Neuer Reichtum, alte Verträge? – Senegals Regierung kämpft für bessere Bedingungen

Kommentar

Senegals neuer Präsident Bassirou Diomaye Faye hat mehr Einnahmen aus den eigenen Bodenschätzen des Landes versprochen – doch das wird schwierig. Welche Karten hat er noch in der Hand?

Foto: Präsident Bassirou Diomaye Faye spricht bei einer Veranstaltung in Dakar am Rednerpult. Im Hintergrund sind die Flaggen der EU und des Senegal.
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Senegals neuer Präsident Bassirou Diomaye Faye im April 2024 in Dakar, Senegal.

Zum offiziellen Beginn der Ölförderung fliegt Senegals Präsident Bassirou Diomaye Faye mit dem Helikopter auf die schwimmende Plattform vor der Küste südlich der Hauptstadt Dakar, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Trotz einer mehr als zweijährigen Verzögerung und gestiegener Kosten des Projekts, herrscht eine ausgelassene Stimmung an Bord. Die anlaufende Förderung sei ein “Wendepunkt zur Steigerung des Wohlergehens jetziger und zukünftiger Generationen”, deklariert der junge Staatschef Faye feierlich bei seinem Besuch auf der Offshore-Plattform Mitte Juni.

Seine Worte spiegeln die großen Hoffnungen wider, die viele Senegalesen mit der Ausbeutung ihrer fossilen Ressourcen verbinden. Während andere Staaten das fossile Zeitalter hinter sich lassen, ist der Senegal nun mit großen Ambitionen in den Kreis der Ölproduzenten aufgestiegen. Ende des Jahres soll auch das zweite große Projekt Grand Tortue Ahmeyin im Norden Senegals in Betrieb gehen und den Weltmarkt mit Flüssiggas versorgen.

Etwas mehr als eine Milliarde Euro jährlich verspricht sich Senegal an Einnahmen aus den Öl- und Gasgeschäften, die die leeren Staatskassen schnell füllen und das Wachstum ankurbeln sollen. Besonders die Jugend hofft, dass nun rasch Arbeitsplätze für sie entstehen. Die enormen Erwartungen im Land wurden auch von der neuen Regierung geschürt.

Der Präsident war früher Steuerbeamter

Das Versprechen eines Bruchs mit der Vergangenheit und besserer Geschäftsbedingungen mit internationalen Partnern entfachten im Wahlkampf große Begeisterung und bescherten dem erst 44-jährigen ehemaligen Steuerbeamten Bassirou Diomaye Faye den überraschenden Wahlsieg. Im Mittelpunkt seiner Politik des “Gagnant-Gagnant” (franz. für Win-Win) stehen die Neuverhandlungen von Öl-, Gas- und Bergbauverträgen. Denn die Bevölkerung soll stärker von den eigenen natürlichen Ressourcen profitieren. Dies ist verständlich, denn Senegals Anteil am Kuchen wird zunächst winzig ausfallen. Der Direktor des senegalesischen Energiekonzerns Petrosen räumte erst kürzlich ein, dass der Staat hohe Zinsen für Kredite aufnehmen musste, um die Entwicklung der Öl- und Gasprojekte finanzieren zu können.

Schon jetzt ist klar: Die Tilgung dieser Kredite wird anfangs die erwarteten Einnahmen deutlich übersteigen. Die Schuldenlast des ohnehin hochverschuldeten Landes steigt daher zunächst weiter an. Nach über drei Monaten im Amt, will Präsident Faye seinen Worten nun Taten folgen lassen. Er ordnete die Überprüfung aller alten Verträge an, bevor sie wieder auf dem Verhandlungstisch landen könnten.

Das Geld wird jetzt gebraucht

Die Vorgehensweise der senegalesischen Regierung bleibt bislang jedoch unklar. Um dringend benötigte Investitionen nicht durch Rechtsstreitigkeiten zu gefährden, wägt die neue politische Führung ihre Handlungsoptionen sorgfältig ab. Was die Sache noch komplizierter macht: Die Verträge enthalten keine Klauseln, die Neuverhandlungen vorsehen, sondern schützen Unternehmen vor Rechtsänderungen. Daran zu rütteln wird also schwierig.

Zudem bieten die Verträge wenig Spielraum, die Situation der lokalen Bevölkerung zu verbessern. Eine von der Gasförderung betroffene Fischergemeinde in Saint-Louis fordert seit langem Entschädigungen für den Rückgang ihrer Fischbestände von BP. Bislang ohne Erfolg. BP ist auch an dem Flüssigerdgasprojekt im Norden beteiligt. Zwar könnten Schiedsgerichte Streitigkeiten klären, doch solche Verfahren sind oft teuer, langwierig und intransparent. Auch solche fehlenden Hebel, meint der Präsident, wenn er sagt, dass die Verträge von dem Vorgängerregime schlecht verhandelt wurden. Doch die neue Regierung braucht das Geld dringend, um die Hoffnungen auf schnelle Verbesserungen der Lebensbedingungen zu erfüllen. Bleiben diese aus, könnte das zu neuer Frustration bei der Jugend und zu sozialen Spannungen führen.

Regierung muss Schwierigkeiten offener kommunizieren

Um Enttäuschungen vorzubeugen, ist es daher umso wichtiger, dass die neue Führung in Dakar offen kommuniziert, was aus den Verhandlungen realistischerweise herauszuholen ist. Präsident Faye könnte seine große Popularität indes dafür nutzen, um die Hoffnungen der jungen Generation gezielt auf wirklich zukunftsträchtige Wirtschaftsbereiche zu lenken. Bei den Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien kann er zeigen, dass er es besser machen kann als seine Vorgänger. Durch die JETP-Partnerschaft („Just Energy Transition Partnership“) für eine gerechte Energiewende, die Frankreich und Deutschland koordinieren, erhält Senegal in den nächsten zwei bis fünf Jahren 2,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Finanzierungen.

Geld, das durch geschickte Verhandlungsführung auch in die Schaffung neuer Jobs fließen kann. Senegal ist dann nicht nur energetisch, sondern auch wirtschaftlich unabhängiger. Und das wäre nicht nur ein Bruch mit Vergangenem, sondern wirklich der versprochene Aufbruch in eine neue politische Ära.
 


Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst beim Tagesspiegel