Der großflächige Aufkauf von Ackerland wurde lange Zeit als ein Problem des Globalen Südens betrachtet. Doch auch in Deutschland nimmt Landgrabbing zu – kleine und mittlere Betriebe kommen dabei oft unter die Räder. Eine Wende in Richtung Gemeinwohlorientierung kann dagegen helfen.
Auf dem Bodenmarkt lassen sich seit Jahren ähnliche Dynamiken beobachten wie auf dem Wohnungsmarkt: Die Preise steigen – und große Flächen konzentrieren sich in den Händen weniger Akteur*innen. Auch überschneiden sich beide Märkte zunehmend. Exemplarisch dafür ist der Verkauf der Röderland GmbH im brandenburgischen Elbe-Elster-Kreis. Ein Landwirt hatte dort acht Millionen Euro für den etwa 2.500 Hektar großen landwirtschaftlichen Betrieb zahlen wollen und wurde von der Quarterback Immobilien überboten, die auf Teilen der Flächen nun Photovoltaik-Anlagen installieren will. Zu 40 Prozent gehört Quarterback dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen, der 2021 mit dem Immobilienunternehmen Vonovia fusionierte. Zusammen gehören ihnen etwa 10 Prozent der Mietwohnungen in Berlin und über 550.000 Wohnungen in ganz Deutschland.
Eine weitere Parallele zwischen beiden Märkten ist die Intransparenz: Eigentumsstrukturen und Unternehmensverflechtungen werden behördlich und in Datenbanken nur selten erfasst. Und auf beiden Märkten werden Anteilskäufe – sogenannte Share Deals – nur unzureichend reguliert. Die Käufer*innen profitieren von einer Gesetzeslücke und können bei Anteilskäufen Grunderwerbssteuern umgehen, die sonst beim Immobilien- oder Landkauf anfallen würden.
Käufe durch agrarfremde Investor*innen finden vor allem in Ostdeutschland statt, seltener in Westdeutschland. In Ostdeutschland haben Investor*innen wie die Münchener Rück, die Lukas-Stiftung (Aldi) oder die Zech-Stiftung in den letzten 15 Jahren landwirtschaftliche Betriebe und deren Flächen aufgekauft und Land hinzugepachtet. Der Grund für die unterschiedliche Entwicklung auf dem Bodenmarkt in Ost und West sind historisch gewachsene Agrarstrukturen: So schlossen sich in der DDR private Landwirtschaftsbetriebe im Zuge der sogenannten Landkollektivierung – oftmals unter Zwang – zu großen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) zusammen, oftmals unter Zwang. Nach 1990 wurden LPGs in der Regel in Gesellschaften westdeutschen Rechts wie GmbHs, eGs oder AGs umgewandelt. Diese bewirtschaften heute etwa 50 Prozent der ostdeutschen Agrarflächen. Aufgrund der historischen Entwicklung sind landwirtschaftliche Betriebe in Ostdeutschland im Schnitt deutlich größer als in Westdeutschland – und je größer ein Betrieb, desto attraktiver ist er für Kapitalanleger*innen und eine agrarindustrielle Bewirtschaftung. Kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben hingegen fehlen häufig die finanziellen Mittel, um größere Flächen zu kaufen.
Seit 1962 ist im Grundstückverkehrsgesetz ein Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Flächen festgeschrieben. Die Idee dahinter: Das Land soll denen gehören, die es bewirtschaften, und auf möglichst viele Menschen verteilt sein. Das Szenario, dass ein Landwirtschaftsbetrieb einer juristischen Person gehören kann, wurde damals nicht erwogen. Heutzutage kommt es bei Share Deals oft dazu, dass Firmen Anteile eines Landwirtschaftsbetriebs kaufen, worüber sie den Zugriff auf die Flächen erhalten. Weil der Flächenkauf also nur indirekt erfolgt, können dadurch das Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Betriebe und die Anzeigepflicht ausgehebelt werden. Agrarstrukturgesetze könnten diese Regulierungslücke schließen, indem sie die Anteilskäufe erstens erfassen und zweitens regulieren. Das könnte den Anstieg der Kauf- und Pachtpreise abbremsen. Insbesondere die ostdeutschen Bundesländer arbeiten derzeit an entsprechenden Gesetzen.
Ein weiterer Hebel, um mehr landwirtschaftlichen Betrieben den Zugang zu Land zu sichern, ist das Konzept der Progressiven Grunderwerbsteuer. Es sieht vor, dass kleinere Betriebe keine oder eine vergünstige Grunderwerbsteuer zahlen – im Gegensatz zu Akteur*innen mit viel Eigentum.
Gemeinwohlorientierte Bodenträger wie die Kulturland-Genossenschaft oder das Ackersyndikat versuchen, kleineren landwirtschaftlichen Betrieben trotz der hohen Preise für Agrarland einen Zugang zu Boden zu ermöglichen. Dafür erwerben sie in enger Absprache mit den Betrieben das Land und stellen es diesen dann für einen möglichst niedrigen Pachtpreis zur Verfügung. Solche und andere Initiativen können als Vorreiter*innen für ein Umdenken in Richtung Gemeinwohlorientierung bei Landvergaben funktionieren. Denn genau wie Wasser ist auch Boden zentrale Lebensgrundlage für Menschen weltweit, die geschützt und geteilt werden muss. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hat einen Kriterienkatalog entwickelt, dessen Anwendung dabei helfen könnte, dass sich Boden nicht mehr als Ware in den Händen weniger Großinvestor*innen konzentriert. Demnach soll zum Beispiel nicht mehr das Höchstgebot bei Verkäufen von Agrarflächen den Ausschlag geben, sondern die Qualität der angedachten Bewirtschaftung. Dadurch können landwirtschaftliche Betriebe bevorzugt werden, die den Schutz der Böden, der Artenvielfalt und des Klimas berücksichtigen.