Weltbank-Chefökonom fordert Entschuldung im neuen „International Debt Report“
2023 zahlten Entwicklungsländer die Rekordsumme von 1,4 Billionen US-Dollar, um ihre Schulden zu bedienen. Das stellt die Weltbank in ihrem neuen „International Debt Report“ fest. Das sind fast vier Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts. Allein die Zinszahlungen stiegen 2023 um fast ein Drittel auf 406 Milliarden US-Dollar, für die ärmsten Länder erreichten sie das höchste Niveau seit 1999.
Im Vorwort zum International Debt Report nutzt der Chefökonom der Weltbank, Indermit Gill, klare Worte: „Seit 2022 haben ausländische private Gläubiger fast 141 Milliarden US-Dollar mehr an Schuldendienstzahlungen von öffentlichen Kreditnehmern in Entwicklungsländern abgezogen als sie an neuen Finanzmitteln ausgezahlt haben“, stellt er fest. Das Finanzierungssystem sei „broken“, da „multilaterale Institutionen und staatliche Gläubiger fast das gesamte Risiko tragen, während private Gläubiger fast den gesamten Ertrag einstreichen“.
Gill diagnostiziert eine „metastasierende Krise der Zahlungsfähigkeit (Solvenz)“, die fälschlicherweise als Liquiditätsproblem betrachtet werde. Er beklagt, das Problem werde auf die lange Bank geschoben, indem den Ländern gerade so viel Geld zur Verfügung gestellt wird, dass sie ihre unmittelbaren Rückzahlungsverpflichtungen erfüllen können. Doch dies verlängere nur das „Fegefeuer“ dieser Länder. Es sei an der Zeit, der Realität ins Auge zu sehen, so Gill: „Die ärmsten Länder, die in eine Schuldenkrise geraten sind, brauchen einen Schuldenerlass.“
Gill ist nicht die einzige prominente Stimme, der sich für eine Entschuldung einsetzt. Mark Sobel, US-Chair des Official Monetary and Financial Institutions Forum (OMFIF) und ehemaliger US-Vertreter beim Internationalen Währungsfonds (IWF), plädierte in einem Ende November 2024 veröffentlichten Meinungsbeitrag ebenfalls für Entschuldung anstelle der vom IWF propagierten Liquiditätshilfen. Der ehemalige Vizepräsident Nigerias, Yemi Osinbajo, stieß in einem Beitrag in der Financial Times in das gleiche Horn.
Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung kommentiert den Bericht:
„Ich begrüße, dass der Chefökonom der Weltbank und andere Personen nun endlich das Schweigen über die Schuldenkrise der ärmsten Länder brechen. Zu lange hat der IWF die bequeme Selbsttäuschung verbreitet, dass die Krise mit kurzfristigen Liquiditätshilfen gemanagt werden könnte.“
Jörg Haas, Referent Globalisierung und Transformation der Heinrich-Böll-Stiftung und Co-Chair des Projekts „Debt Relief for Green and Inclusive Recovery“, ergänzt:
„Südafrikas Präsident Ramaphosa hat Entschuldung ganz oben auf die Agenda der G20-Präsidentschaft des Landes gesetzt. Deutschland muss nun in der G20 konstruktiv eine ambitionierte Entschuldungsinitiative vorantreiben.“
Das Projekt Debt Relief for Green and Inclusive Recovery (DRGR), eine Kooperation zwischen der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Global Development Policy Center der Boston University und dem Centre for Sustainable Finance der SOAS University of London, setzt sich für eine umfassende Schuldenlösung ein, damit hochverschuldete Länder in Klimaschutz- und Anpassung investieren können. Zu seinen Co-Chairs zählen die ehemalige Präsidentin der UN-Generalversammlung, Maria Fernanda Espinosa, der Ex-Gouverneur der Zentralbank Kenyas, Patrick Njoroge, die Ökonomen Kevin Gallagher (USA) und Ulrich Volz (Deutschland) und die ehemalige Finanzministerin und Zentralbankgouverneurin Pakistans, Shamshad Akhtar. Mehr Informationen finden Sie auf drgr.org.
Fachkontakte:
Sarah Ribbert
Referentin Entschuldung und grüne Transformation
Heinrich-Böll-Stiftung
E Sarah.Ribbert@boell.de
Jörg Haas
Referent Globalisierung und Transformation
Heinrich-Böll-Stiftung
E Joerg.Haas@boell.de
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Nicole Sagener
Pressesprecherin
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