Heinrich Bölls Erinnerungen an die Schulzeit

Sie befinden sich im "Kapitel 1: Schulzeit im Nationalsozialismus (1917 bis 1939)".

Heinrich Böll veröffentlichte seine Erinnerungen an die Schulzeit im Dritten Reich im September 1981 unter dem Titel: "Was soll aus dem Jungen bloß werden? Oder: Irgendwas mit Büchern".

Im Klappentext heißt es: Die vier Jahre von 1933 bis 1937 sind Gegenstand dieses Buches. Präzise und mit einer Portion Humor vermittelt Heinrich Böll seine Eindrücke und Gefühle, gibt »unverstellte Auskunft über Kindheit und Jugend unter der Diktatur. Eine exemplarische Studie über Moral, List und Versagen« (Die Zeit).

"Ich kann mich in diese Zeit nur zurückversetzen oder zurückfinden, indem ich bestimmte historische Ereignisse sogar recherchiere: Also etwa die Hinrichtung dieser jungen Kommunisten, den 30. Januar, den 30. Juni, dann verschwimmt das etwas, weil dann, nach dem 30. Juni, innenpolitisch für einen Staatsbürger, der keine tieferen Einsichten hat, eigentlich nichts Eklatantes mehr passierte - doch, ja: dann kam noch die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Rheinlandbesetzung. Das sind die historischen Daten, an denen ich mich orientiere und die ich für mich selber - wo hast Du da gestanden, wie hast Du das erlebt? - als Vehikel benutze. Aber nur als Vehikel, nur als Orientierungsdaten, so, wie Hänsel und Gretel im Wald nach den weißen Steinen suchten. Die weißen Steine waren ja in diesem Sinne die Realität in dem dunklen Wald - das ist ja übrigens ein sehr wirkliches Märchen.

Man müßte lange darüber reden, was an Märchen, auch an Legenden wahrhaftiger und wirklicher ist als an mancher Reportage. Das ist der Unterschied: Die Wirklichkeit, die einer in der Phantasie schafft, ist ganz anderer Art. Das macht das Autobiographische so schwer, weil es viel schwerer ist, etwas auszudrücken, das ich nicht erfinden kann. Ich kann die Hinrichtung der jungen Kommunisten - ein entscheidendes Erlebnis in meiner Jugend, fast noch Kindheit - nicht erfinden. Und dadurch bin ich auf eine ganz andere Weise als Prosaschreiber gebunden, als wenn ich jetzt eine fiktive Geschichte schreibe, in der möglicherweise etwas Ähnliches passiert. Das ist der große Unterschied. Es ist auch ein stilistischer Unterschied und eine sehr schwere stilistische Annäherung. Ich weiß nicht, wie es Malern geht, die Selbstbildnisse machen, vielleicht ist das ähnlich."

(Aus einem Interview mit Jürgen P. Wallmann, 1981)

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