Hinter dem Abbau Seltener Erden steht nicht nur internationale Rohstoffpolitik, wie eine neue Studie aus Myanmar zeigt. Es geht dabei auch um Umweltgerechtigkeit, lokale Regierungsführung und die Zukunft des bürgerkriegsgeplagten Landes.

Die Europäische Union definiert kritische Rohstoffe als „Rohstoffe von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die EU, bei denen aufgrund der Konzentration der Bezugsquellen und des Mangels an guten, erschwinglichen Ersatzstoffen ein hohes Risiko von Versorgungsunterbrechungen besteht.“1 Die globale Bedeutung bestimmter Mineralien ist unbestreitbar, und ein großer Teil kritischer Rohstoffe kommt in Südostasien vor, wie das Dossier „Treasures and Tragedies: Narratives and Discourses on Critical Minerals in Southeast Asia” des Südostasienbüros der Heinrich-Böll-Stiftung erklärt.
Schwere Seltene Erden sind dabei eine bestimmte Subgruppe von Mineralien, die für eine breite Palette moderner Technologien und Produkte unerlässlich sind. Sie werden in vielen alltäglichen Gegenständen verbaut, von Kondensatoren in modernen Computerchips2 bis zu Halbleitern in LED-Leuchten3. Von großer Bedeutung ist auch ihre Verwendung bei der Herstellung von Dauermagneten. Diese besonderen Magneten besitzen ein dauerhaftes Magnetfeld, ohne eine elektrische Leistung einbringen zu müssen. Diese wichtige Eigenschaft findet in vielen Elektrofahrzeugen, Windturbinen und sogar Kampfjets Verwendung.4
Produktion in China, Abbau in Myanmar
Der Großteil dieser Dauermagnete wird in China hergestellt, das den Markt mit Verarbeitungs- und Produktionsanlagen beherrscht und bis zu 90 % der weltweiten Nachfrage deckt. Während einige der für Dauermagnete benötigten Schweren Seltenen Erden auch in China abgebaut werden, importiert China einen erheblichen Teil aus einem Land, das den beziehenden Unternehmen und Endverbrauchern oft weniger bekannt ist: Myanmar. Im Jahr 2023 stammten rund 60 % des weltweit geschürften Vorkommens von zwei dieser Schweren Seltenen Erden, Dysprosium und Terbium, aus Myanmar. Die Gesamtfördermenge dieser beiden Elemente in Myanmar war 2023 sogar doppelt so hoch wie die der chinesischen Minen.5
Die Minen im bürgerkriegsgeplagten Myanmar befinden sich im nördlichsten Bundesstaat Kachin, entlang der 2.192 Kilometer langen Grenze, die sich Myanmar mit China teilt.Bis vor kurzem wurden die Minen von Milizen kontrolliert, die mit der Militärjunta verbündet waren, welche im Februar 2021 die gewählte Regierung Myanmars stürzte. Seit Ende 2024 hat sich die Kontrolle jedoch verlagert. Die seit Jahrzehnten operierende ethnische Widerstandsgruppe Kachin Independence Organization/Army (KIO/A) hatte die Minen erobert und kontrolliert nun den Abbau und den Handel mit den wichtigen Mineralien.
Auch eine Frage der Umweltgerechtigkeit
Eine neue englischsprachige Studie der Shanan Foundation, einer in Kachin ansässigen NGO, beschäftigt sich kritisch mit der Art und Weise, wie die KIO/A den Abbau Schwerer Seltener Erden im nördlichen Grenzgebiet Myanmars regelt. Auf Grundlage von qualitativen Interviews, die zwischen November 2024 und Januar 2025 durchgeführt wurden, untersucht die Studie, wie die Rohstoffförderung in das umfassendere Ziel der KIO/A zum Aufbau eines ethnischen Nationalverständnisses eingebettet ist, sowie die sich entwickelnde politische Ökonomie des Konflikts in Myanmar nach dem Putsch.
Die Studie zeichnet außerdem die Entwicklung der Ressourcenverwaltung der KIO/A seit ihrer Gründung im Jahr 1961 nach und zeigt, wie die Gewinnung Schwerer Seltener Erden sowohl zu einer strategischen Einnahmequelle als auch zu einem Thema von Auseinandersetzungen geworden ist.
Die Studie beleuchtet dabei das komplexe Zusammenspiel zwischen der KIO/A, den chinesischen Investoren und den lokalen Gemeinschaften. Während einige Bewohner*innen wirtschaftlich von Landpacht und Lohnarbeit profitiert haben, haben andere aus Protest gegen die Umweltzerstörung, die sozialen Verwerfungen und die mangelnde Transparenz im Zusammenhang mit dem Bergbau mobilisiert. Diese Spannungen offenbaren Widersprüche im Regierungsmodell der KIO/A – wie die Machtkonzentration der Entscheidungsgewalt, die vorherrschenden Klientelbeziehungen und die Marginalisierung der Stimmen der Gemeinden.
Durch die Untersuchung dieser Dynamiken trägt die Studie sowohl zum empirischen Verständnis des Abbaus Schwerer Seltener Erden in Myanmar als auch zu den theoretischen Debatten über nichtstaatliche Governance in konfliktbetroffenen Gebieten bei. Sie wirft auch wichtige politische Fragen für internationale Organisationen und Rechenschaftsmechanismen wie die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) auf, insbesondere in Kontexten, in denen formale staatliche Institutionen keine Autorität mehr haben.
Lesen Sie im Anhang die vollständige Studie, um ein besseres Verständnis für die Politik der Ressourcengewinnung unter De-facto-Behörden zu erlangen – und für eine ausführliche Analyse der Auswirkungen auf Umweltgerechtigkeit, die lokale Regierungsführung und die Zukunft des Föderalismus in Myanmar.