
Immer mehr Menschen in Deutschland sind erwerbstätig. Die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ermöglicht Übergänge zwischen Erwerbsformen, fördert Qualifikationen und gibt Starthilfen zur Selbstständigkeit.

Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland ist erwerbstätig, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Arbeit definiert darüber hinaus die soziale und gesellschaftliche Stellung, bietet Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung. Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland stieg in den Jahren 1991 bis 2020 von knapp 39 Millionen auf rund 45 Millionen an, davon sind 47 Prozent Frauen. Gut 33 Millionen Menschen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon 1,7 Millionen verbeamtet, gut vier Millionen selbstständig oder mithelfende Familienangehörige, weitere gut sieben Millionen geringfügig beschäftigt.
Neue Strukturen auf dem Arbeitsmarkt
Die Arbeitslosenquote sank vom Höchststand 13 Prozent im Jahr 2005 auf 5,6 im September 2021. Die positive Entwicklung ging mit massiven Veränderungen am Arbeitsmarkt einher: Nur noch jeder vierte Mensch arbeitet in der Industrie, knapp 75 Prozent aller Erwerbstätigen sind mittlerweile im Dienstleistungssektor beschäftigt, wobei neben der großen Nachfrage nach Hochqualifizierten in der IT vor allem soziale und personenbezogene Dienstleistungen expandieren. Auch das hat dazu beigetragen, die Frauenerwerbsquote von 57 Prozent 1991 auf knapp 73 Prozent 2019 zu erhöhen.
Die neuen Strukturen verändern auch die Art und Weise, wie Menschen arbeiten: 2021 war schon jede beziehungsweise jeder fünfte Erwerbstätige „atypisch“ beschäftigt: Fast zehn Millionen Menschen arbeiteten in Teilzeit, davon gut vier Millionen in ausschließlich geringfügiger Beschäftigung. 4,6 Millionen Menschen haben befristete Arbeitsverträge und 780.000 sind bei Zeitarbeitsfirmen angestellt und werden an Unternehmen „ausgeliehen“.
Immer mehr Niedriglöhne
Atypische Beschäftigung ist nicht zwingend Ausdruck eines Problems. Sie wird von einem Teil der Beschäftigten bewusst gewählt, um beispielweise Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Die sozialen Risiken liegen jedoch in der Unregelmäßigkeit von Arbeitsvolumen und Einkommen, etwa bei Befristungen. Auch das Niedriglohnrisiko in atypischer Beschäftigung erhöht sich. Niedriglohn bedeutet, dass weniger als zwei Drittel des mittleren bundesdeutschen Durchschnittslohns verdient werden – also 2018 weniger als 11,05 Euro pro Stunde. Der Anteil Niedriglohnbeschäftigter ist seit den 1990er-Jahren von knapp 17 auf 20 Prozent im Jahr 2019 gestiegen; in Ostdeutschland liegt er sogar bei 25,3 Prozent. Der gesetzliche Mindestlohn, der 2015 eingeführt wurde, wird mit der nächsten geplanten Erhöhung ab 1. Juli 2022 bei 10,45 Euro liegen.
Frauen besonders von Altersarmut bedroht
Die Zunahme Erwerbstätiger insgesamt sowie der diversen Beschäftigungsformen geht mit ungleichen Chancen auf das Erzielen existenzsichernder Einkommen und sozialer Absicherung einher. Um eine weitere Spaltung des Arbeitsmarktes zu vermeiden, könnten höhere Mindestlöhne mit einer gesetzlichen Einschränkung prekärer Arbeitsformen gekoppelt werden. Für mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern wäre zudem eine ausgewogenere Verteilung der Erwerbsarbeit anzustreben. Denn Teilzeit und geringfügige Beschäftigung sind in der Mehrheit nach wie vor „Frauensache“, was aufgrund der geminderten Rentenansprüche der Altersarmut von Frauen Vorschub leistet, aber auch ihren Aufstieg in Führungspositionen erschwert.