Heinrich Böll und die Terrorismusdiskussion

Sie befinden sich in "Kapitel 7: Die Terrorismusdiskussion (1973 - 1979)".

Die innenpolitische Situation der Bundesrepublik Deutschland prägt in den siebziger Jahren die Auseinandersetzung mit dem politischen Terrorismus. Insbesondere die Gruppe um Andreas Baader und Ulrike Meinhof (Baader-Meinhof-Bande), die sich Rote Armee Fraktion (RAF) nennt, macht durch immer gewalttätigere Aktionen auf sich aufmerksam. Auf die Brand- und Sprengstoffanschläge, Banküberfälle und Mordattentate der Terroristen reagiert der Staat vor allem durch die Stärkung des Polizeiapparats.

Eine besondere Rolle in der Auseinandersetzung um die richtige Reaktion des Staates und der Gesellschaft fällt deutschen Intellektuellen, Schriftstellern (unter ihnen Heinrich Böll), evangelischen Bischöfen und Theologen zu, die dann perfider Weise für die Entstehung des Terrorismus selbst verantwortlich gemacht werden.

Schlagzeile der BILD-Zeitung: "Baader-Meinhof-Bande mordet weiter"

Am 10. Januar 1972 erscheint im Spiegel Heinrich Bölls Artikel "Will Ulrike Meinhof Gnade oder freies Geleit?", der eine monatelange Kampagne gegen ihn auslöst. In scharfer Form hatte Böll die Berichterstattung der Bild-Zeitung angeprangert, die nach einem Bankraub in Kaiserslautern am 23. Dezember 1971 unter dem Titel »Baader-Meinhof-Bande mordet weiter« die Tat der Gruppe anlastet, ohne daß es zu diesem Zeitpunkt dafür konkrete Beweise gibt.

Heinrich Böll über die Kritik an seinem Artikel "Will Ulrike Meinhof Gnade oder freies Geleit?"

"Als Hauptargumente gegen den Spiegel–Artikel stellen sich bisher heraus: Erstens: ich hätte die Gruppe um Ulrike Meinhof »verharmlost«. Zweimal habe ich in meinem Artikel ausdrücklich erklärt, Ulrike Meinhof habe dieser Gesellschaft den Krieg erklärt. Ich halte Krieg nicht für ein harmloses Wort.

Ich habe die Gruppe um Ulrike Meinhof relativiert – ja. Verharmlost nein. Ich habe versucht, die Proportionen zurechtzurücken. Nichts weiter. Wenn Albanien der Sowjetunion den Krieg erklären würde, so fände ich das nicht harmlos, nur fände ich die Situation der Sowjetunion nur relativ gefährlich."

Aus:
Böll, Heinrich: "Man muss zu weit gehen" in: Süddeutschen Zeitung, 29. Januar 1972.

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