Balanceakt: Die politische Positionierung Katars in der Region

Durch Gasexport wurde Katar zum reichsten Land der Welt (2012). Die Postkarte zeigt die Skyline von Doha. Foto: Peregrino Will Reign, Quelle: Flickr, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0 

6. November 2012
Guido Steinberg
Im November/Dezember 2012 findet die jährliche UN-Klimakonferenz in Doha, der Hauptstadt des ebenso kleinen wie energiereichen Emirats Katar statt. Das Land mit rund 2 Millionen Einwohnern verfügt über die drittgrößten Gasreserven der Erde und ist der weltweit größte Lieferant von verflüssigtem Erdgas (LNG). Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, dass ein so wichtiger Gasexporteur, dessen Verbrauch an Kohlenwasserstoffen pro Kopf zu den höchsten in der Welt zählt, ausgerechnet zu einer Konferenz einlädt, bei der es vor allem um die Frage geht, wie diese Emissionen zurückgefahren werden können. Doch entspricht eine solche Vorgehensweise der katarischen Außenpolitik insgesamt, die immer wieder Widersprüche in Kauf nimmt, um die Welt auf sich aufmerksam zu machen. Die UN-Klimakonferenz 2012 ebenso wie die Fußballweltmeisterschaft 2022 und andere Großereignisse sind Teil eines nüchternen Kalküls: Wenn die Welt Katar kennenlernt und Interesse an dem Emirat entwickelt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Staaten wie die USA Doha auch langfristig vor seinen mächtigen und oft feindseligen Nachbarn schützen.

Gastgeber für Großereignisse und politische Vermittler

Katars Außenpolitik ist seit jeher das Ergebnis eines schwierigen Balanceaktes. Sie beruht auf einer insbesondere seit den 1990er Jahren engen sicherheitspolitischen Bindung an die USA, die es durch den Versuch ergänzt, auch zu Iran und seinen Verbündeten im Nahen Osten gute Beziehungen zu unterhalten. Diese Politik brachte das Emirat seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre in einen Gegensatz zu Saudi-Arabien und in der Region in einer Vermittlerposition, die es durch die Teilnahme an Verhandlungen im Libanon, Jemen, Palästina, Sudan und Afghanistan auszufüllen suchte.

Die enge Bindung an die USA ist für Katar alternativlos, weil es sich nicht selbst verteidigen kann. Seit 2003 unterhält das US-Militär im katarischen Al-Udaid ihren wichtigsten Luftwaffenstützpunkt im Nahen Osten und garantiert die Sicherheit des Emirats. Als größte Bedrohung sieht die katarische Führung Iran, dem sie eine aggressive Hegemonialpolitik in der Golfregion unterstellt. Dabei befindet sie sich in einem Dilemma: Einerseits fürchtet Doha, dass Teheran Atomwaffen entwickelt. Andererseits sorgt es sich, dass ein amerikanischer oder israelischer Angriff auf die iranischen Atomanlagen zu Vergeltungsschlägen in Katar führen könnte.

Im Ergebnis bemüht sich Katar also trotz seiner engen Bindung an die USA, die Islamische Republik nicht unnötig zu provozieren und immer im Dialog mit ihr zu bleiben. Gleichzeitig versuchte Doha, durch Vermittlungsbemühungen drohende oder bereits ausgebrochene Konflikte zwischen Iran und seinen Verbündeten einerseits und ihren Gegnern andererseits zu entschärfen. So bemühte sich Katar bis Frühsommer 2011 immer um gute Beziehungen zu Syrien.

Klare politische Positionen: Katar und der arabische Frühling

Ein wichtiges Instrument dieser katarischen Politik war der 1996 mit staatlicher Finanzierung gegründete Fernsehsender Al-Jazeera, der sich schnell als populärstes Medium der arabischen Welt etablierte. Mit hoher journalistischer Professionalität und seiner verhältnismäßig freien Berichterstattung, die vielen oppositionellen Stimmen ein Forum bot, wurde das bis dahin weithin unbekannte Doha zu einer wichtigen Adresse in der Politik der Region. Der Sender unterstützte den Anspruch der Führung in Doha auf eine Mittlerposition in der Region und machte das Emirat darüber hinaus weltweit bekannt.

Die katarische Führung folgt weiterhin diesen Grundlinien, auch wenn sie seit 2011 immer mehr vom Vermittler zum parteilichen Akteur geworden ist – insbesondere seit sie sich offen gegen das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad gestellt hat, indem Doha die Aufständischen nicht nur politisch, sondern auch mit Geld und Waffen unterstützt. Der Emir Hamad b. Khalifa dürfte sich bewusst sein, dass das Verlassen der Mittlerposition in einem so wichtigen Konflikt den Zorn Teherans schüren könnte. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, sich dem Westen als wichtiger Verbündeter anzudienen.

Diesem Zweck dienen auch die zahllosen Konferenzen, die in den letzten Jahren in Doha stattgefunden haben und von denen die diesjährige UN-Klimakonferenz die vielleicht wichtigste ist. Dass die Konferenz in Katar stattfindet, ist insofern folgerichtig, als Klimapolitik nur gemeinsam mit den großen Energieproduzenten gemacht werden kann. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die katarischen Interessen nicht mit effektivem Klimaschutz zu vereinbaren sind. Doha geht es in erster Linie darum, sein Gas langfristig zu für Produzenten wie Konsumenten akzeptable Preise zu verkaufen. In der Klima- und Energiepolitik gilt deshalb, was auch für die politischen Beziehungen zu Katar gilt: Es ist ein schwieriger Partner, dessen Interessen oft nur oberflächlich mit denen Deutschlands und Europas im Einklang sind. Nichtsdestotrotz ist Katar ein Partner, und ein immer wichtigerer noch dazu.

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Dr. Guido Steinberg ist Teil der Forschungsgruppe 'Naher / Mittlerer Osten und Afrika' in der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

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