Luisa Weyers, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Geschlechtsbezogene Gewalt an der Schnittstelle zu sexueller Orientierung und geschlechtlicher Orientierung

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Geschlechtsbezogene Gewalt ist ein weltweites Phänomen, von dem insbesondere Frauen, jedoch auch Menschen, die sexuellen Minderheiten angehören, betroffen sind. Seit den 1990er Jahren wird sich mit dem Problem auch auf internationaler menschenrechtlicher Ebene auseinandergesetzt. Geschlechtsbezogene Gewalt wird hier als Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verstanden und Staaten sind unter verschiedenen menschenrechtlichen Verträgen dazu verpflichtet, Gewalt zu verhindern, zu verfolgen und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, damit die Gewalt gar nicht erst entsteht. 

Doch welche Formen von Gewalt werden durch diese Vorschriften erfasst und welche (konkreten) Maßnahmen müssen Staaten ergreifen? Wer kann sich überhaupt auf einen Schutzanspruch berufen und wie kann dieser geltend gemacht werden? Diesen und weiteren Fragen werde ich im Rahmen meiner Dissertation nachgehen.

Meine Dissertation setzt sich mit der Frage auseinander, wie in unterschiedlichen menschenrechtlichen Systemen mit der Problematik geschlechtsbezogener Gewalt als Form der strukturellen Diskriminierung umgegangen wird. Dafür untersuche ich Regelungen aus Menschenrechtsverträgen der UN-, afrikanischen, interamerikanischen und europäischen Menschenrechtssysteme. Die Analyse unterteilt sich dabei in vier unterschiedliche Formen der getroffenen Regelungen. Auf der ersten Stufe untersuche ich allgemeine Antidiskriminierungsvorschriften, wie sie in allen allgemeinen Menschenrechtsverträgen enthalten sind, etwa in Art. 26 des UN-Zivilpakts oder Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention. 

Diese Antidiskriminierungsvorschriften beziehen sich regelmäßig auf den Anwendungsbereich aller in den Konventionen enthaltenen Menschenrechte und garantieren dahingehend einen Anspruch auf Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechts. Doch umfassen sie auch Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität? Auf der zweiten Ebene gibt es allgemeine Antidiskriminierungsabkommen, die zusätzlich zu den allgemeinen Antidiskriminierungsvorschriften spezifisch auf die Bekämpfung von Diskriminierung abzielen. Welchen zusätzlichen Nutzen versprechen sich Menschenrechtssysteme durch diese Abkommen und wie lässt sich in ihrem Rahmen geschlechtsbezogene Gewalt adressieren? Auf der dritten Stufe stehen geschlechtsspezifische Menschenrechtsverträge, die insbesondere Frauen vor Diskriminierung schützen sollen. Beispiele hierfür sind etwa die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) sowie das Maputo Protokoll für die Rechte von Frauen in Afrika. Diese Verträge adressieren die spezifische Diskriminierungssituation von Frauen und verlangen von Staaten, gegen diese vorzugehen. Doch sind diese Konventionen aufgrund ihres besonderen Fokus nur auf Frauen weniger effektiv bzw. werden von Staaten weniger ernst genommen als andere Menschenrechtsverträge? Und wer ist überhaupt „Frau“ im Sinne dieser Konventionen und kann sich damit auf ihren Schutz berufen?

 Auf der letzten Stufe werde ich mich schließlich mit solchen Menschenrechtsverträgen auseinandersetzen, die explizit geschlechtsbezogene Gewalt adressieren, diese sind die interamerikanische Konvention von Belém do Pará sowie die europäische Istanbul Konvention. Welche Verpflichtungen treffen Staaten unter diesen Konventionen? Wer ist von ihrem Schutzbereich erfasst? Wie und durch wen wird ihre Umsetzung überwacht?

Diese unterschiedlichen Formen des (antidiskriminierungsrechtlichen) Schutzes vor geschlechtsbezogener Gewalt werden aus rechtdogmatischer Perspektive untersucht, immer auch mit Blick auf die Frage inwiefern sie Geschlecht restriktiv, d.h. binär und heteronormativ auslegen, oder ob sie auch ein weites Verständnis von Geschlecht zulassen, d.h. ob sie dieses als Schnittstelle verschiedenster Aspekte wie sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität verstehen.