Feministische Forderungen und rechter Widerstand auf UN Frauenkonferenz

Kommentar

Die 68. Sitzung der UN Fachkommission für Gleichstellung der Geschlechter und für die Förderung von Frauenrechten hat gezeigt, wie eng wirtschaftliche und Geschlechtergerechtigkeit miteinander verknüpft sind. Gleichzeitig hat sich die Verbindung zwischen der feministischen Basis und den UN-Institutionen drastisch abgeschwächt - perfektes Timing für Antigender-Akteur*innen, um die Verhandlungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Illustration: The Stars Are Us

Jedes Jahr im März verwandelt die Frauenrechtskommission (FRK, auf Englisch Commission on the Status of Women, CSW) das UN-Hauptquartier sowie die umliegenden Cafés und Veranstaltungsräume in ein feministisches Zentrum. Während die Regierungsdelegationen zwei Wochen lang über das Abschlussdokument (auf Englisch: agreed conclusions) verhandeln, diskutieren und entwickeln Aktivist*innen und Frauenrechtler*innen aus aller Welt Strategien, um Geschlechtergerechtigkeit weltweit umzusetzen.



In diesem Jahr fand das größte jährliche Treffen der Vereinten Nationen zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung der Rolle der Frau vom 11. bis 22. März unter dem Schwerpunktthema "Beschleunigung der Gleichstellung der Geschlechter und Teilhabe aller Frauen und Mädchen durch Armutsbekämpfung sowie durch die geschlechtergerechte Stärkung von Institutionen und Finanzpolitik" statt. Die Anerkennung des Zusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Gerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit ließ viele Feminist*innen, die an der FRK teilnahmen, auf progressive und transformative Vereinbarungen hoffen.

Anti-Gender-Strategien während der Verhandlungen

Zur diesjährigen FRK kamen Regierungen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Expert*innen und Aktivist*innen aus der ganzen Welt zusammen, um sich auf künftige Maßnahmen zur Beseitigung der geschlechtsspezifischen Armut und zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter zu einigen.



Die diesjährigen Verhandlungen über das gemeinsame Abschlussdokument waren jedoch aus mehreren Gründen alles andere als einfach.



Trotz des gemeinsamen Bekenntnisses zum Schwerpunktthema bestimmten konservative Ansätze und partikulare Forderungen die Verhandlungen stark, so dass sich die Debatte hauptsächlich um Semantik drehte. Vertreter*innen konservativer und autokratischer Regierungen setzten bewusst und strategisch antifeministische Taktiken ein, indem sie den produktiven Prozess behinderten und die Verabschiedung einvernehmlicher Schlussfolgerungen, wie die geschlechtsspezifischen und sozialen Ungerechtigkeiten wirksam angegangen werden könnten, verlangsamten. Diese Taktik ist natürlich kein neues Phänomen, sondern eine immer wiederkehrende Tendenz bei Plattformen wie der FRK und spiegelt den Vormarsch von Anti-Gender-Akteur*innen in multilateralen Räumen wider.



Darüber hinaus schränkten die kürzlich eingeführten Sparmaßnahmen bei den Vereinten Nationen den Verhandlungsprozess weiter ein. Zum einen hatten die Delegationen viel weniger Zeit zum Verhandeln als in den Jahren zuvor, zum anderen bot die verkürzte Zeit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die keinen Zugang zu den Verhandlungsräumen hatten, weniger Möglichkeit für wichtige Gespräche mit Verhandler*innen in den Pausen auf den Fluren des UN-Gebäudes. Dies trug ebenfalls dazu bei, dass man sich im Abschlussdokument auf einen bereits recht allgemeinen und abgeschwächten Text einigen musste.



Einige der trivialen Terminologiedebatten, die wir miterlebten, drehten sich um den eher binären Begriff "Gewalt gegen Frauen und Mädchen" gegenüber dem inklusiveren Begriff "geschlechtsspezifische Gewalt" (auf Englisch: gender-based violence). In ähnlicher Weise wurde das Konzept der "Geschlechtergleichheit" gegen das eher strukturelle und weitreichendere Konzept der "Geschlechtergerechtigkeit" ausgespielt. Darüber hinaus hatten viele fortschrittliche zivilgesellschaftliche Organisationen gehofft, dass mehr geschlechtertransformative Ansätze in den Text aufgenommen werden würden, und nicht solche, die nur auf binäre Geschlechterkategorien beschränkt bleiben.



Der LBTI-Caucus (Der „Lesbian, Bisexual, Trans, and Intersex Caucus“ ist eine informelle Gruppe von über 300 Vertreter*innen und Organisationen aus allen Regionen der Welt) wies auf einen weiteren sehr wichtigen Punkt hin: Der Raum für zivilgesellschaftliches Engagement während der FRK ist geschrumpft, da die Verhandlungen an unzugängliche Orte verlagert wurden und nicht-offizielle zivilgesellschaftliche Delegierte von den Verhandlungen ausgeschlossen wurden. Die Entfernung der Sofas vor den verschlossenen Türen begrenzte die Möglichkeiten der NRO-Akteur*innen, mit den Verhandlungsführer*innen in Kontakt zu treten und die Diskussionen, im Sinne ihrer Interessen, zu beeinflussen.

Was sind die Erfolge?

In den letzten Stunden der Verhandlungen verabschiedeten die Mitgliedstaaten das offizielle Abschlussdokument, die „Agreed Conclusions“, die Antworten auf die Fragen rund um das Schwerpunktthema sowie eine Reihe von Empfehlungen zur Beschleunigung der Fortschritte bei der Beseitigung von geschlechtsspezifischer Armut und der Förderung der Geschlechtergleichstellung enthalten.



Das Abschlussdokument bekräftigt die Pekinger Erklärung und die Aktionsplattform sowie die geschlechtergerechte Umsetzung der Agenda 2030 und erkennt die Bedeutung der vollen, gleichberechtigten, effektiven und sinnvollen Beteiligung von Frauen sowie der Bekämpfung von Armut und der Stärkung von entsprechenden Institutionen und Finanzierung an. Leider bleibt der Text in seiner Sprache sehr binär und ignoriert trans*, inter und nicht-binäre Menschen. Grundlegende Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz der Menschenrechte von LGBTQI* haben es nicht in den endgültigen Text geschafft.



Der Text erkennt auch an, dass Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark von Armut betroffen sind, was sich wiederum auf ihren Zugang zur Gesundheitsversorgung auswirkt. Auch die Themen geschlechtsspezifische Gewalt und sexuelle und reproduktive Gesundheit wurden trotz einigen Widerstands in den Text aufgenommen. Zu den Fortschritten gehörten hierbei die Forderung nach Erhöhung der Investitionen in Gesundheitstechnologien und nach Senkung der Eigenbeteiligung bei Gesundheitsleistungen sowie die Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung in allen Fragen der Sexualität und der reproduktiven Gesundheit.



Die Kommission erinnerte daran, dass das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass Frauen und Mädchen ihr Leben in vollen Zügen genießen können.



In Anbetracht der erheblichen Widerstände während der Verhandlungen ist der Text des Abschlussdokuments sehr allgemein gehalten und bekräftigt hauptsächlich die grundlegenden Menschenrechte und Werte, die von den meisten Menschen geteilt werden. Er äußert sich auch besorgt über den Hunger, das Ausmaß der verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die strukturellen und systemischen Hindernisse, die den Zugang von Frauen und Mädchen zur Bildung untergraben.

Israels Krieg im Gazastreifen und die Angriffe der Hamas auf Israel überschatten die FRK

Die Auswirkungen der brutalen Terroranschläge der Hamas am 7. Oktober und der aggressiven israelischen Angriffe auf den Gazastreifen, die sich auf spezifische Weise auf Frauen und Mädchen auswirken, wurden sowohl in den Verhandlungen als auch im Rahmen der sogenannten „Side Events“ und „Parallel Events“ thematisiert. Dabei wurden Fragmentierungen innerhalb der globalen feministischen Bewegungen deutlich, da sich die Veranstaltungen entweder ausschließlich auf israelische oder palästinensische Frauen und Mädchen konzentrierten. Der Women's Rights Caucus (ein globaler Zusammenschluss von mehr als 200 feministischen Organisationen, Netzwerken und Kollektiven, der sich für die Gleichstellung der Geschlechter im Rahmen der FRK einsetzt) kommt mit Bedauern zu dem Schluss, dass - „der Text der vereinbarten Schlussfolgerungen“ - trotz umfassender Verweise während der FRK auf die Konflikt- und Post-Konflikt-Situationen von Frauen und Mädchen und die Rolle von Frauen und Mädchen bei der Friedenskonsolidierung – „keine Formulierung zur Verurteilung ausländischer Besatzung und zur Unterstützung eines dauerhaften Waffenstillstands im Gazastreifen enthalten konnte, obwohl dies während der Verhandlungen zur Sprache gebracht worden war".

Wir wollen, dass alle Kriege, alle Kolonialisierung und alle Militarisierung sofort aufhören. Kein einziges ausgelöschtes Leben mehr, kein einziger verbrannter Baum, kein einziger ausgetrockneter Fluss und kein einziger besetzter Quadratmeter Land irgendwo.

(Soudeh Rad, Iranisch-Französische*r nicht-binäre*r Aktivist*in der ökofeministischen Organisation Spectrum, während der Verhandlungen)

Wo die Magie passiert: FRK abseits des UN-Geländes

Da die Verhandlungen zunehmend von den über 6000 Teilnehmer*innen der FRK abgekoppelt werden, liegt das eigentliche Potenzial der FRK außerhalb des UN-Geländes in den verschiedenen Veranstaltungsräumen, in denen feministische NGOs und andere zivilgesellschaftliche Organisationen Agenda-Setting betreiben und Vernetzungsveranstaltungen durchführen. Die Teilnehmer*innen können aus über 400 Parallelveranstaltungen wählen, die sich mit Themen wie reproduktiver Gerechtigkeit, queeren Kämpfen oder geschlechtsspezifischer Gewalt befassen. Als Antwort auf das diesjährige Schwerpunktthema war eines der meistdiskutierten Themen die feministische Finanzierung, oder „feminist funding“ - ein Finanzierungsansatz zur Unterstützung feministischer und marginalisierter Organisationen, die sich in vorderster Linie für Geschlechtergerechtigkeit in ihren Communities und regionalen Kontexten einsetzen. Feministisches Funding, so die meisten Panelist*innen, ist nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern ein wirkungsvolles Instrument zur Verwirklichung von Geschlechtergleichstellung und sozialer Gerechtigkeit. Die Podiumsgäste forderten eindeutig eine flexible, mehrjährige und strukturelle Finanzierung und wandten sich insbesondere an Geberorganisationen und Regierungen aus dem Globalen Norden, wo sich die Finanzierungskultur von Kontrolle hin zu Vertrauen verändern muss.

Wie weiter? CSW69 und Aufruf zum gemeinsamen Handeln

Die 69. Sitzung der Frauenrechtskommission im März 2025 wird sich auf die Überprüfung und Bewertung der Umsetzung der Pekinger Erklärung (30 Jahre nach ihrer Verabschiedung) konzentrieren. Sie wird sich mit der Umsetzung der Aktionsplattform befassen und analysieren, wo wir uns auf dem Weg zur Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung befinden. Schon jetzt fordern feministische Organisationen eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft an Plattformen wir der Summit of the Future und dem Peking+30-Prozess.

Die Globale Einheit für Feminismus und Geschlechterdemokratie wird zusammen mit Partner*innen und unserem internationalen feministischen Netzwerk versuchen, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen, mit dem klaren Ziel, die Stimmen des Globalen Südens zu verstärken und auf die Wahrung der Menschenrechte für alle zu drängen.