Verdrängung und Vielfalt – Pakistan vor dem Zerfall
Pakistan gilt vielen als „das gefährlichste Land der Welt", ein Land das islamistischen Terroreinheiten wie Al Qaida Unterschlupf bietet. Das Land mit seinem mächtigen Militärapparat, der zudem im Besitz von Atomwaffen ist, wird als unberechenbar eingeschätzt. Diese Sichtweise auf Pakistan ist nicht falsch, sie ist nur etwas undifferenziert. Denn es gibt auch in Pakistan viele Hoffnungsträgerinnen und -träger, die sich unermüdlich für Demokratie, Menschenrechte und für mehr Gleichheit der Geschlechter engagieren, oftmals unter sehr gefährlichen Bedingungen.
Das vorliegende Buch will ein differenziertes Bild über die komplexen politischen Prozesse und gesellschaftspolitischen Herausforderungen Pakistans für eine größere internationale Öffentlichkeit bieten. Dabei ist es keine leichte Aufgabe, den verschlungenen Weg durch die Geschichte Pakistans seit der Staatsgründung 1947 nachzuzeichnen. Diese Geschichte ist vielschichtig und voller Gegensätze und Widersprüche – das gilt für die Gesellschaft wie für den politischen und wirtschaftlichen Bereich. Die Publikation „Pakistan - Reality, Denial and the Complexity of its State“ versucht sich dem Themenkomplex auf vielfache Weise zu nähern. Indem der Verlauf der pakistanischen Geschichte hier schärfer umrissen wird, können die miteinander verflochtenen Faktoren, die für die heutige Komplexität und Fragilität des pakistanischen Staates verantwortlich sind, deutlich gemacht werden. Dieser Band soll das Wissen über Pakistan vermehren. Die Texte zeigen die Realitäten, Schwierigkeiten, aber auch mit die erheblichen Möglichkeiten des Landes auf.
Demokratie, Entwicklung und Macht in Pakistan
Das erste Kapitel des Journalisten Abbas Rashid widmet sich der sehr schwachen industriellen Basis und den mangelnden menschlichen Ressourcen, die zum Zeitpunkt der Gründung Pakistans vorhanden waren. Der Beitrag wirft einen Blick auf die Schwäche der Zivilgesellschaft und der politischen Institutionen. Dabei erläutert der Autor das Problem, dass die Überstülpung eines zentralstaatlichen Konzepts über einen Bundesstaat Hindernisse in Gestalt provinzieller Autonomie hervorrief. Das hat sich bis heute nicht geändert und stellt eine der größten Herausforderungen für die Einheit der Republik Pakistan dar. Der Autor reflektiert das militärisch-zivile Ungleichgewicht und die militärische Dominanz während der wechselnden Zyklen ziviler und militärischer Herrschaft. Er wirft so ein Schlaglicht auf den gegenwärtigen Stand der Demokratie und der Politik Pakistans. Die Fragen der Identität und der ideologischen Kämpfe dauern von der Gründung bis heute an.
Islamisierung und Radikalisierung
Die Erkundung Pakistans wird fortgesetzt von Rubina Saigol, Wissenschaftlerin und Frauenrechtlerin, die in ihrem Beitrag die Wurzeln der „Islamisierung“ und „Radikalisierung“ in Pakistan herausarbeitet. Nachdem sie die Rolle sowohl der Zivil- wie auch der Militärregierungen und der Zivilgesellschaft im Hinblick auf die „Radikalisierung“ gründlich durchleuchtet hat, beschließt sie die Erörterung der Fakten mit einer Reihe von Vorschlägen für die Verbesserung der Lage.
Politische Parteien und fragmentierte Demokratie
Hasan-Askari Rizvi, Wissenschaftler und politischer Analyst, stellt im dritten Kapitel die verschiedenen politischen Parteien in Pakistan vor. Er erläutert die Grundzüge des Parteiensystems und zeigt dabei ihre demokratischen und undemokratischen, dynastischen und feudalen innerparteilichen Strukturen auf. Vor dem Hintergrund dieser Determinanten analysiert er die Situation der Demokratie in Pakistan sowie ihren Wandel.
Vom Entwicklungsland zum Sicherheitsstaat
Im vierten Beitrag gibt der Wirtschaftswissenschaftler Kaiser Bengali einen detaillierten historischen Überblick zur Wirtschaftspolitik Pakistans und die wirtschaftliche Entwicklung von der Gründung des Staates bis heute. Der Autor macht den Wandel Pakistans von einem Entwicklungsland zu einem Sicherheitsstaat deutlich und kommt zu dem Schluss, dass die Wurzeln der Krise nicht wirtschaftlicher, sondern eher politischer Natur sind.
Pakistans nukleare Geschichte: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Pervez Hoodbhoy, Professor für Physik, stellt in seinem Beitrag die atomaren Doktrinen im Lauf der Jahrzehnte sowie die Gefahren für die Sicherheit von Pakistans atomaren Anlagen dar. Dabei verfolgt er die Geschichte der atomaren Kapazitäten Indiens und Pakistans und beschreibt die eminenten Risiken der regionalen Atompolitik und das Problem der vagabundierenden Atomwaffen („loose nukes“) sowohl auf der politischen wie auf der technologischen Ebene. Dabei entwirft er auch ein plastisches Bild von der Instrumentalisierung des pakistanischen Atompotenzials für die pakistanische Außenpolitik. Es wird noch einmal deutlich, wie überschwänglich der pakistanische Staat und die Gesellschaft den Status als Atommacht begrüßen. Hoodbhoy verschweigt nicht, mit welch exorbitanten Kosten und einem entsprechenden Ressourcenverbrauch dieser Status aufrechterhalten wird. Der Autor beschließt seine Analyse mit einigen Überlegungen zur inneren Logik und den Folgen des Status als Atommacht.
Ein Hoffnungsschimmer: die Anwaltsbewegung in Pakistan
Der Schlussbeitrag gibt einen optimistischen Ausblick auf das demokratische Potenzial Pakistans. Der Journalist Azmat Abbas und Saima Jasam, Mitarbeiter des Büro Lahore der Heinrich-Böll-Stiftung, geben einen Überblick über die Anwaltsbewegung und den Spielraum, den sie allen Teilen der pakistanischen Gesellschaft geöffnet hat. So können wir trotz der historischen Erbschaft Pakistans, der momentanen Radikalisierung, der Militarisierung und der Zersplitterung der Demokratie am Ende doch noch einen Hoffnungsschimmer am Horizont entdecken.
Produktdetails
Inhaltsverzeichnis
7 Vorwort
9 Einleitung
11 Abbas Rashid Die Vergangenheit ist kein fremdes Land: Demokratie, Entwicklung und Macht in Pakistan
41 Rubina Saigol Die Rolle von Klasse und Politik bei der Radikalisierung von Staat und Gesellschaft in Pakistan
73 Hasan-Askari Rizvi Politische Parteien und fragmentierte Demokratie
91 Kaiser Bengali Pakistan: Vom Entwicklungsstaat zum Sicherheitsstaat
119 Pervez Hoodbhoy Pakistans nuklearer Pfad: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
152 Azmat Abbas and Saima Jasam Ein Hoffnungsschimmer: die Anwaltsbewegung in Pakistan
186 Anhang