Handreichung für die Archivierung von Dokumenten

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Ordner im Archiv Grünes Gedächtnis

Wohin mit unseren Unterlagen?

Handreichung für die Archivierung von Dokumenten kommunaler Gliederungen von Bündnis 90/Die Grünen

Wer kennt das aus dem Arbeitsalltag im Büro des Kreis- oder Ortsverbandes eigentlich nicht? Das Büro ist voll mit Akten, der Keller auch! Frühere Vorstands- und Fraktionsmitglieder haben Unterlagen zu Hause, aber niemand weiß, was genau. Auf einem alten PC liegen wahrscheinlich noch wichtige Daten, aber wer kennt den Zugang? Die aktuell genutzten PCs müssen dringend aufgeräumt werden und dann sind da noch die Probleme der Sicherung von Social-Media-Accounts, von Websites…

Akten ins Archiv!

In einem Archiv stehen eure Dokumente im Mittelpunkt. Hier werden sie nach archivischen Regeln gesammelt, aufbewahrt und so bearbeitet, dass sie für die Forschung, die politisch interessierte Öffentlichkeit und für euch selbst zugänglich sind, vorausgesetzt die Archivgesetzgebung eures Bundeslandes und Datenschutzgesetze (v.a. § 89 DSGVO) schränken die Nutzung nicht ein.

Alles aufheben?

Eure Unterlagen dokumentieren eure politische Arbeit. Sie sind eure Geschichte und damit Teil der Geschichte eurer Kommune, eurer Region. Natürlich kann nicht alles aufgehoben werden und nicht alles ist es wert, aufbewahrt zu werden. Aus diesem Grund sollte die Entscheidung über aufheben oder nicht aufheben gut überlegt getroffen werden. Holt auf jeden Fall vorab archivfachlichen Rat ein!

Welches Archiv ist geeignet?

Wir empfehlen die öffentlichen Archive vor Ort Ort. Sie haben die Aufgabe, die Bürgerpartizipation, auch die Arbeit von Parteien, in ihrem Zuständigkeitsbereich zu überliefern und zugänglich zu machen. Eure Dokumente werden also im kommunalen Archiv in den politischen Zusammenhängen verwahrt, in denen sie entstanden sind und in denen ihr arbeitet. Auch die Akten anderer politischer Akteur*innen aus eurer Region haben hier einen geeigneten Aufbewahrungsort.



Für die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin gibt es zurzeit besondere Verfahren. Bündnisgrüne Kommunalverbände aus Bremen können sich an das Staatsarchiv Bremen wenden, aus Bremerhaven an das dortige Stadtarchiv.



Das Staatsarchiv Hamburg sowie das Landesarchiv Berlin übernehmen keine Unterlagen von Kommunalverbänden der Parteien. Aktuell gibt es daher kein Archiv, das die Unterlagen übernehmen könnte. Wir prüfen derzeit alternative Lösungsmöglichkeiten.



Wir, das Archiv Grünes Gedächtnis, sind das Archiv von Bündnis 90/Die Grünen. Wir konzentrieren uns darauf, die Unterlagen der Europa-, Bundes- und Landesebenen zu sichern.

Was ist archivwürdig?

Die wichtigsten Regeln lauten: Originale aufheben, auch wenn sie digitalisiert wurden, und nichts vernichten, bevor ihr euch mit einem Archiv beraten habt! Wichtig für eine gute Überlieferung eurer Arbeit sind zunächst einmal die Unterlagen, die täglich auf euren Schreibtischen liegen, in euren Mailboxen landen, mit und an denen ihr in der Geschäftsstelle und an denen eure Parteigremien arbeiten und die für die laufende Arbeit nicht mehr benötigt werden:

  • Gremienunterlagen der Vorstände, von Sitzungen und Arbeitsgruppen mit Einladungen, Protokollen, Berichten, Strategiepapieren, Beschlüssen
  • Schriftverkehr
  • Mitgliederverwaltung aus der Zeit vor Einführung der zentralen Mitgliederverwaltung mit der Software Sherpa
  • Jahresfinanzabschlüsse und Prüfberichte
  • Verträge, z.B. Personal, Immobilien, Büroräume, Agenturen
  • Unterlagen aus Koalitionsverhandlungen
  • Unterlagen von Veranstaltungen, Wahlkämpfen
  • Fotos, Filme, Tonaufnahmen, Transparente, Plakate, Postkarten, Buttons, Aufkleber, Giveaways z.B. aus Wahlkämpfen
  • Publikationen eures Verbandes als Printausgabe und elektronische Publikation: Zeitschriften, Newsletter, Pressemitteilungen, Flyer, Wahlprogramme, Broschüren
  • Vor- und Nachlässe von wichtigen Politiker*innen und Aktivist*innen, da sie grundsätzlich genauso wichtig sein können wie die Unterlagen eures Kreis- oder Ortsverbandes. Sollten euch solche Bestände angeboten werden bzw. ihr von Nachlässen erfahren, die dringend sicher untergebracht werden müssen, beratet euch mit uns oder eurem Archiv vor Ort über eine geeignete Lösung.
  • Dokumente aus der Gründungsphase eures Verbandes, weil diese Zeit allgemein schlecht dokumentiert ist. Gebt diese Schätze auf jeden Fall auch ans Archiv ab.

Was nicht aufgehoben werden muss!

Die Presseberichterstattung zu euren Aktivitäten. Kommunale Archive werten in der Regel die regionalen Zeitungen aus und archivieren sie, sodass die Sicht der Presse auf eure Arbeit hier bereits überliefert wird. Rein organisatorische Unterlagen, z. B. aus der Vorbereitung von Veranstaltungen, allgemeine Materialsammlungen, fliegende Blätter ohne Zusammenhang, Publikationen, die nicht von euch sind, müssen ebenfalls nicht aufgehoben werden. Unterlagen aus der kommunalpolitischen Arbeit eurer Fraktion werden bereits vom kommunalen Archiv archiviert. Ähnliches gilt für Quellen aus der Arbeit des Bundes- bzw. eures Landesverbandes, die im Archiv Grünes Gedächtnis ein zuständiges Archiv haben.

Was ist mit digitalen Unterlagen?

Digitale Unterlagen müssen archiviert werden. Solltet ihr aber parallel noch eine systematisch geführte Papierüberlieferung haben, dann reicht diese. Üblich ist heute das Nebeneinander von Papier- und Digitalablage, sodass Beides gesichert werden muss. Vorab muss mit eurem Archiv vor Ort geklärt werden, ob es bereits ein digitales Archiv führt. Wenn ja, werden euch die Anforderungen für die Übernahme digitaler Unterlagen genannt. Wenn nein,

  • bietet sich als mehrjährige Zwischenlösung das Abspeichern auf eurem Server oder, solltet ihr keinen Server haben, die zweifache Sicherung auf externen Festplatten an, bis das Kommunalarchiv ein digitales Archiv anbieten kann. Wichtig für diese Form der Zwischenlösung ist es, ein abgeschlossenes System einzurichten, das von eurer aktiven Ablage getrennt ist.
  • sind externe Speichermedien wie CDs, DVDs, Bluerays, USB-Sticks nicht geeignet, da sie sich nur für die kurzfristige Übertragung von Daten bzw. als Zwischenlösung eignen.
  • sollten alle Dateiformate, die z. B. von gängigen Officeformaten abweichen oder proprietäre Formate, die nur mit einer Software geöffnet werden können, vor einer Zwischenarchivierung konvertiert werden. Eine Orientierung an den Standards, die die schweizerische Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST) und Nestor, ein deutscher Kooperationsverbund von Partnern, die mit digitaler Langzeitarchivierung zu tun haben, v.a. für Text-, Bild-, Audio-, Video-, Tabellenformate vorschlagen, ist ratsam. Beide Einrichtungen informieren auch über Tools zur Erhaltung digitaler Objekt und bieten einige Werkzeuge kostenfrei an.
  • sollten auch eure Emails, Homepages und Social-Media-Aktivitäten archiviert werden. Sie sind Teil eurer politischen Kommunikation. Technisch ist das derzeit allerdings kaum zu stemmen. Hier bieten die Webarchivierungstools, die bei KOST und Nestor empfohlen werden, Hilfestellung. Die Emailkommunikation stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Solltet ihr einen leistungsstarken Server haben, sollte nach jetzigem Stand das gesamte Postfach archiviert werden.

Vorbereitung einer Aktenabgabe

Wir raten zu einem VertragVertrag zwischen euch als Aktengeber und dem Archiv. Im Vertrag sollten die beiderseitigen Rechte und Pflichten festgelegt sein. Hier empfiehlt sich die Übernahme der im Archiv geltenden Regeln. Wir raten, darauf zu achten, dass im Vertrag folgende Aspekte geregelt sind:

  • Eigentumsübertrag (Schenkung) / Eigentumsvorbehalt (Leihgabe)
  • Zugänglichkeit zu euren Unterlagen
  • Nutzungsmöglichkeiten durch Dritte
  • Verwertungs- und Urheberrechte
  • Beachtung relevanter gesetzlicher Bestimmungen, insbesondere die des Datenschutzes
  • Kosten der Magazinierung, des Transports

Nicht in allen Kommunalarchiven können eure Unterlagen direkt bearbeitet werden. Um eine geordnete Abgabe und damit auch für euch jederzeit einen gezielten Zugriff auf eure Unterlagen sicherzustellen, stellt vor Ablieferung eine durchnummerierte und mit Titeln versehene Abgabeliste zusammen.

Beispiel für eine Abgabeliste

Das Archiv Grünes Gedächtnis

Sollte es weiteren Beratungsbedarf geben, stehen wir, wenn möglich, zur Verfügung. Schreibt einfach eine Email an archiv@boell.de

Zu eurer Orientierung findet ihr hier Links zu weiterführenden Informationen, einige Musterverträge und unseren Vorschlag für eine Abgabeliste:



Empfehlung der Bundeskonferenz der Kommunalarchive

nestor

KOST

LWL-Archivamt für Westfalen

Hessisches Landesarchiv