Die deutsche Rohstoffstrategie – was steht drin und was bedeutet das?

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 Lithiummine in Nevada, USA. Foto: dsearls Dieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

25. Oktober 2010
Die deutsche Rohstoffstrategie der Bundesregierung wurde am 26.10.2010 vorgestellt. Lili Fuhr, Referentin Internationale Umweltpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung, hat sich das Dokument (hier als PDF) angesehen und analysiert. Am Ende des Artikels finden Sie zudem Hintergrundartikel und Statements der Zivilgesellschaft.

Um welche Rohstoffe geht es? 
Die Beschränkung der Strategie auf „nicht-energetische mineralische Rohstoffe“ erschließt sich nicht aus dem Text selber. Die Strategie bezieht sich explizit nicht auf Erdöl, Erdgas, Kohle, Holz und Uran. Abgesehen von Zuständigkeiten bestimmter Fachreferate innerhalb der beteiligten Ministerien (BMWi, BMZ, AA, BMU) kann man hier über die Gründe der Verengung nur spekulieren. Dass es aber wohl besonders um die Interessen der deutschen Wirtschaft an strategischen Mineralen für wichtige Zukunftstechnologien geht, allen voran sog. Seltene Erden aus China, ist offensichtlich. Allerdings ist tatsächlich nicht verständlich, warum sich die ausformulierten Strategien von Außenwirtschaftsförderung bis Entwicklungspolitik nicht auf alle Rohstoffe beziehen sollten. 

Physische Knappheit von Rohstoffen
Immerhin wird hier nicht verschwiegen, dass wir das Erdölfördermaximum (Peak Oil) bereits überschritten haben oder bald überschreiten werden. Allerdings sind auch alle anderen mineralischen und energetischen Rohstoffe endlich und aufgrund einer ungleichen geographischen Verteilung in vielen Ländern knapp. Genau deshalb braucht Deutschland ja eine solche Rohstoffstrategie, denn die deutsche Industrie muss ihre wichtigsten Rohstoffe importieren. Tatsächlich zu wenig gibt es definitiv Uran, wie u.a. die EURATOM Supply Agency ESA in ihrem Jahresbericht 2009 angemerkt hat.1 Aber das verschweigt natürlich gerne die Regierung, die so eben den Ausstieg aus dem Atomausstieg verkündet hat. Und Uran ist ja zudem bekanntlich ein energetischer Rohstoff – und wird damit nicht von der Strategie erfasst. 


Mangel an Kohärenz
Zwar benennt die Rohstoffstrategie die Herstellung von Transparenz und Good Governance bei der Rohstoffgewinnung als Kernziel. Das Thema taucht dann aber erst wieder unter Punkt „XIII. Entwicklungszusammenarbeit“ auf, wo wiederum die Verantwortung komplett auf das BMZ und die Entwicklungspolitik geschoben wird: „Entwicklungspolitische Maßnahmen der Bundesregierung können dazu beitragen, dass in den Partnerländern durch den Aufbau eines stabilen und leistungsfähigen Rohstoffsektors und kompetenter staatlicher Akteure wichtige Rahmenbedingungen für ein investitionsfreundliches Klima geschaffen werden, von dem auch die deutsche Wirtschaft profitiert.“ Das oben genannte Kernziel wird damit Mittel zum Zweck. Die ressortübergreifende Verankerung – und damit die Kohärenz entwicklungspolitischer Ziele  - wird lediglich für die Themen Wissenschaft und Forschung benannt. Heißt das nun, dass Deutschland die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) mit Mitteln des BMZ nur unterstützt, damit deutsche Unternehmen in Nigeria, Ghana und der Demokratischen Republik Kongo bessere Investitionsbedingungen vorfinden? Aus der Strategie lässt sich deutlich ablesen, welches Ministerium welche Kapitel beigesteuert hat. Eine wirkliche Verzahnung von Entwicklungs-, Außen-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik findet nicht statt. Da fragt man sich doch, wozu es einen interministeriellen Ausschuss gibt. 

Mangel an verbindlicher Regulierung
Die Bundesregierung „unterstreicht“ und „tritt verstärkt dafür ein“, dass Menschenrechte eingehalten und ökologische und soziale Standards beachtet werden. Sie unternimmt jedoch keinerlei Anstrengungen diese verbindlich in ihre Instrumente der Außenwirtschaftsförderung (Garantien für ungebundene Finanzkredite, Investitionsgarantien, Hermes-Bürgschaften) aufzunehmen oder den Unternehmen vorzuschreiben, die an der deutschen Börse notiert sind. Es können also auch in Zukunft Garantien und Bürgschaften für ökologisch und menschenrechtlich fragwürdige Investitionen der deutschen Wirtschaft vergeben werden. Hier verspielt die Bundesregierung ganz klar eine Chance für dringend notwendige verbindliche Regulierung für den Rohstoffsektor. Faktisch bedeutet das, dass sich deutsche Unternehmen weiterhin bei internationalen Rohstoffgeschäften nicht an anerkannte UN-Normen halten müssen, sondern jeweils ihre eigenen Standards und freiwilligen Verhaltenskodizes anwenden. Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards können so kaum geahndet werden.  

Handel mit Rohstoffen
Gewollt ist einer möglichst unbeschränkter freier Handel mit Rohstoffen. Angesichts handelspolitischer Maßnahmen rohstoffreicher Länder (z.B. Exportzölle oder Importvergünstigungen) warnt die Bundesregierung vor wirtschaftlichen Einbußen und Jobverlusten in Deutschland – das Totschlagargument schlechthin. Nur den ärmsten Entwicklungsländern werden ein paar Ausnahmen eingeräumt. Allerdings benötigen rohstoffreiche Entwicklungsländer Handlungsspielräume für exportregulierende Maßnahmen im Rohstoffsektor. Die Freihandelsinteressen Deutschlands und anderer Importländer müssen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsaspekten vor Ort untergeordnet werden. Wenn beispielsweise die Demokratische Republik Kongo in Zukunft den Export eines seltenen Metalls einschränken wollte, weil der Handel mit diesem gewaltsame Konflikte finanziert, wären ihr die Hände gebunden. Zudem sind Exportzölle häufig wichtige Staatseinnahmen für Entwicklungsländer und werden gezielt als Instrument der Industrialisierungspolitik und wirtschaftlichen Entwicklung eingesetzt. Die Nachfrage der deutschen Wirtschaft wiegt stärker. 

Explorationsförderung
Spannend ist, dass die Bundesregierung die Lage auf den internationalen Rohstoffmärkten für so kritisch ansieht, dass sie anstrebt, deutsche Unternehmen darin zu unterstützen, vermehrt selbst in das Explorationsgeschäft einzusteigen. Dafür soll sogar der Bundeshaushalt umgeschichtet werden. Zwar wird netterweise erwähnt, dass bei solchen Projekten „auch der Schutz von Klima, Boden, Wasser, Luft und biologischer Vielfalt zu berücksichtigen“ ist. Menschenrechte und soziale Kriterien werden nicht erwähnt. Und vor allem ist das eine mehr als unverbindliche Formulierung. Die Konkurrenz ist hart und es geht der Bundesregierung ja auch genau um die Rohstoffe, die besonders kritisch (sprich: knapp und strategisch) sind. Da schränkt man sich natürlich nur ein, wenn man zu viele Auflagen macht. Dann wäre ja ein deutsches Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber einem chinesischem oder südafrikanischem. Doch genau bei der Vergabe von Konzessionen laufen die korruptesten und dreckigsten Geschäfte. Die Menschen vor Ort müssen das Ergebnis nachher ausbaden. 


Recycling, Substitution & Effizienz
Schön, dass diese Begriffe zumindest auftauchen. Allerdings mangelt es sowohl an quantitativ messbaren Zielen als auch an verbindlichen Vorgaben für die deutsche Industrie (die zum Teil jedoch noch angestrebt werden). Keine Erwähnung finden leider Konsummuster und Strategien zur Senkung der Nachfrage. Wenn der Bedarf weiter ansteigt, dann können wir auch mit noch so viel Recycling und Effizienzgewinnen keine ökologische Trendwende einleiten. 

Aufgaben der Rohstoffagentur
Eine Freud’sche Fehlleistung in der Fassung vom 18.10.? Die neu geschaffene Rohstoffagentur wird mit rohstoffreichen Ländern kooperieren und sucht dabei die enge Abstimmung mit dem „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit“. Die vollständige Bezeichnung dieses Ministeriums ist da irgendwo verloren gegangen. Aber leider mit ihr auch das Thema, für das es steht. Preisfrage: Wie lautet der korrekte Name des Hauses Niebel? 

EITI und Zertifizierung
Die Extractive Industries Transparency Initiative EITI und verschiedene Zertifizierungsinstrumente sollen gestärkt werden. Das Engagement der Bundesregierung für mehr Transparenz in den Zahlungsflüssen zwischen den Extraktiven Unternehmen und Gastregierungen ist zu begrüßen. Allerdings hat Deutschland hier seine Hausaufgaben nicht gemacht: Die Verantwortung liegt nicht nur bei den Regierungen rohstoffreicher Länder und den Unternehmen, sondern auch bei den Regierungen der Länder, in denen die Unternehmen beheimatet sind bzw. wo ihre Aktien an der Börse gehandelt werden. Hier ist die USA der Bundesregierung einen großen Schritt voraus. Seit Juli müssen amerikanische Rohstoffunternehmen ihre Zahlungsströme offenlegen. Deutschland könnte eine solche Verpflichtung ebenfalls einführen und sich im Rahmen der EU dafür stark machen. Zudem tritt die EITI seit Jahren auf der Stelle und es gibt sowohl erheblichen Evaluierungsbedarf als auch Notwendigkeiten zur Weiterentwicklung, u.a. in Bezug auf Transparenz von Verträgen. 

G20 & Rohstoffpolitik
Deutschland will sich dafür einsetzen, dass das Thema Rohstoffpolitik auch bei den G20 auf die Agenda kommt. Unklar bleibt aber, was genau Deutschland dann im G20 Prozess erreichen will. Man würde ja vermuten, dass es da um Absprachen zur Handelspolitik, Investitionsabkommen und Finanzspekulationen gehen könnte. Aber weit gefehlt: in der Rohstoffstrategie werden genau hier konkrete Projekte aufgelistet, die die Bundesregierung seit Jahren unterstützt. Nur schade, dass da seit der G8-Präsidentschaft 2007 keine neuen hinzugekommen sind und sich die genannte noch immer in der Phase von Pilotprojekten befinden. Schön ist, dass die Bundesregierung das Rohstoffthema zentral im Prozess um Rio 2012 ansiedelt, wo es genau um Fragen von nachhaltiger Entwicklung gehen muss. 

Zivilgesellschaft kein Akteur?
Die Bundesregierung hat nun seit Jahren einen Dialog mit der Wirtschaft zu rohstoffpolitischen Fragen geführt – in Vorbereitung dieser Strategie und im Rahmen des interministeriellen Ausschusses. Ein wichtiger Akteur fehlt: Die Zivilgesellschaft. Zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit arbeiten sehr intensiv an ressourcenpolitischen Themen und haben eine Reihe von klaren Forderungen und Empfehlungen an die Politik. Die Bundesregierung hat sie bisher leider nicht als relevanten Akteur in diesem Politikfeld anerkannt. Die Debatte um eine deutsche Rohstoffstrategie wurde hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft geführt. Das federführende Ministerium entzieht sich sogar explizit dem Dialog mit den NGOs. Nun war es bestimmt auch nicht hilfreich, dass sich die deutsche Zivilgesellschaft erst sehr spät zu einem Bündnis hat durchringen können, das aber jetzt eine ganze Palette von Anforderungen an eine zukunftsfähige Rohstoffstrategie vorgelegt hat. Die eklatanten Mängel und fundamentalen Fehler bei der Weichenstellung der vorliegenden Rohstoffstrategie machen deutlich, dass es der Bundesregierung sehr gut getan hätte, wenn sie den offenen und transparenten Dialog mit der Zivilgesellschaft gesucht hätte.  

Special zur deutschen Rohstoffstrategie / Related Articles on strategic resources

Am 26.10.2010 hat die Bundesregierung ihre Rohstoffstrategie vorgestellt. Hierzu soll dieses Spezial Hintergründen und Analysen liefern: 

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