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Kurzbiografien der deutsch-israelischen Literaturtage 2012

Lesedauer: 7 Minuten

3. April 2012
Foto: Guy Gilad

Lizzie Doron

Lizzie Doron, geboren 1953 in Tel Aviv, lebte in einem Kibbuz auf den Golanhöhen, bevor sie Linguistik studierte und lehrte. Dorons erstes Buch Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen? (2004) ist eine Hommage an ihre Mutter und zählt in Israel inzwischen zur Schullektüre. Der Roman Ruhige Zeiten (2005) wurde mit dem von Yad Vashem vergebenen Buchman-Preis ausgezeichnet. Für ihr Gesamtwerk erhielt die Schriftstellerin 2007 den Jeanette Schocken Preis. Das Schweigen meiner Mutter (2011) ist Dorons bisher persönlichstes Buch und schildert die schmerzhafte Spurensuche einer Frau nach ihrem Vater.

  • Wenn ich Familie neu erfinden müsste ... Ich mag das Konzept, aber vielleicht sollten wir zur Sicherung der Zukunft die Menschen dazu bringen, jemanden zu heiraten, mit dem sie nicht die gleiche Religion, die gleiche Nationalität oder die gleiche ethnische Gruppe teilen. Vielleicht rettet uns dieses Familienkonzept vor Hass und dem Ausschluss des Anderen, der nicht ist wie ich?

Foto: Thomas Andenmatten

Thomas Hettche

Thomas Hettche, geboren 1964 in Treis, studierte Germanistik und Philosophie in Frankfurt am Main. Er war lange Jahre Juror des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt, gab 1999 die Online-Anthologie NULL heraus und schreibt regelmäßig für FAZ und NZZ. Seit 1989 sind viele Buchpublikationen von ihm erschienen, darunter der Roman Woraus wir gemacht sind (2006) und Fahrtenbuch 1993-2007 (2007), eine Auswahl von Essays, Feuilletons und Reportagen. Die Liebe der Väter erschien 2010 und zählt zu Hettches persönlichsten Büchern. Er ist Mitglied des deutschen P.E.N. und wurde u.a. mit dem Robert-Walser-Preis, dem Rom-Preis der Villa Massimo und dem Premio Grinzane Cavour geehrt.

  • Wenn ich Familie neu erfinden müsste, würde ich gewiss nicht die Familie, wohl aber die Welt um sie herum neu erfinden.
    Foto: Peter-Andreas Hassiepen

    Olga Grjasnowa

    Olga Grjasnowa, geboren 1984 in Baku, Aserbaidschan, wuchs im Kaukasus auf und lebt seit 1996 in Deutschland. Längere Auslandsaufenthalte in Polen, Russland und Israel. Von 2005–2006 studierte sie Kunstgeschichte an der Universität Göttingen, von 2006-2010 folgte ein Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Für ihr Debütstück Das bisschen Palästina wurde sie 2010 mit dem Dramatikerpreis der Wiener Wortstätten ausgezeichnet. Ein Jahr darauf erhielt sie das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung. Derzeit studiert Grjasnowa Tanzwissenschaften an der Freien Universität Berlin.
    Foto: Heike Bogenberger

    Christopher Kloeble

    Christopher Kloeble, geboren 1982 in München, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Beiträge von ihm erschienen u.a. in der ZEIT, der Süddeutschen Zeitung und der taz. Sein erstes Spielfilm-Drehbuch Inklusion wurde 2011 verfilmt. Sein Romandebüt Unter Einzelgängern erschien 2008 und wurde mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung ausgezeichnet. 2009 folgte der Erzählband Wenn es klopft. Sein zweiter Roman Meistens alles sehr schnell wurde im März 2012 veröffentlicht.

    • Wenn ich Familie neu erfinden müsste, würde ich das meiner Mutter überlassen.

    Dirk Kurbjuweit

    Dirk Kurbjuweit, geboren 1962 in Wiesbaden, studierte Volkswirtschaftslehre; danach besuchte er die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. 1988 erhielt Kurbjuweit von der Heinz-Kühn-Stiftung ein Auslandsstipendium in Sambia. Von 1990 bis 1999 war er Redakteur bei der ZEIT, dann Reporter beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Kurbjuweit veröffentlichte bislang fünf Romane, von denen drei verfilmt wurden, sowie Dreh- und Sachbücher. Der Roman Nachbeben erschien 2004, es folgten Nicht die ganze Wahrheit (2008) und Kriegsbraut (2011). Sein literarisches Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Er erhielt verschiedene Preise, darunter den Egon-Erwin-Kirsch-Preis (1998 und 2002) und den Medienpreis Politik des Deutschen Bundestages.
    Foto: Moti Kikayon

    Eshkol Nevo

    Eshkol Nevo, 1971 in Jerusalem geboren, wuchs in den USA und Israel auf, wo er Psychologie an der Universität Tel Aviv studierte. Er arbeitete zunächst als Werbetexter und unterrichtet heute creative writing. Sein Erzählband Vier Häuser und eine Sehnsucht stand über eineinhalb Jahre auf der israelischen Bestsellerliste und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Golden Book Prize und dem Raymond Wallier-Preis des Salon du Livre in Paris. 2008 wurde Nevo von der Israel Cultural Excellence Foundation als Chosen Artist geehrt, einer der höchsten israelischen kulturellen Auszeichnungen. Bei den Literaturtagen wird er erstmals übersetzte Passagen aus seinem neuen Bestseller Neuland vorstellen, der in Berlin und Südamerika spielt und 2013 in Deutschland erscheinen wird.

    • Wenn ich Familie neu erfinden müsste ...Verzeih, ich bin schon genug damit beschäftigt, meine drei Töchter von einem Ort zum anderen zu fahren, um über ein neues Familienkonzept nachzudenken. Darüber hinaus schlief ich letzte Nacht nicht besonders gut. Mitten in der Nacht war die Jüngste durstig, und nachdem ich ihr ein Glas Wasser ans Bett gebracht habe, wollte sie eine Geschichte hören. Ich flüsterte die Geschichte nur, trotzdem wachte die Älteste auf. Schließlich waren alle wach, und wir sahen uns gemeinsam an, wie die Sonne aufging. Ich bin noch dabei, das herkömmliche Familienkonzept zu verstehen (und zu überleben). Stell’ mir am besten noch einmal diese philosophische Frage. Sagen wir in zehn Jahren?

    Amichai Shalev

    Amichai Shalev, geboren 1973 in Holon/Israel, studierte Geschichte und Literatur an der Universität Tel Aviv und Szenisches Schreiben an der Camera Obscura School of Art. Er arbeitet als Redakteur und als Verlagslektor. Darüber hinaus unterrichtet er creative writing und schreibt neben Gedichten Kolumnen für die Zeitung Maariv. Bei den deutsch-israelischen Literaturtagen stellt Shalev seinen zweiten Roman The Mentals (2010) vor. Sein neues Buch Big Girl ist im März 2012 in Israel erschienen und wird von der Kritik bereits gefeiert.

    • Wenn ich Familie neu erfinden müsste, würde wohl mein Kopf explodieren.
      Foto: privat

      Arye Sharuz Shalicar

      Arye Sharuz Shalicar, geboren 1977 in Göttingen, stammt aus einer Familie persischer Juden. Er war nach dem Abitur als Sanitäter bei der Bundeswehr und wanderte 2001 nach Israel aus. Dort absolvierte er an der Hebräischen Universität Jerusalem das Bachelorstudium Internationale Beziehungen, Nahostgeschichte und Politik absolvierte sowie im Anschluss ein Masterstudium der European Studies. Von 2006 bis 2009 arbeitete er für The Jewish Agency for Israel, danach für das Nahost-Studio der ARD in Tel Aviv. Sharuz Shalicar ist ehrenamtlich Vorsitzender der Organisation junger deutschsprachiger Einwanderer in Israel (NOAM) und seit Oktober 2009 Pressesprecher der israelischen Armee (IDF).

      • Wenn ich Familie neu erfinden müsste, würde ich meine jetzige Familie als Erfolgsbeispiel nehmen.

       Foto: Eyal Tzadik

      Sara Shilo

      Sara Shilo, Jahrgang 1958, stammt aus einer Familie irakisch-syrischer Einwanderer. Sie war zunächst als Sozialarbeiterin tätig, bevor sie ein Puppentheater gründete und 15 Jahre lang leitete. Shilo hat mehrere Kinderbücher geschrieben. Zwerge kommen hier keine (2009) ist ihr erster Roman für Erwachsene, der die israelischen Bestsellerlisten über Monate hinweg anführte. Das Buch wurde bislang in sieben Sprachen übersetzt und gewann u.a. den Minister of Education Prize und den Sapir-Preis, Israels höchste literarische Auszeichnung. Shilo lebt mit ihrer Familie in Nord-Galiläa, unweit der libanesischen Grenze.

      • Wenn ich Familie neu erfinden müsste, würde ich in die Zukunft und in die Vergangenheit blicken. Ich würde versuchen zu erkennen, was im Leben von Familien erfolgreich und gut war, während ich gleichzeitig nach vorne schaue. Aus meiner Sicht ist sehr wertvoll, jedem Angehörigen, jedem Familienmitglied mit Toleranz, Flexibilität und Kreativität zuzuhören. Gesellschaftliche Erwartungen sollten hingegen ignoriert werden.
      Foto: Sueli Tolub

      Yotam Tolub

      Yotam Tolub, Sohn einer Familie französisch-brasilianischer Einwanderer, ist 1978 in Frankreich geboren. Er wuchs in Israel und zeitweise in den USA auf. Tolub studierte Jura und Kulturwissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem und absolvierte ein Master in Gerontologie. Darüber hinaus belegte er den Studiengang Szenisches Schreiben an der renommierten Sam Spiegel Film & Television School Jerusalem. Als Anwalt arbeitet er für Bizchut, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung in Israel einsetzt. In Berlin stellt Tolub seinen ersten Roman He Who Waits (2009) vor.

      • Wenn ich Familie neu erfinden müsste, würde ich dem Ganzen einfach etwas Amnesie hinzufügen. In Familien verführen Erinnerungen dazu, an heilenden Wunden zu kratzen.