Burmas - sowie das Bildungs- und Gesundheitssystems finanzieren zu können, wäre ein Abbau der enormen Defizite der staatlichen Unternehmen und des überproportional hohen Militärhaushaltes unumgänglich. Wie schwierig diese Aufgabe ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel ermessen. Würde das Regime über Nacht das System des staatlichen Reiseinkaufs aufgeben, das die freie Entfaltung der Landwirtschaft behindert, könnten einfache Staatsangestellte von ihren mageren Gehältern kaum mehr ihren Reiskonsum finanzieren.

Um die schwierigen Reformen des Wirtschaftssystems umsetzen zu können, ist das Regime auf Gelder und Expertise aus dem Ausland bzw. von internationalen Organisationen, insbesondere der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, angewiesen. Gleiches gilt für das Gesundheits- und Bildungssystem. Nur mit der Hilfe von außen kann verhindert werden, dass es zu einer weiteren Erosion des „humanen Kapitals“ in Burma kommt, die über kurz oder lang auch das strukturell weit besser versorgte Militär betrifft. Die weit verbreitete Annahme, es existierten keinerlei „Hebel“, um das Regime von außen mindestens zu einer Liberalisierung des Wirtschaftssystems zu bewegen, ist demnach nicht richtig. Richtig ist aber, dass man nur sehr schwer abschätzen kann, wie lange sich das Regime ein Fortsetzen der gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialpolitik noch leisten kann - sowohl politisch als auch finanziell.

So besteht kein Zweifel daran, dass das Regime über „stille Reserven“ verfügt. Das U.S. State Department schätzte Ende der 90er Jahre die jährlichen Ausgaben des Regimes, die nicht im offiziellen Haushalt aufgeführt sind, auf 400 bis 600 Millionen US$. Diese im Vergleich zu den sonstigen Ausgaben des Staates enorme Summe stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus illegalen bzw. halblegalen Quellen, etwa dem illegalen Holzeinschlag, dem Abbau von Edelsteinen (Jade, Rubine, Saphire) und anderen Bodenschätzen (bspw. Gold) sowie natürlich dem Drogenhandel. Dabei sei dahin gestellt, ob das Militär direkt oder indirekt, also etwa durch die Besteuerung des Handels, von diesen Geschäften profitiert.

Die gewaltigen Summen, die mit illegalen Geschäften erzielt werden - dass Villen in Rangoons „besseren“ Vierteln für bis zu 800.000,- US$ den Besitzer wechseln und aus Japan importierte Allrad-Jeeps in Burma bis zu 100.000,- US$ kosten, sind sichtbare Belege für den verdeckten Reichtum einer dünnen Oberschicht - bewegen viele Analysten dazu, die Widerstandskraft des Regimes angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage sehr hoch einzuschätzen. So lange die große Mehrheit der Bevölkerung sich in der Landwirtschaft selbst versorgen kann und das Militär die Profite aus der Schattenwirtschaft an seine Klientel verteilen kann, so die verbreitete Meinung, so lange wird das Regime kaum eine größere Krise befürchten müssen.

Dass diese Annahme bereits angesichts der Entwicklungsprobleme in der Landwirtschaft zu kurz greift, wurde oben dargestellt. Auch zu der Frage, wie groß die „stillen Reserven“ des Regimes sind, also ob die Zentralregierung in Rangoon die hochprofitable Schattenwirtschaft tatsächlich vollständig kontrolliert und hier direkte Profite abschöpfen kann, ist Skepsis angebracht. Ein strukturiertes System, nach dem die Profite von den eigentlichen Händlern, die ganz überwiegend chinesischer Abstammung sind oder autochthonen Minderheiten angehören, und von den lokalen und regionalen Militärführern, die am nächsten an der „Quelle“ der Profite sitzen, nach Rangoon zur Zentralregierung weitergeleitet werden, existiert offensichtlich nicht. Nur solange das Regime in Rangoon unangefochten die höchste Autorität im Land darstellt, solange es der Schattenwirtschaft Schutz bietet und solange lokale Militärführer sich einen Aufstieg in die Zentrale der Macht wünschen, werden weiterhin Teile der dubios erwirtschafteten Profite dem Staatshaushalt zugute kommen. Jeder Reformschritt des Systems birgt demnach das Risiko, dass Geldströme versiegen.

Das Regime befindet sich in einem Dilemma. Wenn es eine Vertiefung der wirtschaftlichen Krise vermeiden will, ist es auf grundlegende Reformen angewiesen, die es ohne die Unterstützung von außen nicht umsetzen kann. Doch an Kredite und Aufbauprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfond ist ohne politische Reformen derzeit nicht zu denken. Jeder größere Reformschritt aber könnte die Machtstellung des Regimes substantiell gefährden. Neben der Ignoranz gegenüber den wirtschaftlichen und sozialen Problemen der einfachen Bevölkerung und den über Jahrzehnte als Leitideologie des Militärs propagierten traditionellen Macht- und Autoritätsvorstellungen, die jedes Teilen der Macht als Machtverlust begreifen, stützen mindestens zwei weitere, konkreter fassbare Gründe die Furcht des Regimes vor politischen Reformen.

Zum einen sind es die Erfahrungen des Militärs mit den Ereignissen von 1988 und den Wahlen von 1990. Erst das sukzessive Zurückweichen des damaligen Regimes von der politischen Bühne hatte politischen Raum für die Protestbewegung geöffnet und diese in ihren Forderungen nach einer sofortigen Demokratisierung geeint. Die Wahlen von 1990 entsprechen dem gleichen Muster: Trotz der Beschränkungen, denen die Oppositionsparteien im Wahlkampf unterworfen waren, und trotz der logistischen und finanziellen Überlegenheit der vom Militär gestützten „National Unity Party“, gelang der oppositionellen NLD ein Erdrutsch-Sieg. Die Lehre aus diesen Ereignissen ist eindeutig: jedes Öffnen des politischen Raumes kann das Ende des Regimes bedeuten.

Zum anderen verhindert die Heterogenität des Regimes ein deutliches Bekenntnis zu den notwenigen Reformen. Innerhalb des SPDC ringen ständig verschiedene Fraktionen um Macht und Einfluss. In diesem Zusammenhang kann jeder Versuch eines moderaten Generals bzw. einer moderaten Fraktion, den Reformkurs zu beschleunigen, von konkurrierenden Fraktionen genutzt werden, ihn/sie von der politischen Bühne zu drängen. Solange die Verteidigung der eigenen Vormachtsstellung das Gremium der Generäle ideologisch eint, laufen Reformbefürworter Gefahr, von ihren Kameraden als potentielles Risiko identifiziert und isoliert zu werden.

Vor diesem Hintergrund erscheint die gegenwärtige Politik des Regimes - am bezeichnendsten die Freilassung Aung San Suu Kyi´s aus dem Hausarrest ohne den im Anschluss erwarteten Dialog - wie der Versuch, die Risiken der notwenigen Reformen zu minimieren. Im Ergebnis allerdings können diese „Risiko-minimierten Reformen“ nicht wirklich als Reformen bezeichnet werden. Dementsprechend halten auch die EU und die USA weiter an ihrer Forderung nach einem substantiellen Dialog zwischen dem Regime und der Opposition sowie nach substantiellen Reformen der burmesischen Wirtschafts- und Sozialpolitik fest.

Doch nicht allein das Regime, auch seine internationalen Kritiker - allen voran die EU und die USA - befinden sich in einem Dilemma. Die jüngeren Bewertungen der im Land tätigen UN-Organisationen und internationalen Nicht-Regierungsorganisationen zur humanitären Lage in Burma schwanken zwischen „äußerst angespannt“ und „katastrophal“. Vor diesem Hintergrund wird die Frage immer lauter diskutiert, ob es moralisch verantwortbar ist, die Not leidende Bevölkerung durch die Beschränkung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe dafür zu bestrafen, dass sie von einem Regime regiert wird, für das sie sich nicht freiwillig entschieden hat. Mehr noch, mit jedem Tag der wirtschaftlichen Krise wächst die Gefahr weitreichender sozialer Unruhen.

Die Ereignisse von 1988 und ähnliche Massenproteste vor 1988 haben deutlich gezeigt, dass die burmesische Bevölkerung das Militärregime nur bis zu dem Punkt zu erdulden bereit ist, bis zu dem ihre Grundversorgung gesichert ist und die mehr oder minder konkrete Aussicht auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage besteht. Wenn große Teile der Bevölkerung das Gefühl haben, dass es ganz wörtlich nichts mehr zu verlieren gibt, dann brechen auch gegen den massiven militärischen Widerstand Unruhen aus. Wenn sich also die wirtschaftliche Misere weiter verschärft - und alle Indikatoren deuten darauf hin, dass dies der Fall sein wird -, dann ist der Ausbruch weitreichender sozialer Unruhen mehr als nur wahrscheinlich, insbesondere da man davon ausgehen muss, dass heute mehr Menschen als vor 1988 nichts mehr zu verlieren haben.

Die Diskussion zu diesem durchaus realen Szenario bewegt sich in einer Grauzone. Kaum jemand möchte mit diesem „worst case“-Szenario in Verbindung gebracht werden, zum einen aus Furcht vor einer größeren Diskussion, zum anderen um nicht in den Verdacht zu geraten, insgeheim auf eine Wiederholung der Ereignisse von 1988 zu hoffen. Unter der Hand wird jedoch längst zwischen zwei Möglichkeiten abgewogen. Zum einen wird spekuliert, dass das Regime die Lage bei steigenden Spannungen durch die Öffnung der Reislager, also die Verteilung von Grundnahrungsmitteln wieder beruhigen kann, und zum anderen, dass die Proteste so lange mit militärischen Mitteln adressiert, sprich blutig niedergeschlagen werden, bis sie abebben.

Im ersten Fall würden erneute soziale Unruhen nur weiter nach hinten verschoben, außer das Regime entschlösse sich zu grundlegenden Reformen des Wirtschafts- und Sozialsystems. Im zweiten Fall ist offen, ob sich ein signifikanter Teil des burmesischen Militärs auf die Seite der Demonstranten schlüge und es zu einem Putsch innerhalb des Militärs käme. Bereits seit Jahren wird über einen Split innerhalb des führenden Gremiums der Generäle diskutiert, mit dem als moderat geltenden Chef des Geheimdienstes Khin Nyunt auf der einen, und dem als Hardliner geltenden Oberbefehlshaber der Armee Maung Aye auf der anderen Seite. Gemessen an dem Verhalten des Militärs in anderen Krisensituationen werden diese beiden Fraktionen im Falle einer Krise aber eher enger zusammenrücken, schließlich müssen beide im Falle einer demokratischen Revolution befürchten, auf einen Schlag alles zu verlieren.

Von größter Bedeutung ist dabei die Frage, wie das westliche Ausland auf blutig niedergeschlagene Unruhen reagieren würde, gesetzt den Fall, die Weltmedien würden - anders als 1988 - ohne Verzögerung mit Bildern dieser Unruhen versorgt. Welche Kriterien, so kann man sich fragen, würden dann Burma von Fällen wie dem Kosovo oder Ost-Timor unterscheiden, wo die Berichte von Gräueltaten an der Zivilbevölkerung zu einer militärischen Intervention geführt haben? Da sich der Westen, hier insbesondere die USA, bereits eindeutig auf der Seite der Demokratiebewegung positioniert und das Regime als Paria gebrandmarkt hat, ist es mehr als fragwürdig, dass man sich auf ein bloßes Zuschauen bei Massakern an der burmesischen Zivilbevölkerung beschränken (können) wird.

Ohne dieses „worst case“-Szenario mit seinen Unwägbarkeiten ausführlich diskutieren zu wollen, hier nur so viel: Unabhängig davon, dass der personelle und materielle Aufwand einer militärischen Intervention in Burma die Kapazitäten der VN bei weitem sprengen würde - rund 50 Millionen Menschen müssten nach dem Zusammenbruch des vom Militär kontrollierten Staatsapparates wenigstens übergangsweise verwaltet werden -, die Folgen eines solchen Einsatzes im Land und in der Region Südostasien sind so wenig abzusehen wie gegenwärtig im Irak, insbesondere da das Land als strategische Einflusszone Chinas gilt. Nicht zufällig weisen deshalb westliche Diplomaten jede Spekulation über militärische Interventionen als unrealistisch zurück.

Dabei birgt nicht allein das „worst case“-Szenario blutig niedergeschlagener Unruhen enorme Risiken, auch die Erfüllung der Idealforderung der sofortigen Übergabe der Macht an die im Jahr 1990 demokratisch gewählte Partei Aung San Suu Kyi´s, an der die USA noch immer festhalten, könnte schwerwiegende Konsequenzen haben. So besteht die große Gefahr, dass ein zu schneller und umfassender Transitionsprozess, kurz: eine demokratische Revolution, das Land in einen neuen Bürgerkrieg führt.

Allein die Tatsache, dass das Militär im Falle einer demokratischen Revolution ganz wörtlich alles zu verlieren hätte, macht eine friedliche Transition unwahrscheinlich. Mehr noch, das politische, wirtschaftliche und soziale Leben wird seit mehr als vier Jahrzehnten vom Militär kontrolliert. Es ist die einzige Institution, die auf nationaler Ebene gefällte Entscheidungen auch auf lokaler Ebene durchsetzen kann. Die Erfahrungen von UNTAC mit dem Wahlausgang der von der UN gesponserten Wahlen in Kambodscha dienen als lebendiges Beispiel für die Notwendigkeit der Anerkennung von Realitäten und Machtverhältnissen. Dass sich die NLD im Falle eines Machtwechsels nahtlos auf diese Autorität stützen kann, ist auch vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen mehr als nur unwahrscheinlich. Die Partei verfügt zwar über das Potential, die Mehrheit der Bevölkerung gegen die autoritäre Herrschaft zu bündeln und die Agenda für eine Demokratisierung des Landes zu formulieren. Aber bis die Partei über landesweit tragfähige Strukturen verfügt, und bis sie auf eine mit den Spielregeln einer Demokratie vertrauten Zivilgesellschaft als Basis zurückgreifen kann, werden selbst im Idealfall Jahre vergehen.

Das gleiche gilt für die Bürokratie. Der gesamte Apparat, der von mangelnder Professionalität geprägt und nach dem Kriterium der Loyalität besetzt ist, wird sich nicht einfach über Nacht austauschen lassen. Auch die erhoffte Umkehrung des „Brain Drain“, die im Ausland ausgebildete Spezialisten im Falle einer Demokratisierung wieder nach Burma führen soll, wird sich nicht kurzfristig vollziehen, sondern Jahre in Anspruch nehmen.

Darüber hinaus ist der SPDC die einzige Kraft, die den enormen zentrifugalen Kräften innerhalb des Militärs entgegenwirken kann. So haben sich lokale und regionale Militärführer längst eine von der Zentralregierung unabhängige Machtbasis aufgebaut, die noch von der Führungsebene in Rangoon kontrolliert wird. Für den Fall aber, dass die Führung ihre Vormachstellung verliert, könnten sich diese regionalen und lokalen Militärführer als Staaten im Staat etablieren. Eine Zersplitterung des Landes in Dutzende von solchen lokalen Bossen und ihren bis an die Zähne bewaffneten Truppen regierten Kleinstaaten wäre nur mit einem entsprechend großen militärischen Gegengewicht zu vermeiden.

Ähnliches gilt für die Minderheitenproblematik. Selbst wenn sich die großen Minderheitenorganisationen der Idee einer demokratisch regierten, genuin föderalen Union von Burma verschreiben, radikale Splittergruppen unter den Minderheiten und die Warlords im Goldenen Dreieck, die von dem gegenwärtigen Regime profitieren, werden sich kaum dem Wort einer schwachen Regierung ohne militärische Durchsetzungskraft beugen. Die für die Stabilität und den Erfolg eines demokratischen Burma zentrale Aufgabe der Integration der Minderheiten würde damit von Beginn an substantiell erschwert. Mittelfristig bestünde die Gefahr, dass unter dem Eindruck eines vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes der Ethno-Nationalismus wieder auflebt und auch die größeren Minderheitenorganisationen sich alter Sezessionsforderungen erinnern.

Die großen Gefahren, die sowohl mit einer schnellen Transition als auch mit einem Fortbestehen des gegenwärtigen Regimes verbunden sind, machen deutlich, dass im Westen über alternative Konzepte und Strategien für eine friedliche Lösung in Burma nachgedacht werden muss. Insbesondere das Paradigma, das für eine bedingungslose Übergabe der Regierungsverantwortung an die NLD plädiert, sollte überdacht werden. Ein solches Überdenken darf aber nicht dazu führen, dass die Position der NLD dauerhaft geschwächt wird. Diese Gefahr ist angesichts eines notwendigen und praktizierten politischen Pragmatismus aber gegeben. Wie oben ausgeführt ist die Partei mit ihrer Führerin Aung San Suu Kyi derzeit die einzige sichtbare Kraft auf der politischen Bühne, die dem Land eine Demokratisierung sichern kann. Eine grundsätzliche Schwächung ihrer Position hat zwangsläufig zur Folge, dass man die Aussicht auf eine demokratische Zukunft in Burma deutlich mindert.

Der Prozess entscheidet!

Angesichts der genannten Schwierigkeiten geht man in der Diskussion unter Burma/Myanmar- und Politikexperten sowie realpolitischen Exilgruppen längst nicht mehr von einem schnellen Übergang aus, da dies die Konsolidierungschancen einer Demokratie eher mindern als erhöhen würde. Der Vergleich mit anderen demokratischen Transformationsprozessen weltweit zeigt, dass die Chancen für eine Konsolidierung der Demokratie dann am größten sind, wenn zumindest ein Teil der alten, autoritären Elite für das Projekt einer Demokratisierung gewonnen werden kann. Um diesen Teil gewinnen zu können, hat sich für die an einer Demokratisierung interessierten Kräfte die Faustregel Reformen statt Revolution bzw. das Anstreben einer „win win“-Situation etabliert.

Übersetzt in den burmesischen Kontext bedeutet das, dass man die Chancen für eine Machtteilung und für die Konsolidierung einer Demokratie in Burma/Myanmar erhöht, wenn man einen großen Teil des Militärs in diesen Prozess mit einbezieht. Die Logik hinter einer solchen Vorgehensweise ist einfach zu beschreiben: nur wenn dem Militär Alternativen zu einem vollständigen Machtverlust angeboten werden, wird es bereit sein, einen Teil seiner Macht friedlich abzugeben. So lange es aber riskiert, mit einem Schlag alles zu verlieren, wird es sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen eine Veränderung des politischen Status Quo zur Wehr setzen.

Die Idee, das Militär aktiv in das Projekt einer Demokratisierung einzubeziehen, wirft aber nicht nur grundsätzliche Probleme auf - man denke nur an die großen Teile der Bevölkerung, insbesondere die Minderheiten, die jahrzehntelang unter schweren und schwersten Menschenrechtsverletzungen des Militärs gelitten haben. Ein „Handschlag“ zwischen Demokratieaktivisten und Militärs zur Bildung einer gemeinsamen Regierung würde nicht zu Unrecht das Gerechtigkeitsempfinden vieler Burmesen empfindlich stören. Das könnte die Radikalisierung von Teilen der Demokratiebewegung nach sich ziehen und die Autorität/ Integrität der zivilen Politiker, die gemeinsam mit den Militärs eine Regierung bilden, untergraben.

Daneben birgt die Idee eines „Power Sharing“, die gegenwärtig in diplomatischen Kreisen zur friedlichen Konfliktlösung in Burma/Myanmar favorisiert und angestrebt wird, die große Gefahr, dass das Regime in diesem Prozess neben der internationalen Anerkennung großzügige Hilfsgelderzahlungen und Kredite zurückerlangt, aber keine über eine begrenzte und eher formale Demokratisierung hinausgehenden Schritte einleitet. Die Demokratiebewegung und mit ihr die internationale Gemeinschaft, könnte sich schnell in einer Position wiederfinden, in der sie, wenn auch unbeabsichtigt, die Fortsetzung des Autoritarismus der Tadmadaws in Burma/Myanmar mit legitimieren würde.

Diese Gefahr hat Aung San Suu Kyi klar erkannt. So hätte die NLD dem Land aller Wahrscheinlichkeit nach bereits mindestens einen ersten Schritt in Richtung politischer Öffnung sichern können, wenn die Partei die Mitte der 90er Jahre vom Militär vorgeschlagene Verfassung akzeptiert hätte, die ein Festschreiben der Vormachtstellung des Militärs auf der politischen Bühne des Landes vorsieht. Dass sie das nicht getan hat und offenbar noch immer nicht zu tun bereit ist, hat auch in den eigenen Reihen starke Kritik hervorgerufen. . Doch wenn dem Westen bzw. den Verhandlungsführern der internationalen Gemeinschaft an einer Demokratisierung gelegen ist und nicht vorrangig an einer schnellen Lösung des „Burma/Myanmar-Problems“, dessen Eigendynamik man nicht unterschätzen sollte, dann sind die Befürchtungen der Opposition durchaus ernst zu nehmen.

Es gilt also, eine heikle Aufgabe zu lösen und das angesichts der kritischen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung möglichst schnell. Um das Militär zu politischen Reformen zu bewegen und eine Destabilisierung zu vermeiden, muss es wohl oder übel wenigstens für eine Übergangszeit an der Macht beteiligt werden. Das schließt ein, dass kurz- bis mittelfristig mindestens ein großer Teil des Offizierskorps von der strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen ausgeschlossen bleibt, und dass die Privilegien, die das Militär genießt, nur zurückhaltend angetastet werden. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Demokratiebewegung nicht durch Kompromisse mit dem Militär kompromittiert wird, dass der eingeleitete Prozess in Richtung einer Demokratisierung möglichst unumkehrbar gestaltet wird und dass mittelfristig eine juristische Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen möglich bleibt.

Varianten einer politischen Lösung in Burma/Myanmar

Um diese Aufgabe zu lösen, bieten sich drei Varianten an.

1. Die Demokratiebewegung könnte den Verfassungsvorschlag des Militärs akzeptieren, sobald dieser vollständig vorliegt (was derzeit nicht der Fall ist). Der positive Aspekt dieser Variante wäre, dass ein Bindeglied zwischen Regime und Demokratiebewegung hergestellt würde, und das Militär Farbe bekennen müsste, d.h. den Weg zu Neuwahlen beschreiten (sofern diese Akzeptanz bona fide erfolgt und nicht nur dem Zeitgewinn und der Beruhigung der Öffentlichkeit dient). Gleichzeitig müsste das Militär durch seine verfassungsmäßig garantierte starke Stellung nicht befürchten, unmittelbar nach den Wahlen die Kontrolle an die Demokratiebewegung abzugeben. Gemessen an einem längeren Zeitrahmen würde diese Variante dem indonesischen Beispiel folgen, was in dem burmesischen Kontext seit ca. 1992 immer wieder diskutiert wird (Der dortige Verlauf: 1. Militär dominiert das Parlament bis 1998, 2. Militär ist im Parlament mit einer garantierten Minderheitenposition vertreten, 3. Militär zieht sich 2004 aus dem Parlament zurück; parallel dazu verliert auch die Staatspartei Golkar in Burma/Myanmar wäre dies die USDA an Einfluss). Problematisch an diesem Szenario ist, dass man - zumindest in einer ersten Phase - nicht ausschließen kann, den Autoritarismus in Burma/Myanmar verfassungsrechtlich zu legitimieren. Mehr noch: statt der Demokratiebewegung den Aufstieg in die Schaltstellen der Macht zu ermöglichen, könnte man so möglicherweise ihre - dann legitime - Marginalisierung befördern. Denn wenn die Bevölkerung davon ausgehen muss, dass weiterhin das Militär auf der politischen Bühne dominiert, könnte sich ein großer Teil der Wähler für vom Militär gestützte Parteien entscheiden (Bsp. Indonesien unter Soeharto: nur drei zugelassene Parteien. Das ist insbesondere dann nicht unwahrscheinlich, wenn das Militär die Millionen von Mitgliedern zählende USDA über die Wahlen hinaus weiterführen und in eine Art Patronage-Instrument verwandeln sollte. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Variante umgesetzt werden kann aufgrund des Fehlens eines kompletten Verfassungsentwurfes und des notwendigen Dialoges derzeit gering.

2. Eine zweite Variante wäre, dass das Regime das Ergebnis der Wahlen von 1990 akzeptiert und auf dieser Grundlage eine neue Verfassunggebende Versammlung einberuft. Doch auch wenn diese Variante für die Demokratieaktivisten als „historische Gerechtigkeit“ einige Attraktivität besitzt, so ist es doch höchst unwahrscheinlich, dass sie realpolitisch umsetzbar ist. Zum einen würde sich das Militär selbst eines substantiellen Einflusses auf die Gestaltung der Verfassung berauben - schließlich konnte die vom Militär gestützte NUP (National Unity Party) in den Wahlen 1990 nur 10 von 485 Sitzen gewinnen. Zum anderen ist es fraglich, ob ein mittlerweile 12 Jahre altes Wahlergebnis tatsächlich heute noch als legitime Grundlage herangezogen werden kann. Aus heutiger Sicht ist die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung dieser Variante nahezu null. Denkbar ist diese Variante vor allem dann, wenn ein Ende des Regimes - aus welchen Gründen auch immer - absehbar und unabwendbar ist, und sich die führenden Offiziere mit diesem Schritt Zeit für einen geordneten Rückzug erkaufen wollen.

3. Eine dritte Variante wäre die Ausrufung von Neuwahlen zu einer (neuen) Verfassunggebenden Versammlung. Eine solche Versammlung wäre berufen, über eine Verfassung zu beraten und diese anzunehmen. Folgt man dem Beispiel von Osttimor, würde sich die Versammlung mit der Annahme der Verfassung ex lege in ein Parlament umwandeln, was einen weiteren Wahlgang ersparen würde - dies wäre demokratiepolitisch unbedenklich und für die internationale Gemeinschaft aus finanziellen Gründen sicherlich eine sinnvolle Option. Würde zu dieser Wahl das burmesische Wahlrecht, das auf dem britischen einfachen Mehrheitswahlrecht basiert (sich also allein daran orientiert, welche Partei in einem Wahlkreis die jeweils meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte), zugunsten etwa des kontinentaleuropäischen Verhältniswahlrechtes geändert, hätte das Militär eine reelle Chance, sich auf legalem Weg einen signifikanten Einfluss zu sichern. Zur Erinnerung: auf der Grundlage des 1990 geltenden einfachen Mehrheitswahlrechtes erhielt die NUP bei Wahlen von 1990 mit etwas über 21 Prozent der Stimmen 10 Sitze, was 2% der insgesamt 485 zur Verfügung stehenden Sitze im zu wählenden Parlament entsprach. Die knapp 60 % der Stimmen für die NLD wurden dagegen in 392 Sitze übersetzt, was 81% der Sitze ausmachte, während 69 Sitze (14%) an Vertreter der verschiedenen ethnischen Gruppen gingen. Die fehlenden 14 Sitze (2,9%) gingen an Sonstige.

Von allen drei vorgestellten Varianten hätte die letzte vermutlich die „am wenigsten schlechten“ Aussichten auf Realisierung. Voraussetzungen wären ein klares Bekenntnis zu der Wiederaufnahme eines Minimaldialoges zwischen Regime und Demokratiebewegung in- und außerhalb des Landes, eine unzweideutige Amnestiezusage, die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft zur Mitarbeit und eine Einigung über das Wahlsystem (Verhältnis- oder Mehrheitswahlrecht). Da das Militär sich durch die USDA heute weit besser repräsentiert als 1990 mit der als sozialistische Nachfolgepartei diskreditierten NUP und es zudem unwahrscheinlich ist, dass die NLD wieder die Mehrheit der Stimmen in den von Minderheiten bewohnten Wahlkreisen auf sich vereinigen kann, könnte sich das Militär durchaus von dieser Option überzeugen lassen.

Die Vorteile von Neuwahlen

Neuwahlen hätten für alle beteiligten Parteien entscheidende Vorteile. Das Militär könnte sich, entsprechend den Wahlen von 1990 und unter Berücksichtigung der starken Basis in der USDA, Hoffnungen machen, 20-30% der Stimmen zu gewinnen. Als voraussichtlich zweitgrößte Fraktion in der Versammlung könnte es ganz legitim die Gestaltung der Verfassung und seiner künftigen Position im Land wesentlich beeinflussen. Vor allem aber würde kurzfristig der internationale und interne Reformdruck vom SPDC genommen. Von der entstehenden Bewegungsfreiheit könnten vor allem die moderaten Gruppen innerhalb des Militärs profitieren.

Die Demokratiebewegung wiederum, und hier vor allem die NLD, könnte in diesem Szenario eine zu enge Fühlungsnahme mit dem Regime vermeiden, die die Integrität der Bewegung gefährden würde. Die zentrale Frage der Immunität des Militärs vor strafrechtlicher Verfolgung müsste vorab unzweideutig „für den Tag danach“ geklärt werden. Wenn sich das Militär als starke Fraktion in der Versammlung etabliert, wäre jeder Kompromiss zwischen ihm und der Demokratiebewegung in dieser wie in anderen Fragen nicht mehr kompromittierend, sondern ein Bestandteil demokratischer Entscheidungsfindung. Als wahrscheinlich stärkste Fraktion in der Versammlung hätte die NLD aber vor allem endlich die Möglichkeit, ihre Ideen in Politik umzusetzen. Die faktische Legalisierung der Partei böte ihr die Chance, ihre Strukturen zu festigen und zu erweitern. Dies könnte zudem eine dringend benötigte neue Generation von Aktivisten an die Spitze der Partei führen, die nicht nur neue Ideen einbringen würden, sondern - ohne dass bereits ihr Name Verpflichtungen auf der eigenen und Vorurteile auf der Gegenseite hervorruft - weitaus pragmatischer agieren könnten als die gegenwärtige Parteiführung.

Auch für die Minderheiten würde die Ausrufung von Neuwahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung ein attraktives Szenario darstellen. Als dritter großer Block in der Versammlung würden sie von den beiden anderen ethnisch birmanisch dominierten Fraktionen zur Mehrheitsbildung gebraucht und könnten so den föderalen Charakter des „neuen Burma/Myanmar“ - etwa die Frage nach einem symmetrischen oder asymmetrischen Föderalismus - entscheidend mitbestimmen. Da nach einer entsprechenden Mobilisierung ihrer Klientel sowohl die dem Regime als auch die der Demokratiebewegung nahe stehenden Minderheitenorganisationen im Parlament vertreten wären, bestünde die Chance, die Konflikte zwischen und innerhalb der Minderheiten von militärischen in politische zu verwandeln.

Für die internationale Gemeinschaft - und hier insbesondere für die USA und die EU - hätte die Ausrufung von Neuwahlen den unschätzbaren Vorteil, dass damit das nötige Signal zu einer dem Demokratisierungsfortschritt entsprechenden, schrittweisen Aufhebung der politischen und wirtschaftlichen „Sanktionen“ gegeben wäre. Der Demokratisierungsprozess in Burma/Myanmar könnte unter diesen Bedingungen von der internationalen Gemeinschaft direkter unterstützt werden. Allein die Ankündigung der Wahlen würde es erlauben - die zu kontrollierende Einhaltung eines zu vereinbarenden Zeitplanes vorausgesetzt - schrittweise eine Zusammenarbeit aufzunehmen. Vorstellbar für diesen Fall wäre etwa die Zusage der EU, die Wiedereinführung des „General Systems of Preferences“ (Freihandelsprivilegien für den Wareneinfuhr in die EG) zu prüfen, womit die Vorteile der EBA-Initiative (Everything But Arms) verbunden wären. Die USA könnten die Aufhebung des Importboykotts und die Lockerung des Verbots von neuen Investitionen in Betracht ziehen.

Unter all diesen optimistischen - heute leider nicht allzu realistischen - Annahmen wären die Voraussetzungen gegeben, um wirtschaftliche Reformen einzuleiten und in Kombination mit Entwicklungshilfemaßnahmen einen effektiven Beitrag zur Lösung der Entwicklungsprobleme des Landes zu leisten. Dabei wäre darauf zu achten, dass alle Maßnahmen zum einen an Auflagen gebunden werden, die eine Rückkehr zum Autoritarismus des Militärs verhindern und zum anderen mit Anreizen verbunden werden, die eine weitere Demokratisierung möglichst attraktiv erscheinen lassen. Von der möglichst stückweisen Vergabe von Krediten bis hin zu Angeboten zur Professionalisierung und verbunden damit einer De-Politisierung des burmesischen Militärs in Richtung einer der Bevölkerung und dem Schutz der Landesgrenzen verpflichteten Ordnungsmacht, sind hier eine Reihe Optionen denkbar, die in anderen Ländern bereits erfolgreich erprobt wurden.

Zeit ist ein wichtiger Faktor in einem solchen Prozess, um der Opposition die Möglichkeit zu geben, ihre Strukturen zu festigen und grundsätzliche Fragen mit den Aktivisten im Exil sowie mit Vertretern der Minderheiten abzustimmen. Aber auch das Militär könnte sich mit einem Zeitpolster zwischen der Ausrufung von Neuwahlen und dem tatsächlichen Wahltermin langsam und kontrolliert auf die neue Herausforderung einstellen. Den Minderheiten gäbe es die Möglichkeit, ihre Positionen zur Frage des Föderalismus abzustimmen und starke Fronten aufzubauen, damit sie nicht Gefahr laufen, in der Verfassunggebenden Versammlung marginalisiert zu werden. Schließlich hätte eine behutsame Schrittfolge den Vorteil, dass die Erwartungen der Bevölkerung an die Reformen zunächst begrenzt blieben.

Auch wenn die dritte Variante ein mögliches Szenario für eine friedliche Konfliktlösung darstellt, ist es fraglich, ob und vor allem wann das Regime dazu bewegt werden kann, sich dafür zu entscheiden. Damit bleibt die Frage, wie die internationale Gemeinschaft in der Zwischenzeit, die Politik gegenüber Burma/Myanmar gestaltet. Angesichts der drohenden humanitären Katastrophe in Burma/Myanmar ist sie, vor allem die EU und die USA, dazu gezwungen, erneut Stellung zur Frage der humanitären Hilfe zu beziehen.

Engagement gegen die humanitäre Katastrophe

Angesichts der angespannten wirtschaftlichen und sozialen Lage bzw. der gegenwärtig drohenden humanitären Katastrophe in Burma/Myanmar, und vor dem Hintergrund, dass eine friedliche Lösung der Problematik in jedem Fall noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird, muss die internationale Gemeinschaft die Initiative ergreifen. Das Paradigma, das besagt, dass Hilfen nur dann in einem größeren Umfang bewilligt werden sollten, wenn eine Demokratisierung bereits durchgesetzt ist, muss ebenso überdacht werden, wie das Paradigma, der NLD müsse ohne jede Bedingung die Regierungsverantwortung übergeben werden.

Allerdings ist dabei Vorsicht geboten. Jedwede Erhöhung der humanitären Hilfen für Burma/Myanmar birgt grundsätzlich die Gefahr, das Überleben des gegenwärtigen Regimes sichern zu helfen und substanzielle politische Veränderungen zu verzögern. Der Diskurs um humanitäre Hilfen ist von politischen Diskussionen zwischen gemäßigten und „unerbittlichen“ Demokratieaktivisten sowie in dieser Frage oftmals apolitischen Internationalen NGOs (INGO) geprägt. Dabei sind die Argumente der „Hardliner“ ernst zu nehmen, die sich gegen unkonditionierte Hilfe aussprechen bzw. berechtigte Zweifel an der Kontrolle der Konditionen und somit Konditionierbarkeit haben. Aung San Su Kyi hegt diese Zweifel ebenso und äußert Bedenken, dass Geberländer zusagen, Hilfen mit der NLD abzustimmen, sich aber an diese Zusagen nicht halten.

„Verschwinden“ von Hilfsgeldern aufgrund der gängigen Wechselkurspolitik

Eines der größten Probleme besteht darin, dass Teile der Hilfsgelder schlicht vom Regime „entwendet“ werden, um die eigenen Währungsreserven aufzustocken. Diese einfache Tatsache wird durch das folgende Beispiel aus der Praxis anschaulich: Das Regime untersagte bisher UN-Organisationen und INGOs, Überweisungen ihrer Mittel zu einem realen Gegenwert in die Landeswährung zu tauschen. Nehmen wir an, die Heinrich-Böll-Stiftung überweist am Tage der Drucklegung dieses Berichtes (9.5.03) an eine Partnerorganisation in Burma/Myanmar einen Reisekostenerstattungsbetrag in Höhe von 1500,- USD auf das US-Konto dieser NGO. Der Tageskurs des USD zum Kyat war an diesem Tag mit 1:970 ausgewiesen. Dieser Wechselkurs wird von der Regierung festgelegt und unterliegt extremen Schwankungen. Allerdings ist die Überweisung nicht in USD auszahlbar, sondern nur in der Ersatzwährung FEC (Foreign Economic Currency, „Papiergeld“, eine im Wert vom Regime manipulierbare Ersatzwährung die für ausländische Währungen gekauft werden kann bzw. wie im Falle von Touristen als eine Art Zwangsumtausch oder im hier beschriebenen Beispiel gekauft werden muss). Der ebenfalls von der Regierung festgelegte offizielle Wechselkurs des USD zum FEC wurde an diesem Tag mit 1:450 ausgewiesen, wenn der Verkauf des FEC direkt in der Bank erfolgt wäre. Nun besteht die Möglichkeit der Auszahlung in FEC, was es den Empfängern ermöglicht zu legal zugelassenen Wechselstuben zu gehen, welche einen höheren Tauschkurs anbieten. Am 9. Mai waren das 905 Kyat für den FEC, also 65 Kyat pro USD weniger als nach dem offiziellen Tageskurs. Je weiter die jeweilige Wechselstube räumlich von der Leitwechselstube entfernt ist, desto weniger Kyat gibt es für einen USD. Die Durchschnittsdifferenz im Wert zwischen USD und FEC wurde mit 165 Kyat angegeben, was den Wert des FEC in Kyat auf durchschnittlich 810 pro 1 FEC verringert. Der überwiesene Betrag zur Kostenerstattung für das genannte Beispiel wird je nach Wechselkurs zu einem Gegenwert in Kyat von 1.455.000 (1:970) ; 1.357.500 (1:905) oder 1.215.000 (1: 870) auszahlbar. Der Realverlust der Erstattung gegenüber den tatsächlichen Ausgaben beläuft sich je nach zugrunde gelegter Rate zwischen 247 und 296 USD. Es bedarf nicht großer Rechenkünste zu überschlagen, wie hoch der Verlust für die Organisation bzw. der Gewinn für die Staatsbank ist, wenn der überwiesene Betrag, zum Beispiel für eine Quartalsüberweisung von Projektmitteln, entsprechend höher ist.

Korruptionskontrolle und Monitoring der Mittelausgaben

Die Entwendung von Material oder das Beharren auf Bestechungsgeldern zur reibungslosen Abwicklung von Projekten übersteige nach übereinstimmenden Aussagen von UN-oder INGO-Vertretern, die in Burma/Myanmar tätig sind, allerdings nicht den in anderen Ländern üblichen „Schwund“ von Mitteln.

Im Gegenteil, aufgrund der schwierigen politischen Situation, in der UN-Organisationen und INGOs operieren, fordern die meisten Geber genaueste Nachweise über den Verbleib ihrer Mittel - viele INGO-Vertreter weisen darauf hin, dass in Myanmar das strengste Monitoring weltweit herrsche. Für die vergleichsweise geringe Summe von 50 Millionen US$, die im Jahr 2002 als Hilfsgelder für die UN und INGOs nach Burma/Myanmar geflossen sind, ist nach Angaben verschiedener Agenturen ein weit über dem Durchschnitt liegender Betrag an zusätzlichen Verwaltungskosten für das Monitoring der Ausgaben aufgewendet worden. Bei einem Hilfsvolumen von 1 USD pro Kopf und Jahr ist es verständlich, dass es um jeden Cent schade ist, der nicht direkt den Projekten zugute kommt, sondern in mehrfache Buchprüfung und Evaluierung fließt. Dennoch macht dieses Monitoring Sinn, solange damit sichergestellt wird, dass auch tatsächlich der wesentliche Teil der Gelder direkt die Betroffenen erreicht. Um ihre Bereitschaft auszudrücken, dass sie diese Aufwendungen und Kontrollmechanismen grundsätzlich für richtig halten, hat eine Reihe in Burma/Myanmar operierender INGOs sog. „Joint Principles of Operation“ vereinbart, in denen dies neben vielen anderen Punkten verankert wurde (siehe dazu Appendix C).

Die Legitimität der Zusammenarbeit mit Regierungsinstitutionen oder „GONGOs“

Ein grundsätzliches Problem ist die Frage der Legitimität. Oft wird die Befürchtung geäußert, dass Hilfen, die über Regierungsstellen oder mit der Regierung verbundene NGOs (sog. Government Organised NGOs; GONGOs) verteilt werden, von der Bevölkerung als Hilfen des Regimes wahrgenommen werden und damit die Legitimität des Militärs erhöhen. Tatsächlich bemüht sich das Regime vor allem um eine Erhöhung des finanziellen Volumens für UN-Organisationen, die direkt mit der Regierung oder mit GONGOs zusammen arbeiten.

Mit dem Argument, die internationale Gemeinschaft und vor allem einzelne Geber wie die Briten und die Japaner seien zu einer Art Reparation für auf die Kolonialzeit zurückgehende „Schäden“ verpflichtet, werden die Hilfsgelderzahlungen von der Militärregierung für eine Selbstverständlichkeit gehalten. Diesen Begründungszusammenhang kennt man sonst nur aus der globalisierungs- und WTO-kritischen linken NGO-Szene mit dem Hinweis auf die historischen und ökologischen Schulden des Nordens gegenüber dem Süden. Vor diesem Hintergrund hält das Regime die eigene Kontrolle und Verfügung über diese Gelder für legitim, unabhängig von der internationalen Gemeinschaft.

Dieser Problematik sind sich die Agenturen und INGOs vor Ort größtenteils bewusst. So bemühen sich insbesondere die INGOs nach einer „Lernphase“ zu Anfang der 90er Jahre heute erfolgreich darum, ohne direkte oder indirekte Regierungsbeteiligung direkt mit der Bevölkerung bzw. ihren Zielgruppen zu arbeiten. Die UN-Organisationen bemühen sich durch Öffentlichkeitsarbeit in ähnlicher Weise darum, nicht als „Regierungseinrichtung“ bzw. als „politischer Partner des Regimes“ identifiziert zu werden. Um jedoch Programme auf nationaler Ebene erfolgreich durchführen zu können, werden Counterparts auf Regierungsebene benötigt. Die großen Impfkampagnen verschiedener UN-Agenturen, mit deren Hilfe unter anderem Polio erfolgreich besiegt wurde, wären ohne eine Zusammenarbeit mit dem staatlichen Gesundheitssystem nicht möglich gewesen. Besonders wichtig und im Sinne eines „Capacity Buildings“ für den Übergangsprozess aus entwicklungspolitischer Sicht angezeigt, ist die Zusammenarbeit mit der lokalen, zivilen Verwaltung.

Das gilt aber auch allgemein für die Einrichtungen der Zentralregierung, wo in einer von Unprofessionalität geprägten Bürokratie ein solches „Capacity-Building“ gewissermaßen als Nebenprodukt bei der gemeinsamen Durchführung von Hilfsprojekten abfällt. Ein erster Schritt in Richtung der ohnehin nötigen, grundlegenden Reform und Professionalisierung der staatlichen Bürokratie.

Bei entsprechendem politischen Willen, realistischen Kontrollmechanismen für die Einhaltung verhandelter Hilfs-Bedingungen und einer diesen Prinzipien verpflichteten konsequenten Diplomatie ließe sich verhindern, dass die Ausweitung humanitärer Hilfe eine Stärkung des Regimes zuungunsten der Demokratiebewegung und der Minderheiten bedeutet. Für jedwede Ausweitung der Hilfen ist ein „Code of Conduct“ notwendig.

Die Möglichkeiten eines spezifisch deutschen Engagements

Die konfliktbeladenen Ausgangsbedingungen und die damit verbundene komplexe Entscheidungssituation für deutsche Außen- und Entwicklungspolitiker in Ministerien, dem Parlament, von NROs, wissenschaftlichen und Facheinrichtungen, die mit der Problematik befasst sind, wurde oben umrissen. Das Regime will sich nicht von außen in einen Dialog und schon gar nicht in eine Aufgabe der eigenen Vormachtstellung „zwingen“ lassen. Die vielzitierten „Sanktionen“ der USA und der EU, die korrekterweise nicht als solche bezeichnet werden sollten, da die Maßnahmen gegen das Regime nicht den Kriterien ökonomischer Sanktionen entsprechen, haben im Hinblick auf eine Demokratisierung bzw. einen Versöhnungsprozess kaum etwas bewirkt. Sie sind eher dazu geeignet, die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage für die Menschen in dem Land tendenziell zu verschärfen. Andererseits zeigte das großzügige Engagement etwa Japans und eingeschränkt auch Australiens ebenfalls keine greifbaren Erfolge. Insbesondere die Position Japans, dass sich weitgehend darauf beschränkt hat, wirtschaftliche Reformen in Burma/Myanmar anzumahnen, zeigt deutlich, wie wenig erfolgreich der Versuch eines „flexiblen Engagements“ gegenüber dem Regime geblieben ist. Das gilt auch für ähnlich motivierte Bemühungen der ASEAN-Staaten.

Doch zwischen der harten Haltung der USA und der EU und der eher moderaten Japans, Australiens und der ASEAN-Staaten liegt ein weiter Spielraum, der angesichts der Notlage der burmesischen Bevölkerung genutzt werden muss. Die signalisierte Bereitschaft, sich humanitär zu engagieren, macht dabei nicht nur angesichts der Notlage der Menschen Sinn, sie würde auch dem Regime zeigen, dass Interesse an einer kooperativen Lösung der Probleme besteht.

Um allerdings zu verhindern, dass sinnvolle Paradigmen der Entwicklungszusammenarbeit aufgegeben und Hilfen womöglich dem Erhalt des Regimes dienen, muss das Engagement an Bedingungen gebunden werden. Vor diesem Hintergrund ist es dringend anzuraten, einen „Handlungsleitfaden“ bzw. „Code of Conduct“ für humanitäre Hilfe und für eine künftig mögliche Entwicklungszusammenarbeit in/mit Burma/Myanmar zu entwerfen, der nach dem Prinzip „Zug um Zug“ orientiert an der innenpolitischen Entwicklung eine schrittweise Erweiterung humanitärer Hilfen und die Wiederaufnahme von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit vorsieht.

Für die Bundesrepublik Deutschland macht der Entwurf eines solchen Leitfadens in zweifacher Hinsicht Sinn. Zum einen wird die BRD nicht nur als ehemals zweitgrößter Geber und erfahrener, etablierter Partner in der Entwicklungszusammenarbeit wahrgenommen. Sie hat auch ohne offensichtliche strategische Interessen sehr gute Chancen ein solches Bedingungsgefüge als Modell durchzusetzen, ohne den Argwohn des Regimes oder psychologisch bedingte „Abwehrreflexe“ zu wecken, was für GB und die USA wahrscheinlicher ist. Darüber hinaus wäre ein solcher Leitfaden in der aktuellen Diskussion um den Umgang mit sog. „Schurkenstaaten“ ein gutes Beispiel dafür zu zeigen, wie man alternativ zu politischen und/oder militärischen Drohgebärden an friedlichen Ansätzen zur Demokratisierung und Entwicklung dieser Länder arbeiten kann.

Vorschläge zu einem „Code of Conduct“ für ein entwicklungspolitisches Engagement in Burma/Myanmar

Grundsätzlich lassen sich drei Phasen für ein Engagement unterscheiden:

1. „Vorbereitendes Engagement“ - humanitäre Hilfe
Diese erste Phase betrifft die gegenwärtige Situation, in der sich noch keine politische Lösung des Konflikts abzeichnet, Bedarf an Hilfen für die notleidende Bevölkerung dennoch besteht.

2. „Demokratieförderndes Engagement“ - humanitäre Hilfe, zusätzlich Möglichkeit von Entwicklungshilfe
Die zweite Phase würde starten, sobald sich eine politische Lösung des Konflikts abzeichnet, beispielsweise Wahlen ausgerufen und dafür ein fester Zeitplan vereinbart wäre.

3. „Demokratiestärkendes Engagement“ - humanitäre und Entwicklungshilfe, in einem akkordierten Rahmen
Die dritte Phase begänne mit den ersten Schritten in Richtung einer Machtteilung, etwa nach allgemeinen, freien Wahlen und verlässlichen Zeichen dafür, dass die Ergebnisse dieser Wahlen vom Regime anerkannt werden.

  • Erste Phase: „Vorbereitendes Engagement“

Generelle Rahmenbedingungen

a) Die Ausweitung der humanitären Hilfen richtet sich nach dem Bedarf
Ungeachtet der Lösung des Konflikts sollte das Prinzip gelten, dass sich der Grad der Ausweitung am Bedarf misst. Ein für deutsche Entwicklungsorganisationen weitgehend verbindlicher (weil zum Beispiel vom BMZ als Zuwendungsgeber legitimierter) „Code of Conduct“ dient dabei nach innen als Orientierungsrahmen für Verhandlungen (zum Beispiel im Rahmen der Aushandlung eines MoU mit der Regierung) und die sich anschließende Projektimplementierung. Dessen ungeachtet existieren in Burma/Myanmar ohne tiefgreifende politische, wirtschaftliche und soziale Reformen nicht die Strukturen, um unbegrenzt Mittel zu absorbieren.

b) Demokratisierung der Hilfen und Entscheidungstransparenz
Um alle Akteure auf der politischen Bühne gleichberechtigt einzubinden, sollte auf die Installation eines Drei-Parteien-Komitees (Regime, NLD, Minderheitenvertreter, dem Modell des sog. „Razali- Komitees“ folgend) hingearbeitet werden, das als beratendes Gremium zu allen größeren Hilfsprojekten konsultiert wird. Die Installation eines solchen Komitees hätte den weiteren Vorteil, dass die Vertreter der drei Parteien jenseits der politischen Konfliktmediation in Vorbereitung auf künftige nationale Entwicklungsaufgaben die Chance zum Dialog bekämen und gemeinsam an einer künftigen nationalen Entwicklungsagenda für Burma/Myanmar zu arbeiten beginnen könnten. Vor ca. einem Jahr wurde vom UN-Beauftragten Razali ein ähnlich lautender Vorschlag eingebracht, der es vor allem der NLD ermöglichen sollte, in Entscheidungs- und Planungsprozesse um Hilfen eingebunden zu sein. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, desgleichen ein ähnlicher, der speziell für das HIV/AIDS-Programm erstellt worden war.
Sollte die Installation eines solchen Komitees nicht möglich sein, was aufgrund der gegenwärtigen Ablehnung eines Dialoges durch das Regime die Realität ist, könnte als Bedingung verankert werden, dass vor dem Start größerer Projekte alle drei Parteien wenigstens separat konsultiert werden müssen. Ein zentrales Problem stellt derzeit die fehlende Gesprächsbereitschaft des SPDC dar. Reagiert werden kann insofern nur auf der Grundlage des eigenen „Code of Conduct“: weder dogmatische Verankerung von Konditionalitäten noch übergroße Nachgiebigkeit in den Verhandlungen.
Bei einer signifikanten Ausweitung der humanitären Hilfe wäre es sinnvoll, eine Verteilung der Mittel sicherzustellen, unter Berücksichtigung der verschiedenen Ethnien und der vielfältigen Entwicklungszonen des Landes, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Bevölkerungsstärke und dem ermittelten Bedarf bzw. nach festzulegenden Prioritäten. Gleiches gilt auch für eine spätere Planung von Entwicklungshilfe. Die Orientierung an diesem Prinzip ist wichtig, um unerwünschte Nebeneffekte im Sinne von Stadt-Land-Entwicklungsgefällen oder solchen zwischen Mehrheits- und Minderheitsethnie zu vermeiden, welche leicht zur Ursache neuer Konflikte werden oder alte verstärken können.

c) Förderung der Zivilgesellschaft
Mit deutschen Mitteln sollten vorrangig solche Projekte gefördert werden, die sich entweder direkt an die betroffene Bevölkerung wenden (ohne Beteilung staatlicher oder halbstaatlicher Stellen bzw. im Sinne von Dezentralisierungsförderung mit lokalen Regierungen) oder wenn eine Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen aufgrund der jweiligen Entwicklungsaufgabe angezeigt ist, die Förderung der Einbindung zivilgesellschaftlicher Institutionen. Es ist zu vermeiden, den oft bequemeren Weg der Kooperation mit ausschließlich staatlichen Stellen zu gehen, und so die Bemühungen um eine Demokratisierung zu mindern. Es wird häufig übersehen, dass zivilgesellschaftliche Strukturen in Burma/Myanmar nicht zerstört wurden. Sie haben in den Krisenzeiten der letzten Dekade oft notwendige soziale Aufgaben und mehr oder weniger offen artikulierte politische Interessenvertretung wahrgenommen. Zu nennen sind Institutionen der traditionellen Zivilgesellschaft wie die des buddhistischen Sangha, der Kirchen, Eltern-Lehrer-Vertretungen in den Gemeinden, aber auch die vielfältige Landschaft der politischen Parteien und sozialen Interessenvereine der ethnischen Gruppen. Deren Einbindung kann wesentlich demokratie- und strukturbildend wirken.

d) Keine Umverteilung von Ressourcen
Ein Engagement in Burma/Myanmar sollte nicht auf Kosten eines Engagements in den Flüchtlingslagern vor allem an der thailändisch-burmesischen Grenze gehen. Solange die Rückkehr und Repatriierung der Flüchtlinge nach Burma/Myanmar nicht geklärt ist bzw. die Ursachen der wirtschaftlich motivierten massenhaften Migration nach Thailand anhalten, ist ein Abziehen bzw. Umleiten von Mitteln sowohl politisch als auch humanitär falsch.

e) Ausschluss der Möglichkeit zur „Abzweigung“ überwiesener Projektmittel durch Wechselkursmanipulation und über Zwangsumtausch in Anbindung an den FEC
Im Sinne der auf den Seiten 6 unten und 7 oben gemachten Ausführungen ist eine konzertierte Aktion der Gebergemeinschaft angezeigt, mit dem Ziel, möglichst konsequent und durchgehend auszuschließen, dass sich die Regierung in der beschriebenen Weise bereichern kann.

Orientierungsrahmen für Direkt-Engagement

a) Steigerung des Verantwortungsbewusstseins
Sollten Mittel für Programme zugesagt werden, die in direkter Kooperation mit staatlichen Stellen durchgeführt werden, dann sollte sich das Regime mit mehr als nur symbolischen Beträgen an deren Finanzierung beteiligen. Damit kann vermieden werden, dass das Regime seinen im Vergleich zum Militärhaushalt signifikant unterfinanzierten Sozialhaushalt weiterhin stiefmütterlich behandelt, und die Verantwortung für sozialstaatliche Aufgaben der internationalen Gemeinschaft und INGOs überlässt, was einer indirekten Unterstützung des Regimes gleich kommt.

b) Sonderfall UN-Programme
Auch bei Mittelzuwendungen an UN-Organisationen gelten die obenstehenden Verhaltensrichtlinien. Darüber hinaus ist aufgrund der offensichtlichen Verstrickung des Regimes in das Drogengeschäft die Vergabe von Mitteln für Projekte zur Bekämpfung der Drogenproduktion besonders kritisch zu prüfen. Die reichhaltigen Erfahrungen der GTZ in Projekten zur Drogenbekämpfung mit dem Ansatz einer weitreichenden ländlichen Regionalentwicklung - zum Beispiel in der unmittelbaren Grenzregion zwischen Burma/Myanmar und Thailand - besagen, dass eine nachhaltige Bekämpfung des Mohnanbaus durch landwirtschaftliche Ersatzprodukte für den lokalen Markt nur dann langfristig erfolgreich ist, wenn begleitende staatliche Unterstützung in den Bereichen Infrastrukturentwicklung, Kontrolle des Polizei- und Militärapparates und Rechtbeugungskontrolle gegeben ist.

c) Ausgewogene Verteilung an UN und INGOs
Das UN-System ist aufgrund seiner Bürokratie prinzipiell anfälliger für Interventionen des Regimes und damit wesentlich unflexibler bei der Schaffung/Nutzung von Freiräumen, um sich in Programmen direkt an die Zivilbevölkerung zu richten bzw. die oben genannten Demokratisierungsaufgaben in ihre Programme zu integrieren. Das hängt nicht zuletzt auch mit den größeren Dimensionen der umzusetzenden Mittel zusammen, welche es in Verbindung mit Mittelabflussdruck nicht gerade leicht machen, kleinteilige und in aller Regel arbeitsintensive Empowerment-Aufgaben für lokale Gemeinden und den mit ihnen verbundenen zivilgesellschaftlichen Potentialen wahrzunehmen.
Es sei aber darauf verwiesen, dass UNDP zum Beispiel einen Code of Conduct vertritt, der die direkte Kooperation mit der Regierung ausschließt. Es wäre dennoch verfehlt zu glauben, dass die UNDP-Projekte deshalb durchgehend erfolgreicher und demokratiefördernder wären als von UNICEF finanzierte Kooperationen mit Regierungsbehörden (UNICEF in Burma/Myanmar kennt keine derartige Beschränkung). Entscheidender sind häufig nicht die konkreten Rahmenbedingungen der Kooperation, sondern konkrete Projektansätze, das dazugehörige Umfeld und ein Quäntchen Glück die Kooperationsbereitschaft und Qualifikation der Counterparts betreffend.
Bei der Weiterleitung von Mitteln an INGOs über UN-Agenturen wie zuletzt über die Zweigstelle von UNAIDS Burma/Myanmar kann es zu Problemen kommen, wenn Vertreter des Regimes bei den Verhandlungen zur Weiterverteilung der Mittel anwesend sind und eine kritische, problembewusste Diskussion Einschätzungen von Beteiligten zufolge „nur begrenzt möglich“ sei. In Anwesenheit von Regierungsvertretern fürchten sowohl INGOs als auch Mitarbeiter von UN-Organisationen konfliktreiche Diskussionen, in denen sie nicht als regimekritisch auffallen und damit ihre Arbeit gefährden wollen. Es gibt aber auch Berichte von Konsultationen, wo „absolut Tacheles geredet“ werden könne.
Es wird deshalb empfohlen, dass künftig anteilig mehr Mittel direkt an INGOs weitergeleitet bzw. zumindest ausgewogen an UN-Organisationen und INGOs verteilt werden, möglicherweise mittels einer Quotierung (70/30 oder 60/40 zugunsten der INGOs), die bereits vor der Finanzierungszusage festgesetzt und insofern nicht mehr Gegenstand oben genannter Konsultationen sein sollten.

Orientierungsrahmen für ein Engagement von INGOs und für ein Engagement nichtstaatlicher Träger

Joint Principles
Ein großer Teil der in Burma tätigen INGOS hat sogenannte „Joint Principles of Operation“ (siehe Appendix C) als Grundlage für die Arbeit in Burma/Myanmar entwickelt. Das geschah u.a. auch in Reaktion auf Kritik von internationalen Burmagruppen und von Exilkreisen, die der Auffassung waren, dass die Verwendung internationaler Hilfsgelder nicht ausreichend kontrollierbar sei. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Formulierung eines „Code of Conduct“ für deutsches Entwicklungsengagement wird die gründliche Auseinandersetzung mit diesem Text empfohlen.
Aus Furcht vor Repressionen durch die Regierung wurden die Unterzeichner der „Joint Principles“ allerdings nicht publik gemacht (siehe dazu Anmerkungen im Appendix C). Um diesen Druck von den INGOs zu nehmen und sie dabei zu unterstützen, ihre Arbeitsprinzipien offen legen zu können, wäre es ratsam, die Grundlinien der „Joint Principles“ in Verhandlungen deutscher Träger um ein „Memorandum of Understanding“ (MoU) mit der burmesischen Regierung indirekt als Referenzrahmen einfließen zu lassen und auf diese Weise indirekt zur Legitimation der formulierten Grundprinzipien bei der Implementierung von Projekten zur humanitären Hilfe beizutragen. Allgemein gilt, dass diese oder andere vereinbarte Grundsätze eines „Code of Conduct“ für die jeweilige Organisation als intern verbindliche Richtlinien zu akzeptieren sind.

Förderung lokaler NGOs
Aufgrund des Argwohns des Regimes gegenüber allen außerstaatlichen Aktivitäten ist es für lokale NGOs außerordentlich schwierig, offiziell registriert zu werden und sich damit als Partner für INGOs, UN-Organisationen oder Geber zu empfehlen. So existieren jenseits von Charity-Vereinigungen, denen häufig die Ehefrauen einflussreicher Militärs vorstehen, bislang nur wenige lokale NGOs, die offiziell registriert sind (z.B. Shalom- und Metta Foundation. Shalom operiert landesweit, Metta vorwiegend in Kachin State). Um die zahlreichen anderen nicht registrierten lokalen NGOs zu unterstützen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der burmesischen Zivilgesellschaft zu leisten, sollte bei der Durchführung von Programmen staatlicher deutscher Träger (etwa GTZ), der Kirchen, der politischen Stiftungen und der NGOs Wert darauf gelegt werden, lokale NGOs oder lokale Verbände und Interessenvereine als Partner in ihr Programm zu integrieren und dadurch zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen beizutragen.
Die Gefahr des „overfunding“ der wenigen bereits operierenden lokalen NGOs ist groß und sollte bedacht werden. Die Unterstützung von Trägerstrukturentwicklung im Sinne der Schaffung eigener künftiger Projektpartnerstrukturen ist als vorrangige Aufgabe in das Pflichtenheft nicht nur deutscher Organisationen, sondern von INGOs allgemein aufzunehmen.

Prioritäre Sektoren Humanitärer Hilfe: Gesundheit, Ernährungssicherheit, Bildung und Umwelt

Von den vielen Bereichen, in denen humanitäre Hilfe dringend nötig ist, haben Gesundheit, Bildung und Umwelt besondere Priorität. Der Begriff, also das Ausmaß und die Tätigkeitsfelder der humanitären Hilfe, muss hier flexibel ausgelegt werden.

Gesundheit und Ernährungssicherung
Die größte Aufmerksamkeit internationaler Geber gilt zur Zeit der Verhinderung einer weiteren Ausbreitung von AIDS in Burma/Myanmar. Nachdem es gelungen ist, das Regime von der Brisanz der Epidemie zu überzeugen, wurde mit Unterstützung von UNAIDS ein Programm für die kommenden drei Jahre mit einem Volumen von über 50 Millionen US$ aufgestellt, dessen Finanzierung bereits zu großen Teilen gesichert ist.
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass man die Ausbreitung von AIDS mit „klassischen Methoden“ höchstens bremsen kann. Die globale Seuche erfordert lokal angepasste Lösungen zur effektiven Bekämpfung. Die Wurzeln des Problems im Falle Burmas sind in erster Linie die stark eingeschränkte Informationsfreiheit, die soziale Not und mit mangelnden Perspektiven verbundener Drogenkonsum. Demnach können auch in der Bekämpfung von AIDS in Burma/Myanmar langfristig nur im Zusammenhang mit durchgreifenden Reformen echte Erfolge erzielt werden.
Bei der Vergabe von Mitteln zur AIDS-Bekämpfung ist zu berücksichtigen, dass die Minderheiten oder Angehörigen des Militärs besondere Risikogruppen sind, die zur Zeit nur schlecht oder gar nicht erreicht werden. Problematisch ist dabei allerdings, dass die Präventionsarbeit mit diesen Zielgruppen des Einverständnisses der jeweiligen „Kommandostrukturen“ bedarf, mit denen Abkommen zur Projektimplementierung zu schließen sind.
Unter den in Burma tätigen INGOs hat die tendenziell einseitige Aufmerksamkeit gegenüber der AIDS-Problematik bereits zu Kritik geführt. Teilweise zu Recht, denn Malaria oder Tuberkulose bedrohen die Bevölkerung statistisch weitaus stärker als AIDS, ohne dass bislang Programme in ähnlicher Größenordnung aufgelegt wurden. Allerdings ist die Tuberkulosegefahr durch das AIDS-Risiko gewachsen, und insofern sind AIDS-Präventionsprogramme auch gleichzeitig als Beitrag zur Bekämpfung von Tuberkulose zu sehen.
Das Problem der Unterernährung ist ein weiterer Risikofaktor. Der schlechte Gesundheitszustand breiter Bevölkerungsteile macht die Menschen anfälliger für Epidemien wie Tuberkulose. Unter- und Mangelernährung ist die Hauptursache für die hohe Kindersterblichkeit. Ernährungssicherungsprogramme dienen insofern auch der Verbesserung der allgemeinen Gesundheit der Menschen und indirekt der Prävention von weit verbreiteten Krankheiten wie Tuberkulose und Malaria. Für die Bekämpfung von AIDS stehen derzeit 50 Millionen USD zur Verfügung, von denen 30 Millionen für 2003 erst zugesagt sind. Im Vergleich zu Thailand mit einer ähnlich hohen Rate von AIDS-Infizierten, wo pro Jahr ca. 100 Mill. USD für AIDS-Programme ausgegeben werden, ist das nur die Hälfe der Mittel. Ein stärkeres Engagement auch außerhalb von AIDS/HIV ist dringend nötig.

Bildung
Die großen Probleme im Bildungsbereich lassen sich prinzipiell drei Kategorien zuordnen: der Primär- und Sekundärbildung, der Hochschulbildung und der Weiterbildung, vor allem der sog. „lost generation“. Es sollte zumindest versucht werden, diese drei Bereiche gleichermaßen zu berücksichtigen.
Wie erfolgreich durchgeführte Kleinprojekte verschiedener INGOs zeigen, lässt sich das Problem der niedrigen Schülerzahlen in den Primär- und Sekundärschulen bereits mit einfachsten Mitteln, etwa durch die Bereitstellung kostenloser Schulspeisung, angehen.
Erwähnenswert ist auch das Programm „Girls Back To School“ des World Food Programme (WFP) im Northern Rakhine State (Familien erhalten Reis-Rationen, wenn ihre Mädchen die Schule regelmäßig besuchen). Auch UNICEF hat landesweit interessante Programme.
Sehr viel schwieriger wird es dagegen sein, die Qualität der Hochschulausbildung auf internationale bzw. zumindest gehobene regionale Standards anzuheben. Der Klarheit halber sei erwähnt, dass die Kooperation im Hochschulbereich nicht als „humanitäre Hilfe“ im engen Wortsinn verstanden werden kann. Dennoch ist sie mittel- und längerfristig von strategischer Wichtigkeit und sollte schon derzeit ausgebaut werden (siehe unten). Um einem möglichst breiten, auch außerhalb von Regierungsinstitutionen rekrutierten Teilnehmerkreis eine Chance einzuräumen, sollten Kooperationen mit deutschen und anderen europäischen Universitäten, die den Austausch von Studenten erleichtern, sowie der Ausbau von Stipendienprogrammen, bei denen die Gastländer mehr Einfluss bei der Auswahl der Studenten haben, angestrebt werden. Denkbar wäre auch die Finanzierung von Studienaufenthalten in Nachbarländern mit deutschen Mitteln, wie etwa am „Asian Institute for Technologie“ und an thailändischen Universitäten, aber auch auf den Philippinen. Viele junge Exilanten haben in den zurückliegenden Jahren teilweise im Rahmen von Stipendienprogrammen durch die internationale Gebergemeinschaft eine Ausbildung in diesen Ländern genossen. Auf diese Erfahrungen und Bildungseinrichtungen kann zurückgegriffen werden. Notwendig sind sicher auch gezielte Vorbereitungskurse, da die Schulausbildung in Burma ebenso wie die Hochschulausbildung nicht ausreichend auf die Zugangsvoraussetzungen für Ausbildungsgänge außerhalb Burmas vorbereitet. Berufliche Weiterbildungsprogramme oder „Anlernkurse“ für technische Fachkräfte nach dem Vorbild früherer DED-Programme finden bisher in der Diskussion kaum Erwähnung, obwohl gerade hier ein hoher Bedarf bei der sog. „lost generation“ arbeitsloser Holschulabsolventen, für ehemalige Soldaten oder ein großes Heer arbeitsloser Jugendlicher besteht.

Umwelt
Der Bereich Umwelt wird bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei wurde in der Vergangenheit vielfach auf die katastrophalen ökologischen Folgen der unkontrollierten Ausbeutung von Ressourcen, vor allem wertvoller Harthölzer aufmerksam gemacht. Berichten von Umweltbeobachtungs-Gruppen zufolge sind bereits ganze Regionen vor allem in den Minderheitengebieten im Norden und Nordosten kahlgeschlagen. Erosion und andere Folgen dieses Kahlschlags sind in vielen Gebieten bereits spürbar. Auch die Ausbeutung von Bodenressourcen, etwa das Goldwaschen im oberen Lauf des Irrawaddy mit Hilfe von Quecksilber und anderen hochgradig belastenden Chemikalien, wird erhebliche Umweltprobleme hinterlassen.
Ein weiteres Problemfeld sind geplante Großprojekte, wie beispielsweise der Bau eines Megastaudammes (4500 MW Kapazität; 6,15 Milliarden USD Baukosten) am Salween-Fluss, einem der wenigen verbleibenden nicht aufgestauten großen Ströme in der Welt. Aufgrund der fehlenden demokratischen Strukturen, wodurch Mitsprache der betroffenen Bevölkerung auszuschließen ist und der Erfahrungen mit dem Bau der Yadana-Gas-Pipeline, wo es zu Zwangsarbeit und -vertreibung kam, sind die Aussichten auf ein nicht nachhaltiges Wachstums- und Entwicklungsparadigma besonders besorgniserregend.

Keine Entwicklung um jeden Preis: Orientierung an den Leitlinien nachhaltiger Entwicklung und der Geschlechterdemokratie

Da diese Entwicklungsfragen grundsätzlich erst dann strukturell angegangen werden können, wenn eine demokratisch gewählte Regierung die Geschicke des Landes in die Hand nimmt, sollte als „grüner Leitfaden“ im „Code of Conduct“ für ein deutsches Engagement in Burma/Myanmar ein Entwicklungsimperativ gelten, der sich an den Rio-Prinzipien von nachhaltiger Entwicklung orientiert: Generationen- und soziale Gerechtigkeit, also Umwelt- und Ressourcenschutz mit dem Recht auf nachholende Entwicklung einer Nation möglichst auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit miteinander zu verbinden.
Ein solches qualitatives Element eines „Code of Conduct“ sollte ebenso wie die Förderung gleichberechtigten Wirkens von Männern und Frauen in Projektansätzen als Querschnittsaufgabe verankert sein.

Mögliches Engagement deutscher Institutionen

Bereits in der ersten Phase des „vorbereitenden Engagements“ wäre das Wirken verschiedener deutscher Institutionen an unterschiedlichen Stellen sinnvoll, insbesondere im Bereich des sogenannten „Human Resource Development“.

In Burma/Myanmar gibt es seit dem Ende der 80 Jahre keine Niederlassung des Goethe-Instituts mehr. Angesichts der starken und nicht nur im Hinblick auf den Sprachunterricht, sondern auch auf die Nutzung der dortigen Bibliotheken erfolgreichen Präsenz des „British Council“ und der „Alliance Francaise“ ist das unverständlich. Ein Engagement des Goethe-Instituts würde nicht nur symbolische Wirkung unter der bildungshungrigen Bevölkerung des Landes entfalten, sie könnte gerade in Kombination mit dem oben empfohlenen Engagement im Hochschulbereich einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung burmesischer Studenten auf einen Studienaufenthalt in Deutschland leisten und ist natürlich auch im Interesse der Entwicklung der deutsch-burmesischen Wirtschafts- und Kulturbeziehungen sinnvoll.

Im Zusammenhang mit Studienstipendien sei auch der Deutsche Akademische Auslandsdienst (DAAD) erwähnt. Zwar existiert bereits ein Programm zur Förderung burmesischer Studenten, dieses weist jedoch erhebliche Mängel auf. So müssen Studenten, um in den Genuss eines DAAD-Stipendiums zu gelangen, entweder an einer burmesischen Hochschule oder einer staatlichen Institution beschäftigt sein, die ihnen die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz zusichert. Durch diese Einschränkung der Stipendiaten werden - sicherlich unbeabsichtigt - all jene Studenten und Postgraduierten benachteiligt, die entweder mangels Beziehungen oder Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Regime keine Stelle im Staatsdienst vorweisen können. Es ist daher zu empfehlen, die Richtlinien für diese Stipendien zu überdenken und mindestens zur Hälfte Bewerber zuzulassen, die nicht von einer Hochschule oder einer anderen staatlichen Institution stammen. Des weiteren wären leistungsorientierte Auswahlkriterien zu entwickeln, die von unabhängigen Gremien zum Beispiel in Form von Bewerbungsgesprächen umgesetzt werden.

Die Tätigkeit von DAAD-Fachlektoren in höheren Bildungseinrichtungen wäre bei entsprechender Nachfrage und im Falle der Wiedereröffnung des Universitätsbetriebes ebenfalls denkbar.

Auch ein Engagement der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit wäre bereits in dieser ersten Phase denkbar. Zwar wäre die Durchführung von Großprojekten im Rahmen technischer Zusammenarbeit zu diesem Zeitpunkt das falsche Signal, doch gibt es Bedarf an fachlicher Beratung in der sektorbezogenen Entwicklungsplanung allgemein wie auch in der konkreten Projektdesignentwicklung. Bei Beratungsleistungen wäre auf deren Kompatibilität mit der Gemeinsamen Position der EU zu achten. Auch Vorstudien etwa für den Bereich dezentrale Energieversorgung auf der Basis nachhaltiger Energiequellen (Wind, Kleinwasserkraftwerke, Biodiesel oder Sonnenenergie) sind vorstellbar. Die GTZ verfügt aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen zum Beispiel in Nordthailand im Bereich der ländlichen Regionalentwicklung mit der Orientierung auf Drogenanbaukontrolle nicht nur über wertvolle Erfahrungen, sondern auch hervorragende Kontakte zu thailändischen Behörden, wie dem „Office of Narcotic Control Board“ (ONCB), über die sich auch Projekte der „trilateralen“ Hilfe künftig realisieren ließen, zumal Thailand großes Interesse an der Drogenbekämpfung im Nachbarland hat.

Engagement der deutschen politischen Stiftungen

Die deutschen politischen Stiftungen sind bereits seit längerem mit unterschiedlichen Ansätzen im Burma/Myanmar-Kontext engagiert. Infolge der restriktiven Politik der EU und somit auch des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), haben sich die Stiftungen dabei vor allem in Exil- und Flüchtlingskreisen bzw. nur indirekt im Land selbst mit Projekten engagieren können.

Selbstverständlich ist es ausschließlich Entscheidungsangelegenheit der politischen Stiftungen, über die Schwerpunkte und die Ausrichtung ihres Engagements zu entscheiden. Im Vergleich zu anderen Vorfeldorganisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist es für sie zweifellos komplizierter, unter den derzeitig gegebenen politischen Bedingungen in Burma/Myanmar ein Arbeitsfeld zu finden, welches dem Kernmandat der politischen Stiftungen entspricht. An dieser Stelle erfolgt keinesfalls ein Aufruf zum Wettlauf um den „Preis der ersten deutschen Stiftung in Rangoon“. Es bedarf Zeit, vor Ort die Verhältnisse, die spezifischen Problemlagen und potentiellen Partnerstrukturen abzuklären und schließlich  zu einem MoU mit der Regierung zu kommen, und vor allem für die kleineren Stiftungen auch zusätzlicher Finanzen.

Über die Organisation von Einzelveranstaltungen und Pilotprojekten zu Themen, die als deutsche „Exportschlager“ für die anstehenden Aufgaben in Burma/Myanmar bei allen drei Konfliktpartein von besonderem Interesse sind (das föderale System der BRD, verbunden mit Verfassungsrecht und den entsprechenden institutionellen Gliederungen zur Verzahnung von föderaler und bundesstaatlicher Ebene sowie das in Deutschland angewandte Verhältniswahlrecht), könnte schrittweise ein Zugang zur politischen und alltäglichen Realität, zu den Arbeitsbedingungen und der Entwicklungsdynamik des Landes entstehen.

Durch ein solches Engagement in Abhängigkeit von weiteren Reformschritten in Richtung Demokratie wären die Stiftungen darüber hinaus in der Lage, einen Grundstein für eine eventuelle spätere Präsenz im Land oder - im Falle der kleinen Stiftungen - für die Einbindung in die Regionalprogramme zu legen. Damit würde ein Beispiel für die Lebendigkeit und Stabilität einer funktionierenden deutschen Demokratie gegeben, von der (auch) zunächst geglaubt wurde, die Erfahrung von Krieg, Nationalsozialismus und Militarismus sei kaum zu überwinden.

Von Weiterbildungsprogrammen auch für Staatsangestellte bis hin zur Einrichtung einer Umweltbibliothek, das Spektrum der Möglichkeiten ist groß, und das Bemühen um ein „Memorandum of Understanding“ bei den burmesischen Behörden einen Versuch wert, wenn die Arbeitsbedingungen sich für ein relativ unabhängiges Engagement als gegeben erweisen.

Daneben wird empfohlen, dass gerade die politischen Stiftungen, wie bereits von einigen in der Vergangenheit praktiziert, die Interessenvertretung und -formulierung der Minderheiten des Landes im Transformationsprozess stärken helfen. Ihnen kommt eine zentrale Rolle für eine friedliche Lösung der Konflikte in Burma/Myanmar zu. Vor allem die Suche nach gemeinsamen politischen Positionen der Minderheiten, nach „common ground“, würde es dieser dritten, gleichberechtigt zu behandelnden Konfliktpartei ermöglichen, mit einer Stimme zu sprechen und damit ihre Verhandlungsmasse zu stärken.

Notwendigkeit besteht darüber hinaus für Seminare und Konferenzen zu qualitativen Kriterien von Entwicklung, zur Frage des Entwicklungsparadigmas. Veranstaltungen sollten mit der Perspektive der Einbeziehung aller drei Seiten geplant werden, zunächst auch getrennt voneinander, möglicherweise sogar in abgestimmter „Arbeitsteiligkeit“ unter den Stiftungen und schrittweise erweitert um jeweils eine Kraft. Mit solchen Veranstaltungen könnte der Grundstein für die Schaffung ausreichenden Know Hows zu Fragen von Entwicklungspolitik und -finanzierung gelegt werden, an dem es allen Akteuren auf der politischen Bühne des Landes mangelt. Schließlich muss es zu den Zielen sinnvoller Entwicklungspolitik gehören, dass Empfängerländer sich nicht nur durch politische Rahmenbedingungen für Hilfen qualifizieren, sondern dass sie eigenständig qualifiziert über die Notwendigkeit, über sektorale Prioritäten sowie die Verteilung von Hilfen entscheiden können.

Weiterhin würde es durchaus in das Profil von politischen Stiftungen passen, zu einem späteren Zeitpunkt im Land selbst das Thema „Die Zukunft der burmesischen Streitkräfte“ anzugehen, und damit die ohnehin hinter den Toren der Kasernen laufende Diskussion aufzugreifen.

Koordinierung von Hilfen und Geberabstimmung

Koordinierung und Geberabstimmung sind in der gegenwärtigen Situation eine politische Notwendigkeit. Sie könnten, wenn wirksame Gremien einmal geschaffen sind, aber auch eine Chance für den gesamten nachfolgenden Entwicklungsprozess in Burma/Myanmar bedeuten! Es gibt zahlreiche Beispiele für diese Notwendigkeit, auch aus Ländern in der Region: in das post-UN-Land Kambodscha beispielsweise fließen - ohne ausreichende Abstimmung der verschiedenen Geber untereinander - Riesensummen, die bei mehr Geschlossenheit und Abstimmung sowohl politisch als auch bezogen auf Qualität und Prioritäten von Entwicklung wirkungsvoller eingesetzt werden könnten.

Bereits von anderer Seite eingebracht wurde der Vorschlag, sowohl für das Engagement der INGOs als auch das der UN-Agenturen, unabhängige Koordinierungsstellen einzurichten. Diese könnten zum einen dazu dienen, im Land neu ankommende INGOs und UN-Agenturen bzw. deren Mitarbeiter mit Informationen und Erfahrungen aus erster Hand zu versorgen, sie also von den eigenen „Lerneffekten“ profitieren zu lassen. Darüber hinaus könnten hier die Grundlagen für den Umgang mit dem Regime und den anderen Akteuren verbindlich definiert werden, um so zu verhindern, dass „unwissende Neuankömmlinge“ einseitig von der einen oder anderen Partei instrumentalisiert werden. Zudem hätte die Installation solcher Koordinierungsstellen den großen Vorteil, dass auf diese Weise ein verbindlicher und sicherer Rahmen für Geber und Akteure bestehen würde, die sich in Burma engagieren wollen, aber aufgrund der politischen Rahmenbedingungen noch davor zurückschrecken.

Eine solche Koordinations- und Entwicklungsberatungsstelle mit aufzubauen, mit dem notwendigen fachlichen Know How und den Verbindungen zu Fachkräftepools sowie zu multilateralen Finanzinstitutionen zu versehen, könnte Aufgabe eines Trägers wie der GTZ sein, die über jahrzehntelange Erfahrungen nicht nur in den verschiedenen Sektoren, sondern auch mit den vielfältigsten politischen und sozialen Bedingungen von Entwicklung verfügt und dafür flexible Instrumentarien entwickelt hat, die in diesem Zusammenhang zum Einsatz kommen könnten.

  • Zweite Phase: „Demokratieförderndes Engagement“

Die eingangs benannten Phasen für ein Engagement in Burma sind in ihren zeitlichen und inhaltlichen Grenzen fließend. Humanitäre Hilfe und der mit ihr verbundene Aufbau von Strukturen für ihre erfolgreiche Umsetzung besitzt trotz der grundsätzlich anderen Qualität von Entwicklungszusammenarbeit bereits qualitative Elemente derselben, wenn auch noch nicht im dafür vorgesehenen Rahmen bilateraler Abkommen.

Generell sollte die BRD gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft schon heute großzügige Hilfen für den Fall in Aussicht stellen, dass ein Durchbruch auf politischer Ebene erzielt wird. Dies könnte entweder die Ankündigung von Wahlen verbunden mit verlässlichen Anzeichen für die Bereitschaft zur Anerkennung ihrer Ergebnisse sein oder ein anderweitig zustande kommender Regierungswechsel.

Generelle Bedingung

Wünschenswerte Voraussetzung für die Zusage/Freigabe solcher großzügigen Hilfen im Falle eines grundlegenden politischen Reformschrittes ist ein funkionsfähiges Gremium für die Beratung geplanter größerer Entwicklungsvorhaben durch alle drei Partein nach dem Vorbild des bisher abgelehnten sogenannten „Razali-Gremiums“ (siehe oben). Ein solches Gremium diente der Versicherung, dass letztlich alle drei politischen Akteure in Burma/Myanmar die Entscheidungshoheit über Hilfsmaßnahmen haben.

Prinzipiell sind in dieser Phase drei große Herausforderungen zu meistern. Neben einer grundlegenden Reform der Wirtschaft, welche die Unterstützung internationaler Finanzorganisationen wie der Weltbank, des IWF und der ADB erfordern wird, werden die folgenden Bereiche über den Erfolg der Demokratisierungsbemühungen entscheiden.

Demokratisierung und „Zivilisierung“ des Militärs bzw. „Entmilitarisierung“ des Staatsapparates

Bereits während der ersten Schritte auf dem Weg zur Demokratie muss dem burmesischen Militär eine neue Rolle zugewiesen werden - eine strikte Gewaltenteilung nach dem Muster westlicher Demokratien wird wahrscheinlich zunächst nicht durchsetzbar sein. Insbesondere die politischen Stiftungen sowie spezialisierte INGOs könnten hier bei Nachfrage beratend tätig werden bzw. entsprechende Angebote machen. Fest steht bereits heute, dass die Zahl der Soldaten mittelfristig deutlich reduziert werden und eine Wiedereingliederung aus dem Dienst entlassener Soldaten in das Zivilleben unterstützt werden muss. Dafür müssen breit angelegte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aufgelegt werden, um eine nachhaltige Integration entlassener Soldaten ohne unerwünschte Nebeneffekte wie bewaffnete Wegelagerkonsortien zu ermöglichen. Die andere große Herausforderung wird darin bestehen, den Staatsapparat zu reformieren, langfristig möglicherweise auch zu verschlanken, Staatsangestellte den entwicklungs-, wirtschafts- und sozialpolitischen Erfordernissen entsprechend aus- bzw. weiter zu bilden sowie qualifizierte Fachkräfte aus dem Exil in die neuen Strukturen einzubinden.

Demokratisierung der Minderheiten

Das Problem des Autoritarismus ist nicht allein auf die Mehrheitsethnie beschränkt, die unter der direkten Kontrolle des Regimes steht. Auch unter den Minderheiten haben sich unter den Bedingungen des jahrzehntelangen Bürgerkrieges traditionelle autoritäre, hierarchische und zumeist auch patriarchale Formen des Machtausübung eher noch verstärkt. Auch hier müssen demokratische Spielregeln erst erlernt werden. Darüber hinaus wird eine erfolgreiche Konsolidierung der Demokratie in Burma/Myanmar entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, Brücken der Verständigung zwischen Minderheiten und Birmanen zu bauen.

Demokratisierung der Birmanen (ethnischen Burmesen) inklusive der NLD

Im Demokratisierungsprozess wird die Mehrheitsethnie unausweichlich mit der Frage konfrontiert sein, wie eine „burmesische“ Demokratie beschaffen sein soll. Die Erfahrungen aus anderen Transitionsprozessen zeigen, wie schwierig und langwierig dieser Übergang ist, in dem die unbekannten Spielregeln einer Demokratie erst noch vermittelt und verinnerlicht werden müssen. Auch die NLD sowie andere Parteien müssen sich einem parteiinternen Demokratisierungsprozess stellen, verbunden mit einer Verjüngung und stärkeren Einbindung auch von Frauen in die Parteiführungen und in Entscheidungsprozesse. Dabei sollten sie von den deutschen politischen Stiftungen unterstützt werden. Der Bau von Brücken der Verständigung mit den Minderheiten des Landes sowie ihre gleichberechtigte Einbeziehung in Entscheidungen um die Formen des künftigen Staates werden von besonderer Bedeutung für die grundsätzliche Stabilität der Union und die Konsolidierungschancen einer Demokratie in Burma/Myanmar sein.

Neben diesen drei großen Bereichen soll die Aufmerksamkeit abschließend auf vier weitere Problemfelder gelenkt werden, die nach einem Ende bzw. einem Aufweichen des Autoritarismus eine große Rolle spielen werden:

1. Zum einen ist dies der Umgang mit den Kriegs,- Umwelt- (sogenannte Internally Displaced People, IDP) und Wirtschaftsflüchtlingen in Millionenhöhe, die bei einer erkennbaren Liberalisierung in das Land zurückkehren bzw. aus den Nachbarländern abgeschoben werden.

2. Zum anderen birgt die wirtschaftliche Dominanz der ethnischen Chinesen bzw. der von der Bevölkerung als Chinesen identifizierten Wa und Kokang ein enormes Konfliktpotential, das sich bei einem Rückzug des Militärs von der Macht gewaltsam entladen könnte.

3. Eine besonders große Herausforderung wird darin bestehen, unter demokratischen Spielregeln der Drogenproduktion und dem Drogenhandel in den Minderheitengebieten Einhalt zu gebieten bzw. den Produzenten alternative Einnahmequellen zu eröffnen.

4. Schließlich muss das Land im Zuge einer demokratischen Öffnung dabei unterstützt werden, das Problem des Menschenhandels anzugehen, insbesondere den Frauen- und Mädchenhandel, der oft in Verbindung mit Zwangsprostitution in den Nachbarländern vorkommt.

  • Dritte Phase: „Demokratieunterstützendes Engagement“

Welche konkreten Maßnahmen im Falle einer ersten Konsolidierung der Demokratie in Burma/Myanmar anzuraten sind, lässt sich ex ante realistischerweise nicht formulieren. Sicher ist jedoch, dass jedes Engagement in Burma/Myanmar langfristig auszurichten ist. Selbst wenn es zu schnellen Erfolgen in Richtung einer Demokratisierung kommen sollte - womit nicht zu rechnen ist -, so werden Jahrzehnte vergehen, bis die enormen Entwicklungsprobleme des Landes zumindest ansatzweise gelöst sind und Burma/Myanmar Anschluss an die entwickelten Länder der Region findet. Die Herausbildung einer selbstbewussten und sich politisch artikulierenden Zivilgesellschaft als ein wesentlicher Bestandteil von „Demokratie von unten“ braucht ausreichend Zeit.

Es müssen deshalb von Anfang an - selbst in der Phase des vorbereitenden Engagements - dynamische Strukturen entwickelt werden, die „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützen und die Zivilgesellschaft so weit stärken, dass sie die künftige Entwicklung ihres Landes mitbestimmt und von Entwicklungsprojekten nicht nur profitiert, sondern auch daran beteiligt wird. Die Erfahrungen in anderen Ländern der Region, etwa in Kambodscha und Thailand, zeigen, wie schnell Entwicklung zum Projekt einer kleinen Elite werden kann, die sich allzu oft nicht an den Interessen derjenigen orientiert, denen die Entwicklung eigentlich zugute kommen soll. Das Beispiel der starken thailändischen Zivilgesellschaft zeigt, dass sie in der Lage ist, dieser Gefahr entgegenzutreten und nachhaltige Entwicklung für alle einzuklagen.

Burmas/Myanmars Weg in die Demokratie ist lang

Es bleibt zu wünschen, dass die Menschen des Landes mit „vitaler Unterstützung“ der BRD rechnen und von den vielfältigen deutschen Entwicklungsorganisationen und -instrumentarien werden profitieren können.