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Das zweite ASEAN People Forum 2012: Transparenz, Mitspracherecht und Integration?

Lesedauer: 7 Minuten
Improvisation nach Verlegung des Veranstaltungsortes: Teilnehmer der zweiten Konferenz des ASEAN People Forums. Foto: Elaine Haller

4. Dezember 2012
Kurz vor dem historischen Südostasien Besuch des neu gewählten US-Präsidenten Obama und dem 21. ASEAN Summit fand das zweite ASEAN Peoples Forum (APF) / ASEAN Zivilgesellschaftskonferenz (ACSC) 2012 in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh statt. Wie bereits beim ersten APF in Phnom Penh im März 2012 deutlich wurde, war zu erwarten, dass sich die kambodschanische Regierung nicht unterstützend und offen gegenüber den Delegierten der Zivilgesellschaft der zehn ASEAN Mitgliedsstaaten verhalten würde. Bereits im März wurde die Konferenz von den kambodschanischen Autoritäten behindert, Workshops und Dialoge zu brisanten Themen wie etwa Landgrabbing wurden unterbunden.

Das APF fand vom 14.-16.November 2012 statt und wurde von mehr als 500 aktiven Teilnehmern als Austauschform genutzt, jedoch war die Teilnehmerzahl weitaus geringer als noch im März. Die Mehrheit der Teilnehmer stammte aus der Region mit einer hohen Anzahl an Kambodschanern und Kambodschanerinnen und auch das Nachbarland Thailand war stark vertreten, aber auch Delegierte aus Afrika, der EU und den USA waren angereist. Die vergleichsweise geringere Teilnehmerzahl ist darauf zurückzuführen, dass zur selben Zeit neben dem offiziellen APF weitere Treffen, Konferenzen und Workshops in und um Phnom Penh durchgeführt wurden, so etwa die Grassroots People Assembly. Das Grassroot Treffen wurde von Farmern, Fischern, Forst-, Land-, Umwelt-, Gender- und Gewerkschaftsaktivisten sowie Schriftstellern und Künstlern besucht. Ein direkter Informationsaustausch und Kooperation mit anderen Veranstaltungen und Konferenzen fand leider nicht statt.

Organisatorische Schwierigkeiten und die Rolle der kambodschanischen Regierung

Trotz der Erfahrung des letzten APF sollte es diesmal zu weiteren Komplikationen kommen. Der im Vorfeld reservierte Veranstaltungsort musste zweimal verändert werden. Beide Male wurden die Vermieter des Veranstaltungsorts von der kambodschanischen Regierung bedroht. So musste am Abend vor der Konferenz ein neuer Ort gefunden werden, was dazu führte, dass die Konferenz kurzfristig auf das Gelände eines Kinderheimes außerhalb der Stadt unter freiem Himmel verlegt werden musste. Am Morgen der Konferenz wurde damit begonnen, Zelte aufzustellen und Stühle herbei zu bringen, was zu einer Verzögerung und Veränderung des Programms führte. Trotz allem waren gegen Nachmittag mehr als 500 Teilnehmer versammelt und im Laufe der nächsten beiden Tage wurde der Veranstaltungsort mit weiteren Einrichtungen und einer mobilen Küche versehen. Das in der nationalen Regierung verankerte Recht auf Versammlung und freie Meinungsäußerung wurde von den kambodschanischen Behörden beschnitten.

Fundamentale Rechte vs. Bürgerliche Pflichten

Die ASEAN Menschenrechtsdeklaration, die am 19. November während des ASEAN Summits unterzeichnet werden sollte, war einer der Schwerpunkte der Diskussion, wie auch bereits beim ersten APF 2012. Die Deklaration liegt nach Aussagen von Vertretern der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsexperten der UN weit unter bereits existierenden Deklarationen. Es wurde sich eindeutig gegen die Zustimmung der unter Ausschluss der Öffentlichkeit verfassten Deklaration ausgesprochen. Ein Statement, welches von fast 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen unterzeichnet wurde, kritisiert die Deklaration als vorgefertigte Rechtfertigung von Verletzung von Menschenrechten. Einige fundamentale Rechte und Freiheiten fehlten, und scheinen durch nationale Pflichten der Bürger ersetzt worden zu sein. Die in der Deklaration beinhaltete Rechtfertigung und Einschränkung von Rechten durch regionale und nationale Kontexte sowie  nationale Gesetze lasse keinen Raum für ASEAN-weite Menschrechte, wie sie in anderen Deklarationen gewährleistet sind.

Des Weiteren wurde die Wichtigkeit der Bürger aller ASEAN Mitgliedstaaten betont und deren Mitspracherecht auf politischer Ebene gefordert. Kritisiert wurde ASEAN wegen seiner Marktwirtschafts-orientierten Ausrichtung, die die angestrebte Integration der ASEAN Economic Community (AEC) bis 2015 in den Vordergrund stellt und nicht genug Raum und Wichtigkeit für Mitsprache der Zivilgesellschaft lässt.
Die ASEAN Menschenrechtsdeklaration wurde auch in anderen thematischen Workshops des APF thematisiert. Die Richtlinien (TOR) der ASEAN Inter-Governmental Commission on Human Rights (AICHR) wurde im Hinblick auf deren geplante Überarbeitung in 2014 untersucht und es wurde sich für mehr Transparenz, Unabhängigkeit, und Einmischung ausgesprochen. Jedoch ist sich die Zivilgesellschaft auch bewusst geworden, dass sie neue und kreativere Wege finden muss, die problematische AICHR auf nationaler Ebene anzusprechen.

Im Workshop zu Rechten von LGBT wurde diese Deklaration als Manifestation von Diskriminierung gegenüber Personen mit nicht heterosexueller Orientierung beschrieben, die durch die sofortige Anerkennung von LGBT sexueller Orientierung und Geschlechteridentität (SOGI) zu ändern sei. Außerdem sollten Mechanismen auf regionaler Ebene etabliert werden, und die bereits bestehenden Instrumente zum Schutz von Menschenrechten überarbeitet werden. Diese Forderungen waren bereits auf dem APF im März vorgetragen worden.

Konkrete Forderungen der Zivilgesellschaft

Die konkreten Forderungen, die während des APF erarbeitet wurden und an die nationalen Vertreter von ASEAN in Form von Statements weitergeleitet wurden, liegen vor allem im sozio-kulturellen und wirtschaftlichen Raum, jedoch wurden in konkreten Fällen auch Umweltproblematiken und Sicherheitspolitik angesprochen.

Die Bedeutung von nachhaltiger Wirtschaft und verantwortlicher Entwicklung wurde in Workshops zum Thema Ernährungssicherung, Land- und Meeresgrabbing und natürlichen Ressourcen deutlich gemacht. Besonders kritisiert wurde das wirtschaftliche Modell von ASEAN und die zunehmende Liberalisierung und Investition durch internationale Unternehmen, die zunehmendes Landgrabbing zur Folge hat. Die Nutzung von natürlichen Ressourcen soll - laut Zivilgesellschaft - den Bürgern des extrahierenden Landes zugutekommen anstatt multinationalen Unternehmen und Regierungen. Vorgeschlagen wurde, dass die ASEAN-Länder der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) beitreten und dadurch mehr Transparenz und Informationszugang gewährleistet wird.

Neben der Integration von Rechten für Frauen, Kinder, Minderheiten und LGBT wurden der Schutz und die Rechte von Arbeitern und Arbeiterinnen und Arbeitsmigranten und –migrantinnen in den Vordergrund gestellt. Im Zuge der angestrebten ASEAN Economic Integration (AEC) müsste die Sicherheit, die Arbeitsbedingungen und die Rechtssicherheit von Arbeitern und Arbeiterinnen gewährleistet werden. Deshalb fordert die Zivilgesellschaft ein neues ASEAN-weites Arbeitsgesetz, das besonders Rechte von Migranten und Migrantinnen, Frauen und Familien beinhalte.

Forderungen im sozio-kulturellen Bereich thematisierten Menschenhandel und Arbeitsbedingungen in der Sexindustrie. Hier sprach sich die Zivilgesellschaft für die Verantwortlichkeit der nationalen Regierungen und die Anerkennung von internationalen Standards bezüglich Menschenhandels aus, sowie für Kampagnen, die die Öffentlichkeit über die Problematik aufklären sollen.

Weitere Themen: Myanmar und freie Wahlen

Ein Workshop war der Konfliktsituation im Arakan Staat in Myanmar gewidmet, wo es seit Juni 2012 zu Gewalt zwischen der Minderheitsgruppe der muslimisch stämmigen Rohingya und Rakhine Gemeinden kommt. Der Konflikt hat bisher mehrere hundert Tote und mehrere tausend Vertriebenen gefordert. Ein direkter Lösungsansatz konnte während des Workshops nicht gefunden werden, aber es wurde sich für die Notwendigkeit von Dialog, Rechtsstaatlichkeit und angemessenes Eingreifen der Regierung ausgesprochen. Ausländische Journalisten müsste es erlaubt werden, den Arakan Staat zu bereisen und über den Konflikt zu berichten, jedoch wurden die nationalen Medien dazu aufgerufen, objektiv zu berichten, um den Konflikt nicht weiter anzufachen.

Menschenrechte sind eng mit Demokratie verbunden, deren Voraussetzung wiederum freie und faire Wahlen sind. Eine wichtige Forderung der Zivilgesellschaft war daher, dass in Ländern mit Einparteiensystemen und Militärregierungen die rechtlichen Grundlagen für Wahlen zu schaffen seien, um die universelle Beteiligung aller Bürger an politischen Prozessen, besonders aber von Minderheiten, Frauen und anderen unterdrückte Gruppen, in der Gesellschaft zu gewährleisten. Desweiteren sollten Wahlkampagnen friedlich, frei und fair abgehalten werden können, und Medien unparteiisch Bericht erstatten.

Ähnliche Thematiken wurden auch auf der ASEAN Grassroots People Assembly diskutiert und in einem Statement vorgetragen. Schwerpunkte lagen hierbei auf dem formalen und informellen Arbeitssektor und Arbeitsmigranten, Landgrabbing, Nahrungssicherheit und Herrschaft, Handel und Investitionen sowie Menschenrechten und Demokratie.

Brunei 2013

Im nächsten Jahr wird das ASEAN Peoples Forum in Brunei stattfinden, dem Gastgeberland des 22. ASEAN Summits. Bis dahin muss beobachtet werden, ob und in wie weit die nationalen Regierungen und Vertreter von ASEAN die Empfehlungen und Problematiken, die von der Zivilgesellschaft vorgetragen wurden, ernst nehmen und gegebenenfalls umsetzen. Momentan ist die Zivilgesellschaft damit beschäftigt, einen geeigneten Mechanismus zu entwickeln, mit dem die Umsetzungen der Forderungen überprüft werden kann.

Trotz der geringeren Beteiligung, logistischen Probleme und Einschränkungen durch die Regierung ist die Stimme der Zivilgesellschaft in ASEAN nicht ungehört geblieben.

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Weiterführende Links:
Joint Statemend of the 2nd ASEAN Civil Society Conferenc
Joint Statement: Civil Society Denounces Adoption of Flawed ASEAN Human Rights Declaration

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Elaine Haller ist Mitarbeiterin im Regionalbüro Südostasien, Bangkok.