Bisher stark durch seine hohe Exportquote, schrumpft der deutsche Fahrzeugbau durch die Elektrifizierung. Große Teile der Wertschöpfungskette verlagern sich ins Ausland –
vor allem nach China. Das wirkt sich erheblich auf Produktionsstandorte, Arbeitsplätze und Berufsbilder aus.
Die Automobilindustrie in Deutschland sieht sich gleich mit mehreren einschneidenden Veränderungen konfrontiert. Allen voran steht die Elektrifizierung der Fahrzeugantriebe, die die Branche umkrempelt und schon jetzt zu globalen Verschiebungen in den Wertschöpfungsketten führt. Der Technologiewandel zeigt sich seit Längerem in den Forschungsschwerpunkten der Kfz-Industrie, wie die Patentanmeldungen mit Blick auf den konventionellen Antrieb mit Verbrennungsmotor, Getriebe und Abgasstrang im Vergleich zu den elektrischen Antrieben mit Batterien und Brennstoffzellen zeigen: Weniger als zehn deutsche Unternehmen haben über 80 Prozent aller Patente zum E-Antriebsstrang angemeldet. Das deutet darauf hin, dass viele kleinere Unternehmen hier noch keinen Wandel einleiten konnten. Gleichzeitig geht die zunehmende Digitalisierung insbesondere mit einem höheren Bedarf an Flexibilität und einer wachsenden Dezentralisierung der Produktion von Autozubehör einher. Hier bieten sich in Zukunft mit dem autonomen – also computergesteuerten – Fahren große Potenziale für neue Geschäftsmodelle, die den Wunsch nach unterschiedlichen Dienstleistungen zur Mobilität bedienen können.
Deutschland ist bislang auf die Herstellung hochwertiger Autos fokussiert. Die Dominanz im sogenannten Premiumsegment ermöglichte es lange, die Produktion zwischen 1999 und 2017 auf hohem Niveau stabil zu halten. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum verlor Italien fast die Hälfte seiner Automobilproduktion. Ein Unterschied zwischen den Standorten liegt in den durch die Premiumstrategie ermöglichten Exporten. Doch seither sind in Deutschland Produktion und Exporte deutlich zurückgegangen. Gerade in China sind neue Konkurrenten entstanden, die das Premiumsegment für Elektrofahrzeuge bedienen. Die chinesischen Hersteller haben ihren Marktanteil in ihrem Heimatland auf über 45 Prozent ausgebaut. Bei Batterien und der Software haben sich die Wettbewerbsbedingungen ebenfalls verschärft. Seit 2015 hat sich der Softwareanteil im Fahrzeug verdreifacht – Halbleiter und Batterien werden zu entscheidenden Faktoren in der Wertschöpfungskette.
Prognosen besagen, dass nach einem Anstieg bis 2025 das Volumen bis 2030 bei circa 5,4 Millionen Fahrzeugen pro Jahr stagnieren wird. Insgesamt werden bis 2030 somit zwar rund 0,9 Prozent mehr Fahrzeuge pro Jahr in Deutschland hergestellt. Der inländische Absatz wird aber von knapp vier Millionen Fahrzeugen im Jahr 2019 auf rund 3,3 Millionen im Jahr 2030 sinken. Dieser Strukturwandel führt dazu, dass sich einerseits ein beträchtlicher Teil der über zwei Millionen direkt oder indirekt der Automobilwirtschaft zugehörigen Arbeitsplätze verändert oder abgebaut wird, andererseits aber neue Jobs entstehen. Tendenziell ist sogar eher von einem leichten Wachstum von circa 25.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen auszugehen.
Hinter diesem Saldo verbergen sich jedoch große Umbrüche. Vor allem in der klassischen Automobilindustrie wird es zu einem starken Beschäftigungsabbau von etwa 180.000 Jobs kommen. Der Entwicklung kann aller Voraussicht nach nicht allein über den altersbedingten Übergang ins Rentenalter begegnet werden. Sondern es entsteht ein erheblicher Weiterbildungs- und Umschulungsbedarf, um Wechsel zwischen ähnlichen und neuen Berufsbildern zu ermöglichen. Zulieferunternehmen jedoch können insbesondere durch die Batterieproduktion profitieren, denn dort wird ein Zuwachs von rund 95.000 Jobs erwartet. Zusätzlich sorgt vor allem der wachsende Bedarf an Ladeinfrastruktur für einen weiteren Aufbau von geschätzt 70.000 Arbeitsplätzen.
Dieser Umbruch erfordert die Veränderungsbereitschaft von Beschäftigten im Hinblick auf ihre Tätigkeit und Flexibilität, da die neu entstehenden Arbeitsplätze nicht zwingend in der gleichen Region angesiedelt sein werden. Auch Lohneinbußen können eine Folge sein. Es liegt an den Unternehmen, den Sozialpartnern und der Politik, diesen Umbruch zu ermöglichen und sozial zu gestalten. Durch kluge Anreize und passende Vereinbarungen kann er gelingen.