Der Einsatz von KI in Kunst und Kultur kann Freiräume für Kreative schaffen, birgt aber auch Risiken, etwa für die kulturelle Vielfalt, Einnahmequellen oder ganze Berufsbilder. Welche Maßnahmen können Abhilfe schaffen?

Generative KI-Anwendungen wie ChatGPT, Gemini, Midjourney oder DeepSeek sind längst in der Kunst- und Kulturbranche angekommen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz können Personen ohne großen Aufwand und hohe Kosten Texte, Bilder, Videos oder Tonspuren erstellen. KI-Anwendungen können Kreativschaffende inspirieren, ihnen Routineaufgaben abnehmen und Freiräume schaffen. Einige Kreative nutzen KI-Tools als Werkzeug, zum Beispiel in der Bildbearbeitung oder im Audioschnitt.
Einkommensverluste und bedrohte Berufsbilder
Gleichzeitig bringt die KI-Nutzung in der Kunst- und Kulturbranche einige Herausforderungen und Sorgen mit sich. Der KI-Einsatz kann zu Einkommensverlusten für Kreativschaffende führen, etwa durch weniger oder schlechter bezahlte Aufträge. In der Musikbranche könnten laut einer Studie bis 2028 27 Prozent der Einnahmen von Musik-Urheber*innen in Deutschland und Frankreich wegbrechen. In der Bildenden Kunst könnten Einnahmen der Künstler*innen um bis zu 10 % sinken. Zudem trainieren Big-Tech-Unternehmen ihre KI-Modelle mit den Werken von Kreativen. Diese werden dafür aber in der Regel nicht vergütet, obwohl ihre Werke die Grundlage dafür bieten, dass die KI-Modelle überhaupt so gut funktionieren. Somit droht Wertschöpfung aus der Kreativwirtschaft zu wenigen großen KI-Unternehmen abzuwandern.
Sicher ist: Berufsbilder und Geschäftsmodelle in der Kultur- und Kreativbranche ändern sich. Einige Berufe könnten sogar wegfallen. Schon heute werden für manche Buchcover keine Illustrator*innen mehr beauftragt, sondern Verlage setzen auf KI-Outputs. Auf Spotify finden sich zahlreiche KI-generierte Lieder, die sich unter die Werke von Musiker*innen mischen. Auch Synchronsprecher*innen warnen davor, dass ihre Branche durch KI-Anwendungen bedroht ist und KI-Modelle bereits mit Stimmen deutscher Synchronsprecher*innen trainiert werden.
KI-Outputs spiegeln außerdem oft kulturelle Verzerrungen und Stereotype wieder, das kann ein Risiko für die kulturelle Vielfalt – nicht nur – in Kunst und Kultur sein. Doch welche Lösungsansätze gibt es für diese Herausforderungen?
Sind gesetzliche Anpassungen notwendig?
Für das Training ihrer KI-Modelle benötigen KI-Hersteller*innen immense Mengen an Daten: Text, Bilder, Tonspuren und Videos. Um an diese Daten zu kommen, „grasen“ die Unternehmen das Internet und Datenbanken ab. Dabei berufen sie sich auf eine Ausnahmeregelung im Urheberrecht – die TDM-Schranke (Text- und Data Mining-Schranke). Diese erlaubt es, urheberrechtlich geschützte Werke ohne die Zustimmung der Urheber*innen auch für kommerzielle Zwecke zu vervielfältigen, um sie etwa auf Muster zu analysieren. Urheber*innen können jedoch ein sogenanntes „Opt-Out“ erklären und damit der Nutzung ihrer Werke widersprechen.
In der Praxis erweist sich dieser Nutzungsvorbehalt allerdings oft als wenig wirksam. Zum einen muss dieser laut Gesetz „in maschinenlesbarer Form“ erfolgen; was genau das bedeutet, ist aber nicht eindeutig geklärt. Zum anderen ist für Urheber*innen schwer nachzuweisen, ob KI-Anbieter ihre Werke – trotz Opt-Out-Erklärung – genutzt haben, denn diese machen ihre Trainingsdatensätze in der Regel nicht transparent. Werden KI-Modelle zu wissenschaftlichen Zwecken trainiert, können Urheber*innen der Nutzung ihrer Werke zudem nicht widersprechen. In verschiedenen Gerichtsverfahren wird aktuell geklärt, ob das Training der KI-Modelle überhaupt unter die TDM-Schrankenregelung fällt.
Um insgesamt mehr Rechtssicherheit für Kreativschaffende herzustellen, müsste die EU zeitnah das Urheberrecht anpassen, insbesondere die TDM-Schrankenregelung. Eine Prüfung des Urheberrechts ist auch in Hinblick auf den Schutz von KI-Outputs sinnvoll. KI-erstellte Bilder, Videos oder Texte sind derzeit nicht urheberrechtlich geschützt. Werden diese unter Urheberrecht gestellt, könnten Künstler*innen, die mithilfe von KI-Tools etwa KI-erstellte Bilder generieren, mit diesen Bildern Geld verdienen. Neben dem Urheberrecht sollten weitere notwendige Regulierungen und internationale Abkommen wie Verträge der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) diskutiert werden. Die Debatten um internationale KI-Regulierung wären hierfür ein Anlass.
Lizenzmodelle für eine angemessene Vergütung von Kreativschaffenden
Bislang gibt es kein Vergütungssystem, das die Einkommensverluste von Kreativschaffenden ausgleicht, die durch generative KI verursacht werden. Ein faires Vergütungsmodell sollte den gesamten KI-Lebenszyklus berücksichtigen – von der Datenerhebung bis zur Anwendung des KI-Modells in der Praxis. Entsprechend sollten Kreativschaffende sowohl für die Nutzung ihrer Werke beim KI-Training als auch für die Erstellung von KI-Inhalten in der Anwendung entlohnt werden – denn auch die KI-Outputs beruhen auf den Werken der Kreativschaffenden.
Ein Ansatz, den einige große Verlage und Medienhäuser verfolgen, sind Lizenzvereinbarungen mit KI-Anbietern. Dabei räumen sie KI-Anbietern gegen Lizenzgebühren Nutzungsrechte an ihren Inhalten ein. Inwieweit einzelne Urheber*innen für die Nutzung ihrer Werke Tantiemen erhalten, ist in den meisten Fällen jedoch nicht bekannt. Lizenzvereinbarungen abzuschließen ist zudem nur für große Unternehmen in der Kreativ- und Medienwirtschaft möglich und nicht für kleine Akteur*innen oder Solo-Selbstständige. Abhilfe könnten hier Lizenzmodelle von Verwertungsgesellschaften schaffen, die die Rechte von zahlreichen Kreativschaffenden vertreten. Die GEMA hat zum Beispiel ein „Zwei Säulen Lizenzmodell“ entwickelt, das sowohl das Training der KI-Systeme als auch die Folgenutzungen von KI-Inhalten abdeckt.
Eine Besteuerung von Digitalunternehmen
Ein weiterer Ansatz, um die beginnenden Verwerfungen in der Kultur- und Kreativbranche zumindest etwas auszugleichen, könnte eine Besteuerung von Digitalunternehmen sein. Eine Besteuerung von reinen KI-Unternehmen wäre wohl bislang nicht sinnvoll, da sie nur geringfügig in Deutschland vertreten sind und oft noch keine Gewinne abwerfen. Stattdessen könnten die großen Digitalkonzerne, die sogenannten Big Tech wie Microsoft, Meta, Google, Amazon und Co. besteuert werden, denn diese entwickeln auch die größten generativen KI-Modelle, auf die kleinere KI-Anbieter in der Regel zurückgreifen.
Eine Digitalsteuer auf europäischer Ebene wurde schon 2018 diskutiert, scheiterte aber damals. Aufgrund der Zollpolitik von Trump bekommt die Idee in der EU aktuell neuen Aufwind. Parteiübergreifend sprechen sich Politiker*innen für eine Digitalsteuer aus, allerdings ohne Bezug zur Kultur- und Kreativbranche. Aktuell zahlen Tech-Konzerne 9,5 Prozent Steuern – im Gegensatz zum Durchschnittssteuersatz von 23,3 Prozent, den traditionelle Unternehmen zahlen. Die Einführung europäischen Digitalsteuer von fünf Prozent könnte der EU wohl 37,5 Mrd. EUR einbringen, was fast 19 Prozent des EU-Haushalts 2025 sind.
Ob und wie solche Einnahmen Kreativschaffenden helfen würden, ist allerdings unklar, denn Steuern können nicht zweckgebunden verwendet werden. Geklärt werden müsste auch, welche Art von Besteuerung sinnvoll ist, z.B. ob eine zusätzliche Umsatzsteuer oder eine Übergewinnsteuer denkbar ist, und ob diese auf europäischer oder nationaler Ebene umgesetzt werden sollte.
In Frankreich gibt es neben einer Digitalsteuer bereits seit etwa einem Jahr eine separate Steuer für Musikstreaming-Dienste. Die Einnahmen fließen an das „Centre National de la Musique“, welches das Geld verwaltet und zweckgebunden zur Musikförderung weitergibt. So konnten ca. 10 Millionen Euro zum Beispiel für Musikproduktionen und Tourneen ausgegeben werden. Womöglich könnte solch ein Modell, zum Beispiel als Abgabe, auch in Deutschland geeignet sein, um verschiedene Kreativ- und Kulturbranchen zu fördern.
KI gewinnbringend in Kunst und Kultur einsetzen
Damit KI-Tools einen Mehrwert für unsere Kulturlandschaft entwickeln und tatsächlich für mehr Freiräume sorgen, sollten Kreativschaffende KI-Tools selbstbestimmt als Werkzeug einsetzen können – wenn sie darin einen Mehrwert für ihre Arbeit sehen. Um Kreativschaffende dabei zu begleiten, sind umfangreiche Schulungskonzepte und Weiterbildungsmöglichkeiten sinnvoll. Dafür müsste die Politik Förderungen bereitstellen. In solchen Schulungsprogrammen sollten – neben der Bedienung von KI-Tools – auch Fragen rund um die Geschäftsmodelle der KI-Anbieter oder die Reproduktion von Stereotypen und KI-vermittelte Diskriminierung aufgenommen werden.
Um letzteres zu verringern, sind aber die KI-Anbieter in der Verantwortung: Sie müssten verschiedene Maßnahmen umsetzen, um KI-vermittelter Diskriminierung zu begegnen und kulturelle Vielfalt zu sichern. Dazu zählen zum Beispiel Datenqualitätssicherung, Dokumentationspflichten und divers besetzte Entwicklungsteams. Auch wissenschaftliche Forschung etwa zu KI-vermittelter Diskriminierung, Transparenz oder zur Technikfolgenabschätzung von KI-Anwendungen sollte vorangetrieben werden. Und last but not least gibt es eine gewichtige Aufgabe für Gewerkschaften und Berufsverbände, die Interessen von Kultur- und Medienschaffenden selbstbewusst und in Partnerschaft mit den Menschen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu vertreten.
Die Autorin Joanna Maciejewska schrieb in einem Online-Post „I want AI to do my laundry and dishes so that I can do art and writing, not for AI to do my art and writing so that I can do my laundry and dishes.” Der Diskussion um den KI-Einsatz in Kunst und Kultur zugrunde liegt die Frage, welche Aufgaben wir als Gesellschaft überhaupt an KI-Systeme abgeben wollen – und welche lieber nicht. Darüber müssen wir weiter im Austausch bleiben – denn Kunst und Kultur sind unabdingbar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine resiliente Demokratie.