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Chodorkowski-Debatten zur Modernisierung Russlands

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Die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise hat die politische Stabilität Russlands erschüttert. Deutlich wurde die Verletzlichkeit eines Wirtschaftsmodells, das fast ausschließlich auf den Rohstoffreichtum des Landes setzt, sowie eines Politikmodells, das sich allein auf die Popularität seiner obersten Führung stützt. Die im Rahmen der Modernisierungsanstrengungen eingeleiteten Maßnahmen tragen meist technischen und administrativen Charakter. Die erneute Verurteilung von Michail Chodorkowski und Platon Lebedew sowie die Umstände ihres Zustandekommens wirken als klares Signal, dass mit einem demokratischen Frühling vorerst nicht zu rechnen ist.

Auf Initiative namhafter russischer Intellektueller werden seit 2007 halbjährlich in Moskau die sog. „Chodorkowski-Debatten“ organisiert. Sie unterstützen Vertreterinnen und Vertretern des demokratischen und liberalen Spektrums, aus Think Tanks und Zivilgesellschaft bei der Suche nach Auswegen aus der Stagnation.

Arseni Roginski von der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ aus Moskau und Mitinitiator der Chodorkowski-Debatten erläutert, wie die Debatten zu ihrem Namen kamen:

  • „Die Idee zu den Chodorkowski-Debatten kam uns, einer Gruppe von Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, im Frühjahr 2007. Chodorkowski war damals im Gefängnis in Tschita, ihm war gerade seine neue Anklage vorgelegt worden. Und unsere Gesellschaft hatte die JUKOS-Gerichtssache schon fast vergessen, war in Apathie verfallen. Wir wollten an Chodorkowski erinnern, nicht nur an ihn als Menschen, dessen Rechte verletzt werden – darüber hatten Menschenrechtler schon viel geredet – sondern vor allem an den Chodorkowski, der auch in seiner Zelle nicht aufhört, nachzudenken und zu schreiben. Er schafft es, seine Artikel zu veröffentlichen. In diesen Artikeln untersucht er viele wichtige und interessante Probleme. Zu diesen Problemen sowie zu den Fragen, die sein persönlicher Weg aufwirft, wollten wir eine Konferenz organisieren. Diese Konferenz nannten wir „Russische Alternative: Chodorkowski-Debatten ("Российская альтернатива. Ходорковские чтения").
  • Die Chodorkowski-Sache ist symbolisch für dieses Regime, vielleicht die symbolischste des letzten Jahrzehnts. Sie betrifft natürlich nicht nur das Schicksal eines einzelnen Menschen, sondern ein ganzes Bündel von Problemen unseres Landes. Ich denke auch, dass das grausame Urteil nicht einfach so gefällt wurde. Ich glaube, dass hier eine Abhängigkeit sichtbar wurde: Solange Chodorkowski im Gefängnis bleibt, wird das alte Regime, das im Jahr 2000 an die Macht kam, weiterexistieren. Wenn Chodorkowski irgendwann freigelassen wird, dann bedeutet das, dass das Regime sich verändert hat.“  

Die Heinrich-Böll-Stiftung und der Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Andreas Schockenhoff, haben am 16. März 2011 erstmalig die Chodorkowski-Debatten nach Berlin eingeladen, um die in Moskau geführte Reformdebatte der deutschen, an Russland interessierten Öffentlichkeit vorzustellen: „Russland - Modernisierung oder Stagnation?“
 

Zwei der gehaltenen Vorträge finden Sie hier als PDF in deutscher Sprache (Übersetzung Hartmut Schröder):

 

 
Ebenfalls zum Herunterladen die Audioaufzeichnung der Veranstaltung (in Originalsprache - deutsch und russisch – und ungekürzt):

 
Am 26.10.2011 finden die Chodorkowski-Debatten zum zweiten Mal in Berlin statt.

Kontakt:
Kerstin Nickig
Referat Ost- und Südosteuropa
Heinrich-Böll-Stiftung
T 030-28534-384
Email: RG_Osteuropa@boell.de