Deutschland kann und muss mehr für den internationalen Klimaschutz tun

Vorstandskolumne

Klima- und Artenschutz kosten Geld – und sind unumgänglich: Deutschland darf sich nicht unter Berufung auf die Schuldenbremse aus der Verantwortung stehlen. Einnahmequellen gäbe es – die nächste Bundesregierung sollte sie nutzen.

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Foto von Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Im Jahr 2024 fanden zwei internationale Großereignisse statt, die mit großen Hoffnungen verbunden waren – darauf, dass die internationale Gemeinschaft dem Klima- und Artenschutz mehr Aufmerksamkeit schenkt und die Dringlichkeit anerkennt, die hier gegeben ist. Doch die Ergebnisse sowohl der UN-Klimakonferenz in Baku vom November als auch der UN-Artenvielfaltskonferenz in Cali vom Oktober lassen mich an unserer Zukunftsfähigkeit zweifeln. Ihr Ziel, einen Konsens zur internationalen Finanzierung ihrer zentralen Anliegen zu finden, haben beide verfehlt. Was die ärmeren Länder Asiens, Lateinamerikas, Afrikas und des Nahen Ostens als einen gerechten und angemessenen Beitrag gefordert hatten, waren die reicheren Länder Europas, Nordamerikas und des Indopazifiks nicht bereit zuzusagen. 

In Baku einigte sich die Staatengemeinschaft darauf, bis zum Jahr 2035 Mittel in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar jährlich bereitzustellen – wesentlich weniger als die 1,3 Billionen, die die sogenannten Entwicklungsländer als notwendig erachten. Allein für die Umsetzung der nationalen Klimapläne benötigen die Länder des Globalen Südens bis 2030 zwischen 455 und 584 Milliarden jährlich. Bei der Artenvielfaltskonferenz gingen die Verhandlungen ganz ohne Einigung in der Finanzierungsfrage auseinander; im Februar 2025 kommt man immerhin noch einmal zusammen.

Der zerstörerische Sound des 21. Jahrhunderts

Gleichzeitig ist Donald Trump mit einem Programm zum US-Präsidenten gewählt worden, das auf „Grenzen, Abschottung, Kontrolle“ setzt – im Sound des 21. Jahrhunderts, wie es der Politikwissenschaftler Herfried Münkler formuliert. Dazu zählen sowohl der angekündigte Rückzug der USA aus dem internationalen Klimaschutz als auch das Festhalten an fossilen Energieträgern und Technologien. Ölländer, reiche und ärmere, wollen nicht auf die nach wie vor lukrativen Einnahmen aus der Förderung verzichten. Auch Brasilien, das 2025 die nächste Klimakonferenz ausrichten wird, will die Erdölvorkommen im Mündungsgebiet des Amazonas erschließen – und gleichzeitig eine Lösung für die Finanzierung des Klimaschutzes herbeiverhandeln. Das alles schmälert massiv unsere Möglichkeiten, der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen etwas entgegenzusetzen.

Auch in Deutschland werden die Ausgaben für Klimaschutz und internationale Zusammenarbeit angesichts knapper werdender öffentlicher Kassen zunehmend infrage gestellt. Die Ampelkoalition hatte sich auf einen ambitionierten Umbau von Wirtschaft und Energieinfrastruktur für den Klimaschutz verständigt – und ist schließlich an der Finanzierung gescheitert. Hinzu kommen erhebliche Kürzungen der Budgets für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe. 

Krisen lassen sich nicht im Alleingang lösen

Dabei lassen sich die Krisen unserer Zeit nicht ohne internationale Zusammenarbeit lösen. Weniger Geld in diesen Bereich auszugeben, schadet letztlich auch uns, wie ich bereits an anderer Stelle dargelegt habe. Gleiches gilt auch für den internationalen Klimaschutz. 

In den ärmeren Ländern ist die Finanzierungslücke noch ungleich größer. Deutschlands Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung ist jedoch keine Frage von Barmherzigkeit, sondern eine rechtliche Verpflichtung, die sich in erster Linie aus dem Verursacherprinzip ableitet: Industrieländer sind für den Großteil der Emissionen verantwortlich, unter deren Folgen die Länder des globalen Südens überproportional leiden. Deswegen haben sich diese Länder im Klimaabkommen von Paris 2015 zu Zahlungen an die ärmeren Länder verpflichtet. Das soll den klimaverträglichen Umbau von Wirtschaft und Infrastruktur und die Anpassung an den Klimawandel ermöglichen. Ohne die Finanzierungsbeiträge der Verursacherländer sind diese Kosten für die Länder des Globalen Südens nicht zu stemmen - und katastrophale Folgen für Millionen Menschen werden unausweichlich.

Deutschland darf sich nicht qua Schuldenbremse aus der Verantwortung stehlen

Der Klimawandel ist ein globales Phänomen, das nur durch internationale Kooperation bekämpft werden kann. In einer ungleichen Welt schließt dies notwendigerweise finanzielle Transfers von Reich zu Arm ein. Trotz aller Haushaltslücken gehört Deutschland noch immer zu den reichsten Ländern dieses Planeten und kann sich nicht mit Verweis auf Schuldenbremse und Sparzwang aus der Verantwortung stehlen. Was ist in dieser Situation also nötig? Was muss Deutschland tun, um ein verlässlicher internationaler Partner zu bleiben und sich seiner Verantwortung für die Sicherung einer lebenswerten Zukunft nicht zu entziehen? 

Deutschland könnte deutlich mehr einnehmen

Die nächste Bundesregierung muss Mittel und Wege finden, damit Deutschland seine internationalen Verpflichtungen für den Schutz des Klimas und der Artenvielfalt einhalten kann, ohne dass dies zulasten der humanitären Hilfe, der Kooperation für soziale und wirtschaftliche Entwicklung geht.

Möglichkeiten gibt es. Drei Vorschläge: 

1. Mehr Finanzmittel erschließen

Erstens muss Deutschland mehr Einnahmen generieren. Denkbar ist etwa eine Besteuerung sehr großer Vermögen – ein Vorschlag für eine global einheitliche Mindestbesteuerung für Milliardäre liegt seit 2024 auf dem Verhandlungstisch der G20 (darüber haben wir auch bei einer Veranstaltung in der Heinrich-Böll-Stiftung diskutiert). Eine Vermögenssteuer nach Schweizer Vorbild würde in Deutschland Mehreinnahmen von jährlich 73 Milliarden Euro bringen, zeigt eine Analyse vom Netzwerk Steuergerechtigkeit und Oxfam. 

Der Bundestag könnte zudem eine höhere Erbschaftssteuer für große Privatvermögen oder eine faire Besteuerung von Kapitalvermögen beschließen. Dies würde Geld in die Kassen spülen und gleichzeitig einige Gerechtigkeitslücken im aktuellen Steuersystem schließen. Entsprechende Reformideen hat die grüne Bundestagsfraktion bereits vorgelegt.

Eine Studie im Auftrag von Klima-Allianz-Deutschland, Germanwatch, WWF Deutschland und Global Citizen hat 24 verschiedene Finanzquellen - darunter auch Steuern und Abgaben für fossile Unternehmen oder Einnahmen aus dem Emissionshandel – daraufhin untersucht, wie viel sie zur Klimafinanzierung beitragen könnten. Das Ergebnis: Deutschland könnte schon 2025 ganze 18 Milliarden Euro an zusätzlichen öffentlichen Mitteln erschließen, ab 2026 jährlich mindestens 36 Milliarden Euro und in den Folgejahren jährlich bis zu 96 Milliarden Euro. Im Bereich der Klimafinanzierung durch private Gelder liegt das Potenzial demnach sogar bei rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. 

2. Haushaltsmittel für internationale Zusammenarbeit stärken

Zweitens: Die Reform der Schuldenbremse sollte genau wie andere Maßnahmen zur Absicherung von Investitionen in den klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Infrastrukturen (beispielsweise durch Sondervermögen) immer verpflichtend daran gebunden sein, dass die Haushaltsmittel für die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden. Im Koalitionsvertrag der Ampel war eine Kopplung der Budgets für Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit vereinbart (nach Russlands Angriff auf die Ukraine wurde diese verworfen). Eine ähnliche Vereinbarung wäre auch mit Blick auf die kommende Regierung denkbar. 

3. Schuldenerlass für arme Länder

Drittens muss sich Deutschland für einen internationalen Schuldenerlass einsetzen, damit die ärmsten Länder wieder handlungsfähig werden. Drei Billionen US-Dollar fehlen den Entwicklungs- und Schwellenländern jährlich für das Erreichen der internationalen Klima- und Entwicklungsziele, gleichzeitig ächzen sie unter einer nicht zu bewältigenden Schuldenlast (auch darüber schrieb ich bereits in einer anderen Kolumne). Insgesamt fließt heute mehr Geld aus den Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas an private Gläubiger zurück, als sie von ihnen bekommen, wie die Weltbank in ihrem neuesten Bericht zur internationalen Verschuldung festgestellt hat. Es sei an der Zeit, der Realität ins Auge zu sehen, schreibt der Weltbank-Chefökonom Indermit Gill darin: „Die ärmsten Länder, die in eine Schuldenkrise geraten sind, brauchen einen Schuldenerlass.“ 

Auch ein Großteil der von den Industriestaaten bereitgestellten Klimafinanzierung besteht aus Krediten. Der südafrikanische Präsident Ramaphosa hat das Thema „Schuldenresilienz“ zu einem Schwerpunkt seines G20-Vorsitzes in 2025 gemacht und dabei auch Entschuldung („debt relief“) auf die Agenda gesetzt. Dies sollte die nächste Bundesregierung nach Kräften unterstützen. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat dazu mit internationalen Partnern detaillierte Vorschläge ausgearbeitet. Zusätzlich wäre ein Staateninsolvenzrecht ein wichtiges Instrument, um künftige Notlagen dieser Art besser zu bewältigen.

Diese Maßnahmen würden Abschottung wirksam verhindern und die internationale Solidarität und Zusammenarbeit stärken. Deutschlands internationale Handlungsfähigkeit und seine Glaubwürdigkeit würden gestärkt – und das im Einklang mit verbesserten finanziellen Ressourcen für die Zukunftssicherung im eigenen Land. 

Imme und Jan Philipp

Einmischen - die Vorstandskolumne

Einmischen! Als einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben. So hat es Heinrich Böll formuliert und diese Ermutigung inspiriert uns bis heute. Mit dieser Kolumne mischen wir uns als Vorstand der Stiftung in den aktuellen politisch-gesellschaftlichen Diskurs ein. Jeden Monat schreiben hier im Wechsel: Jan Philipp Albrecht und Imme Scholz.

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