Mängel in der Infrastruktur lähmen das Land. Doch mit Verweis auf die Schuldenbremse sollen dringend nötige Investitionen auch in mehr Klimaschutz verschoben werden. Das ist riskant – und ökonomisch kurzsichtig. Die Schuldenbremse droht zu einer Zukunftsbremse zu werden.
In der Regierungskoalition wird heftig über den kommenden Haushalt 2025 gestritten. Denn Bundesfinanzminister Christian Lindner will gegenüber den Ressorts Kürzungen in zweistelliger Milliardenhöhe durchsetzen – während er sich gleichzeitig weigert, über Möglichkeiten für staatliche Mehreinnahmen und eine gesetzliche Erweiterung des Finanzrahmens zu reden. Mit seiner Blockade einer zukunftsfesten Reform der Schuldenbremse gefährdet er unser aller Freiheit, Sicherheit und Wohlstand.
Die Schuldenbremse darf nicht zur Investitionsbremse werden: Dafür habe ich bereits in meiner Kolumne im Januar plädiert (dies war auch Thema unseres Mittagsgesprächs „Was schulden wir der Zukunft?“ im Februar). Für dringend notwendige Staatsausgaben muss eine verlässliche und ausreichende Finanzierung sichergestellt sein. Und noch immer ist das Thema weiterhin hochaktuell (ein zweites Mittagsgespräch zu den Perspektiven einer europäischen Investitionsoffensive fand am 14. Mai statt).
Zwischen dem, was getan werden muss, und dem, was aktuell getan wird, klafft eine Lücke.
Dabei sind sich nahezu alle Fachleute und Parteien einig: Gerade in krisenhaften Zeiten braucht es einen Staat, der klug und vorausschauend agiert. Auch bestreitet wohl kaum jemand, dass ein Land nur dann funktionstüchtig und wettbewerbsfähig bleibt, wenn seine Infrastruktur intakt ist. Das beinhaltet Schulen, Schienen und Stromnetze genauso wie die Wärmeversorgung, Wasserstoffleitungen, Konnektoren und vieles mehr. Bislang allerdings investiert kein EU-Land so wenig in seine öffentliche Infrastruktur wie Deutschland: Während seit dem Jahr 2000 im europäischen Durchschnitt jährlich etwa 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dafür aufgewendet wurden, waren es in hierzulande durchschnittlich 2,1 Prozent.
Und nicht nur Mängel in der Infrastruktur lähmen das Land. Auch qualifiziertes Personal fehlt – Stichwort: Nachwuchs- und Fachkräfteproblem in zentralen Schlüsselberufen. Hinzu kommt: Eine echte Breitenförderung kleiner und mittelständischer Unternehmen für den Umbau unserer Wirtschaft hin zu Klimaneutralität fehlt. Dafür bräuchte es deutlich mehr Investitionsmittel und neue Förderinstrumente, die bestenfalls europäisch koordiniert werden.
Doch genau gegen diesen dringenden Bedarf an Instandsetzung und vorausschauendem Aufbau sperren sich der Bundesfinanzminister und seine Partei, die FDP. Sie verweigern sich einer Neujustierung der Schuldenbremse – obwohl mittlerweile auch das Gros der Wirtschaftsexpert*innen dringend dazu rät. Nur dieser Schritt würde die genannten Vorhaben ermöglichen – auch, weil Kommunen und Länder schlicht nicht über genug Mittel im laufenden Betrieb verfügen. Die Schuldenbremse ist zu einer Investitions-, ja zu einer Zukunftsbremse geworden.
Christian Lindner, so scheint es, versteigt sich indes immer weiter: Selbst Maßnahmen, mit denen die massive Inflation hierzulande abgefedert werden soll, will er kürzen. Auch Mittel für die zivile Krisenprävention in der Welt will er kürzen. Hier wird die Axt angelegt an Instrumente, deren Schwächung den demokratischen Zusammenhalt und auch unsere Sicherheit in Deutschland gefährdet.
Ein Wort zur Sicherheit: In der Diskussionen um den Haushalt 2025 äußerte sich Anfang Mai auch SPD-Fraktionsvize Achim Post: Für die SPD sei es wichtig, „die innere Sicherheit, die äußere Sicherheit und die soziale Sicherheit nicht gegeneinander auszuspielen“. Das ist richtig. Nur fehlt etwas Entscheidendes. Zur Erinnerung: Deutschlands Nationale Sicherheitsstrategie, die das Kabinett dieses Landes vor knapp einem Jahr beschlossen hatte, begreift die Sicherheit unseres Landes ganz eindeutig auch als Sicherheit unserer Lebensgrundlagen. Klimaschutz bedeutet Sicherheit.
Verhalten wir uns dementsprechend? Nein. Für das Sondervermögen der Bundeswehr gab es einen Konsens. Für ein Sondervermögen Klimaschutz fehlt er bislang. Obwohl Geld für Klimaschutz in die Hand zu nehmen schlichtweg bedeutet, den eigenen Hitzetod zu verhindern sowie für ausreichend Wasser zu sorgen – zum Trinken, für die Wirtschaft und für die Landwirtschaft, die unsere Ernährung sichert. Mit dem Klimawandel drohende Horrorszenarien muss man nicht aus Liebe zum Planeten verhindern wollen – aber mindestens aus vernünftiger ökonomischer Voraussicht heraus. Der Preis des Nichthandels wird um ein Vielfaches höher sein. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, brachte es Ende April in einer intensiven Diskussion im Deutschlandfunk auf den Punkt: Wir werden unseren Wohlstand nicht erhalten können, wenn wir weiterhin unsere Lebensgrundlagen weltweit zerstören.
Es wäre wichtig, dass SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz endlich auch gegenüber seinem Finanzminister deutlich macht: Ohne eine Anpassung der Schuldenbremse wird Deutschlands Sicherheit, Wohlstand und Freiheit nicht zu gewährleisten sein.