50 Jahre "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"

Vor fünfzig Jahren, im Sommer 1974, erschien Heinrich Bölls lange Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“. Der Text erschien zunächst im SPIEGEL in vier Folgen. Das Echo war enorm. Und es reicht bis heute. Das liegt nicht nur an der Brisanz und Aktualität der Erzählung, sondern auch an Volker Schlöndorffs gelungener Verfilmung mit Angela Winkler und Mario Adorf ein Jahr später.

Heinrich Böll setzt sich in seiner Erzählung mit den Machenschaften eines leicht identifizierbaren Massenblattes auseinander, dem er in der Zeit des Terrorismus selbst einen gefährlichen Missbrauch von Medienmacht vorwirft. Böll befand später, dass er sich bei der Erzählung nur eins vorzuwerfen habe: nämlich, dass dieses Buch fast zu harmlos sei.

Aktuelle Veranstaltungen

FILMINFO

Drama I Deutschland 1975 I 106 min I ARTHAUS
Regie: Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta
Drehbuch: nach der Literaturvorlage von Heinrich Böll

EXTERNE VERANSTALTUNGSTIPPS

30.09.2024 I 20 Uhr I Karl Rahner Akademie Köln
Gespräch über Wirkung und Aktualität eines Erfolgsromans
» frank & frei: "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"

15.11.2024 I 20 Uhr I Vagantenbühne, Berlin
Heinrich Bölls Erzählung als Live-Interview mit Katharina Blum – fünfundzwanzig Jahre nach ihrer Tat!
» Weitere Termine / Tickets

VERLAG KIEPENHEUER & WITSCH

Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Leseprobe I Buchbestellung (KiWi)

ARTE

ARTE wird im Herbst einen Film über Katharina Blum ausstrahlen. Den Link gibt es in Kürze auch hier.

Neu!!!

Bald hier zu finden...

Im Oktober erscheint ein Video-Interview mit René Böll zu Katharina Blum.

Außerdem entsteht gerade der Essayband  "... Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann".

Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen.
Heinrich Böll, In einem Interview 1974

Trailer

Darsteller: Angela Winkler, Dinkler Laser, Mario Adorf, Jürgen Prochnow

Manuskriptseite "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", © Erbengemeinschaft Heinrich Böll

“… Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann.”

Vor fünfzig Jahren schrieb Heinrich Böll „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann”. Im Kern der Erzählung könnte auf den ersten Blick eine Liebesgeschichte während der Kölner Karnevalstage sein.

Die Protagonistin Katharina Blum lernt einen jungen Mann, Ludwig Götten, kennen und verbringt einen One-Night-Stand mit ihm. Am nächsten Morgen verhilft sie ihm zur Flucht, weil er des Mordes und des Diebstahls verdächtigt wird.

Doch mit dieser neuen Liebe treten auch die Polizei, die Staatsanwaltschaft und Vertreter der Boulevardpresse massiv in Katharinas geordnetes Leben. Krude Verhörmethoden und Verdächtigungen, das Zusammenspiel von Polizei und Boulevardpresse, die durch die Verbreitung von “Fake News” Katharinas Leben skandalisiert, zerstören innerhalb von vier Tagen Katharinas bisheriges Leben. Die Spirale der Anschuldigungen zieht Kreise und erfasst auch Katharinas unmittelbares Umfeld.

Heinrich Böll entfaltet in der Erzählung sichtbare und unsichtbare Gewalterfahrungen.

In der Zeit von Februar bis April 1974 schrieb Heinrich Böll an diesem Schreibtisch in Langenbroich die Erzählung.  

Die Erzählung trifft den Nerv der 1970er Jahre und findet einen ungewöhnlichen Publikationsort:

"Zum ersten Mal seit seinem Bestehen veröffentlicht der Spiegel ein, wie man so sagt, belletristisches Werk."

Schrieb Rudolf Augstein in der editorischen Notiz, als die Erzählung am 29. Juli 1974 in vier Teilen im Spiegel erschien.

Arbeitszimmer von Heinrich Böll (Fotograf: René Böll © Samay Böll)
Abonnement-Exemplar des Spiegels Nr. 31 29. Juli 1974 von Heinrich Böll

Eine Liebesgeschichte in einem Nachrichtenmagazin?

Die Erzählung ist einerseits unmittelbar mit dem Zeitgeschehen der 1970er Jahre verwoben. Die freiheitlich demokratische Grundordnung wurde durch den Terror der RAF und die daraus resultierende Angst und öffentliche Hysterie angegriffen.

Andererseits sind die drei zentralen Fragen der Erzählung nach dem inneren Demokratisierungsprozess, erstens dem Spannungsverhältnis zwischen den im Grundgesetz verankerten Werten und der gelebten Demokratie, zweitens der Pressefreiheit und dem Schutz der individuellen Würde und drittens die Gewaltenteilung und sprachlicher Gewalt bis zum heutigen Tag relevant.

Bereits im Mai 1974 kündigte der Düsseldorfer Express an, dass das neue Buch “Die verlorene Ehre der Katharina Blum” im Juli mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren im Verlag Kiepenheuer und Witsch erscheinen wird, die unmittelbar danach schon vergriffen war.

Der Stoff wurde 1975 von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta verfilmt. Der Film gehörte zu den erfolgreichsten deutschen Produktionen.
Die Erzählung wird bis zum heutigen Tag von Theatern inszeniert.

Cover der Erstausgabe 1974
Goldenes Taschenbuch für über eine Millionen verkaufte Exemplare, 1981

Im Rahmen des 20jährigen Bestehens des Deutschen Taschenbuch Verlags (dtv) wurde am 25. September 1981 Heinrich Böll das Goldene Taschenbuch für über eine Millionen verkaufte Exemplare überreicht.

"Es gibt in dieser Erzählung nicht einen einzigen Terroristen, auch keine Terroristin; was es allerdings gibt, das sind des Terrorismus Verdächtige, und ich bin der bescheidenen Meinung, [man] könnte den Unterschied kennen zwischen einem Verdächtigen und einem Überführten kennen. (...) und wohin die Gewalt von Schlagzeilen führen kann, darüber wissen wir nur wenig."

So Heinrich Böll in seinem Nachwort zur Neuausgabe des Taschenbuchs 1984.

Podcast

Deutschlandfunk I Kalenderblatt I 29.07.2024 I 5 Min.

Weitere Links zum Reinhören

Video-Interview

Journal-Interview mit Volker Schlöndorff, Filmregisseur | Journal-Interview (englisch)

Journal Interview with Volker Schlöndorff, Film Director | Journal Interview - DW News

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