Formen der Herrschaft und ihre Entwicklung
In der Politikwissenschaft bedeutet Demokratisierung, dass ein Land mehr Eigenschaften demokratischer Systeme annimmt - etwa freie und faire Wahlen der Regierung oder das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Entwicklung wird unabhängig von der Ausgangslage des Staates betrachtet.
Demokratisierung in einer Autokratie kann eine Liberalisierung bedeuten, in einer Demokratie hingegen auch eine Vertiefung von Freiheitsrechten oder der Teilhabe an Entscheidungen.
Autokratisierung meint das Gegenteil.
Die Freiheitsrechte unter Druck – 2003 und 2023 im Vergleich
Dynamiken in 50 Jahren Demokratisierung: Seit 2009 leben wieder mehr Menschen auf der Welt in Autokratien als in Demokratien
Der Demokratiebericht 2024 basiert auf Daten des schwedischen Forschungsinstituts Varieties of Democracy (V-Dem). Es ist an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göteborg angesiedelt. Der Index liberaler Demokratien von V-Dem erfasst verschiedene Aspekte von Demokratie, etwa Wahlen, Zustand des Rechtsstaates oder der Meinungs-, Medien- und Vereinigungsfreiheit oder bürgerliche Freiheitsrechte. Der Index reicht vom niedrigsten Niveau von Demokratie (0) bis zum höchsten (1).
Drei Fragen an Elene Panchulidze zur Demokratie in Europa
Wie widerstandsfähig haben sich die europäischen Demokratien in den letzten Jahren erwiesen, Frau Panchulidze?
Bislang hat sich Europa dem weltweiten Trend zur Autokratisierung weitgehend entzogen. Selbst die schlimmsten Fälle in Osteuropa haben die Fähigkeit zur demokratischen Erneuerung bewiesen. Diese Widerstandsfähigkeit gegen Autoritarismus und Rechtspopulismus ist bemerkenswert. In den letzten Jahren wurde Europa von schweren Mehrfachkrisen heimgesucht, sowohl im Inland als auch im Ausland. Die Fähigkeit von Europas Demokratien, auf komplexe politische Krisen zu reagieren, ist vor allem auf starke Institutionen und aktive Bürger*innen zurückzuführen.
Wie demokratisch sind die Entscheidungen der EU-Institutionen selbst?
Ihre Art, Entscheidungen zu treffen, gilt häufig als technokratisch und wenig demokratisch. Zwar hat es verschiedene Versuche gegeben, den europäischen Bürger*innen die Entscheidungsfindung von Kommission, Parlament und Rat näherzubringen, etwa mit der Konferenz über die Zukunft Europas oder der Europäischen Bürgerinitiative. Diese Initiativen konnten das Demokratiedefizit der EU-Institutionen aber nicht beheben. Die EU sollte mehr Versuche unternehmen, die demokratische Beteiligung an ihren Entscheidungen zu verbessern.
Was wäre für einen «Schutzschild für die Demokratie in Europa» erforderlich?
Die Debatte über einen solchen Schutzschild dreht sich weitgehend um die Bedrohung durch Einmischung von außen. Zwar sind Angriffe externer Akteure beunruhigend, doch die meisten Ursachen für das demokratische Unbehagen in Europa liegen in seinem Inneren. Daher sollte es sich demokratisch erneuern, seine politischen Parteien, die Parlamente und die Organisationen seiner Zivilgesellschaft stärken, um die Bürger*innen besser mit der demokratischen Politik zu verbinden.
Elene Panchulidze arbeitet als Wissenschaftlerin beim Netzwerk European Partnership for Democracy in Brüssel.
Heike Holdinghausen ist freie Autorin und Redakteurin der taz.