COP29 in Aserbaidschan: Zivilgesellschaft fordert Menschenrechte und Klimagerechtigkeit

Statement

Wir, die unterzeichnenden zivilgesellschaftlichen Organisationen, Bewegungen, Gruppen und Einzelpersonen, weisen auf die dringende Notwendigkeit hin, sich im Vorfeld der diesjährigen Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29), die vom 11. bis 22. November 2024 in Baku stattfinden wird, mit schwerwiegenden Menschenrechtsproblemen in Aserbaidschan auseinanderzusetzen.

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Die nachfolgende Erklärung wurde durch die Heinrich-Böll-Stiftung auf Deutsch übersetzt. Der auf Englisch vereinbarte Originaltext der Erklärung findet sich hier.

Die aserbaidschanische Regierung unterdrückt seit langem und nachweislich die unabhängige Zivilgesellschaft und bringt kritische Stimmen zum Schweigen. Die Ausrichtung eines internationalen Treffens wie der COP29 in diesem Kontext gibt Anlass zu ernsten Bedenken, ob die Zivilgesellschaft, einschließlich Umweltaktivist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalisten*innen, vor, während und nach der Konferenz frei und sicher teilnehmen kann.

Die seltene internationale Aufmerksamkeit, die auf Aserbaidschan gerichtet ist, während das Land sich auf die COP29 vorbereitet, bietet eine wichtige Gelegenheit, große Besorgnis über das harte Vorgehen gegen die unabhängige Zivilgesellschaft zum Ausdruck zu bringen und auf ein Ende der Missstände zu drängen.

Aserbaidschanische Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass in dem Land Hunderte von Menschen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen hinter Gittern sitzen. Derzeit ist eine neue Verhaftungswelle im Gange, bei der Dutzende von Aktivist*innen und Medienvertreter*innen aufgrund unbegründeter, schwerwiegender Anschuldigungen verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden.

Zu den Verhafteten gehört auch Gubad Ibadoghlu, ein bekannter Akademiker und Experte für Korruptionsbekämpfung, der sich auf die aserbaidschanische Öl- und Gasindustrie spezialisiert hat. Dr. Ibadoghlu wurde am 23. Juli 2023 gewaltsam festgenommen. Die Behörden erhoben fingierte Anschuldigungen gegen ihn wegen Falschgelds und der Verbreitung extremistischen religiösen Materials. Während seiner neunmonatigen Haft verschlechterten sich seine chronischen gesundheitlichen Beschwerden drastisch, da die Behörden ihm eine angemessene medizinische Behandlung verweigerten. Dr. Ibadoghlu steht derzeit unter Hausarrest. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 17 Jahre Gefängnis.

Ein weiterer symbolträchtiger Fall ist der von Anar Mammadli, ein prominenter Menschenrechtsverteidiger und Gründungsmitglied der kürzlich gegründeten Climate of Justice Initiative. Hierbei handelt es sich um eine zivilgesellschaftliche Initiative, die die COP29 nutzen will, um gesellschaftlichen Freiraum und Klimagerechtigkeit in Aserbaidschan zu fördern. Mammadli wurde am 29. April 2024 inmitten des eskalierenden Vorgehens Aserbaidschans gegen unabhängige Stimmen verhaftet und fadenscheinig wegen Falschgeldschmuggels angeklagt.

Mindestens 18 Journalist*innen und andere Einzelpersonen mit Verbindung zu Abzas Media, Toplum TV und Kanal 13, den letzten verbliebenen unabhängigen Sendern in Aserbaidschan, sitzen entweder hinter Gittern oder sind anderweitig in unbegründete Strafverfahren verwickelt. Erst am 21. August verhafteten die Behörden Bahruz Samadov, Doktorand der Karlsuniversität in Prag und regelmäßiger Autor und Kommentator zahlreicher internationaler und regionaler Publikationen und Medien, während er zu Besuch bei seiner Großmutter in Baku war. Samadov befindet sich in Untersuchungshaft und wird des Hochverrats beschuldigt, was nach Auffassung vieler mit seinem freimütigen Friedensaktivismus zusammenhängt. Am 22. Juli verhafteten die Behörden einen weiteren Forscher, Igbal Abilov, ebenfalls unter dem fadenscheinigen Vorwurf des Hochverrats. Auch er befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft.

In seiner Eröffnungsrede vor dem UN-Menschenrechtsrat im Juni 2024 hob der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk Aserbaidschan als besonders besorgniserregend hervor und forderte die aserbaidschanischen Behörden auf, alle Fälle von Journalist*innen, Aktivist*innen und anderen Personen, die willkürlich ihrer Freiheit beraubt wurden, im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen zu überprüfen und sie unverzüglich freizulassen.

Die aserbaidschanische Regierung hat sich bisher geweigert, dieser und zahlreichen ähnlichen Aufforderungen ihrer internationalen Partner Folge zu leisten.

Robuster und menschenrechtsbasierter Klimaschutz erfordern eine volle und echte Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Klimaverhandlungen, einschließlich der wichtigsten Ergebnisdokumente der COP29. Angesichts der katastrophalen Menschenrechtslage in Aserbaidschan ist erforderlich, dass das Sekretariat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und die Mitgliedstaaten konkrete Schritte unternehmen, um einen sicheren Raum für eine vielfältige Beteiligung der Zivilgesellschaft an der COP29 zu gewährleisten. Sie sollten sicherstellen, dass die aserbaidschanische Regierung Einzelpersonen und regierungskritische Gruppen nicht an der Teilnahme an der Konferenz hindert und dass die gastgebende Regierung die Rechte aller Teilnehmer*innen auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung innerhalb und außerhalb des Konferenzortes respektiert.

Die diesjährige Klimakonferenz ist die dritte in Folge, die in einem autoritären Land stattfindet - nach Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten als Gastgeber der COP27 bzw. COP28. Wie von den Vereinten Nationen und anderen unabhängigen Experten hervorgehoben, sind die Achtung der Meinungsfreiheit, des Rechts auf friedliche Versammlung und die Vereinigungsfreiheit sowie die Gewährung kritischer Stimmen und des freien Informationsflusses wesentliche Voraussetzungen für eine wirksame und sinnvolle Bewältigung der Klimakrise und sollten eine Grundvoraussetzung für die Ausrichtung von Veranstaltungen wie der COP sein.

Das UNFCCC sollte Menschenrechtskriterien für künftige COP-Gastgeber festlegen, einschließlich einer Verpflichtung zur Wahrung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die eine Voraussetzung für ein ambitioniertes COP-Ergebnis sind. Darüber hinaus sollte das UNFCCC für diese und künftige Klima-COPs die Gastlandvereinbarungen - Vereinbarungen zwischen den Organisatoren des COP-Gipfels und den Behörden des Gastlandes - rechtzeitig veröffentlichen und zugänglich machen und sicherstellen, dass sie den internationalen Menschenrechtsvorschriften entsprechen.

Das UNFCCC und die Mitgliedsstaaten sollten auch sicherstellen, dass die Interessen der fossilen Brennstoffindustrie die Glaubwürdigkeit und die Ergebnisse der Klimaverhandlungen auf der COP29 und zukünftigen COPs nicht untergraben.

Wir fordern die UNFCCC und die Mitgliedsstaaten auf, die aserbaidschanische Regierung zur Einhaltung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen zu drängen, unter anderem durch die sofortige und bedingungslose Freilassung willkürlich inhaftierter Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Sie sollten auch die aserbaidschanischen Behörden auffordern, konkrete, messbare, strukturelle Reformen durchzuführen, wie z.B. die Änderung der Gesetze zur Regulierung von Nichtregierungsorganisationen und Medien, um sicherzustellen, dass positive Veränderungen über die COP29 hinaus Bestand haben. Sie sollten außerdem Mechanismen für die Nachsorge einrichten, um zu überprüfen, ob Fortschritte nach der COP29 aufrechterhalten werden, und um ein wirksames und rechtzeitiges Eingreifen zu ermöglichen, falls es zu Rückschritten kommt, insbesondere in Fällen von Vergeltungsmaßnahmen oder Gegenreaktionen, die auf das Engagement in oder im Umfeld der Klimaverhandlungen zurückzuführen sind.

Wir fordern die aserbaidschanische Regierung nachdrücklich auf, ihre Verpflichtungen als Mitglied zahlreicher multilateraler Organisationen und Initiativen, die Menschenrechtselemente enthalten, sowie ihre Verpflichtungen als Vertragspartei wichtiger internationaler Menschenrechtsverträge einzuhalten, indem sie die folgenden Schritte unternimmt:

  • Sofortige und bedingungslose Freilassung aller Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen der Zivilgesellschaft, die zu Unrecht aus politisch motivierten Gründen inhaftiert sind, und Einstellung der gegen sie erhobenen fingierten Anklagen;
  • Einstellung der Strafverfolgung als Instrument zur Unterdrückung von Regierungskritiker*innen und Mitgliedern der Zivilgesellschaft;
  • Aufhebung unangemessener Beschränkungen für die Zivilgesellschaft durch Änderung der Gesetze über die Registrierung und Finanzierung nichtstaatlicher Gruppen und der Medien, um sie in Einklang mit internationalen Standards und Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarats zu bringen.

Die Mitgliedstaaten und das Sekretariat des UNFCCC sowie andere wichtige internationale Akteure und Organisationen wie die Europäische Union, der Europarat, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Weltbankgruppe sowie Unternehmen mit Geschäftsinteressen in Aserbaidschan sollten sich mit der unabhängigen Zivilgesellschaft Aserbaidschans solidarisch erklären. Viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen kämpfen unter großem persönlichen Risiko weiter für Menschenrechte und Klimagerechtigkeit im Land und in der Region. Die internationalen Partner Aserbaidschans sollten sich hinter die in dieser Erklärung erhobenen Forderungen nach konkreten Fortschritten stellen, Aserbaidschan bezüglich ihrer Umsetzung zur Rechenschaft ziehen und dazu beitragen, dass die Regierung sie als dringende Angelegenheit betrachtet.

Organisationen:

  • Anar Mammadli Campaign to end repression in Azerbaijan
  • CEE Bankwatch Network
  • Center for American Progress 
  • Climate Rights International
  • Committee to Protect Journalists
  • Crude Accountability
  • Endangered Scholars Worldwide
  • FIDH (International Federation for Human Rights), within the framework of the Observatory for the Protection of Human Rights Defenders
  • Freedom Now
  • Heinrich Böll Stiftung
  • Human Rights Foundation
  • Human Rights House Foundation
  • Human Rights Watch
  • International Partnership for Human Rights
  • Natural Resource Governance Institute
  • New University in Exile Consortium
  • Norwegian Helsinki Committee
  • Open Contracting Partnership
  • PEN America
  • PEN International
  • People in Need
  • Publish What You Pay 
  • ReCommon
  • Reporters Without Borders (RSF)
  • World Organisation Against Torture (OMCT), within the framework of the Observatory for the Protection of Human Rights Defenders

Einzelpersonen:

  • Corinna Gilfillan
  • Simon Taylor, Co-Founder & Director, Hawkmoth

Mehr Informationen: Demand Rights at COP