Heinrich-Boell-Stiftung, Karoline Hutter, Pressesprecherin
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Aachen/Berlin, 14. Oktober 2008
Anlässlich des Welternährungstags fordern das bischöfliche Hilfswerk MISEREOR und die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung in einer gemeinsamen Studie einen umfassenden Kurswechsel in der internationalen Agrarpolitik. Seit über zehn Jahren steigt die Zahl der Hungernden weltweit an. Im Jahr 2008 sind es bereits mehr als 923 Millionen Menschen. Diese Zahl dokumentiere die verfehlte Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte und müsse Anlass genug sein, die Ausrichtung der Landwirtschaft grundlegend zu ändern. Eine Ursache für die weltweit gestiegenen Nahrungsmittelpreise seien die Spekulationen an den Weltbörsen, deren Aktivitäten besser reguliert werden müssen, heißt es in der Studie, die im Auftrag des EcoFair Trade Dialogues veröffentlicht wird. EcoFair Trade Dialogue ist eine gemeinsame initiative von MISEREOR und der Heinrich-Böll-Stiftung.
„Dass sich die Weltbank auf ihrer Jahrestagung am vergangenen Wochenende damit brüstet, 1,2 Milliarden Euro zusätzlich zur Bekämpfung des Hungers zur Verfügung zu stellen, ist angesichts der dramatischen Welternährungssituation eine Farce“, erklärt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. „Wenn innerhalb von wenigen Tagen hunderte Milliarden Euro zur Rettung der Finanzsysteme bewilligt werden, dann kann es nicht sein, dass wir die 20 Milliarden Euro, die die FAO zur Bekämpfung des Welthungers benötigt, seit Jahren zurückhalten.“ Es werde aber nicht nur Geld benötigt, um die weltweite Ernährungssituation zu sichern, sondern es bedürfe vor allem neuer Strategien, die alle Aspekte der Agrar-, Energie-, Wettbewerbs-, Handels- und Investitionspolitik zu einem nachhaltigen Entwicklungsmodell zusammenführen.
„Spekulationen mit Nahrungsmitteln sind ethisch nicht vertretbar, wenn dadurch Millionen von Menschen in den Hunger getrieben werden“, erklärt Bernd Bornhorst von MISEREOR, und fordert eine stärkere Regulierung des Rohstoffhandels, da spekulative Geldanlagen von Hedge- und Indexfonds sonst auch in Zukunft die Agrarrohstoffpreise in die Höhe treiben werden. „Die derzeitige Finanzkrise zeigt, dass der Markt nicht sich selbst überlassen werden kann“, so Bernd Bornhorst. Eine nachhaltige Landwirtschaft habe das Potential, die Ernährung einer steigenden Weltbevölkerung zu sichern. Sie sei daher einer der Hauptwege, die zur Lösung der Nahrungsmittelkrise beschritten werden müssten.
Die Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und MISEREOR unterstreicht, dass es keinen Weg zurück geben dürfe zu den niedrigen Agrarpreisen der letzten Jahrzehnte: Für eine nachhaltige ländliche Entwicklung brauche es keine explodierenden, sondern faire Preise, die die Produzenten für eine nachhaltige Produktionsweise entlohnen. Erst wenn die Preise von Agrargütern die wirklichen sozialen und ökologischen Kosten der Produktion widerspiegeln, seien sie eine „gute Nachricht“ für die Menschen auf dem Land. Damit aber hätten die hohen Preise des letzten Jahres nichts zu tun: Diese führten nur zu mehr Hunger und ökologischen Fehlentwicklungen.
Die Studie kann unter ecofair-trade.de heruntergeladen werden.