Insekten bestäuben Blüten, bekämpfen Schädlinge und sorgen für reichhaltige Ernten. Seit langem schrumpfen ihre Populationen dramatisch, was Mensch und Natur in Bedrängnis bringt. Pestizide haben daran ihren Anteil.
Dramatisches Insektensterben weltweit
Im Jahr 2018 hat die Universität Sydney einen Bericht zum Insektensterben vorgelegt, der Forschungsstudien aus verschiedenen Kontinenten zusammenführt. Die Daten zeigen, dass die Population bei 41 Prozent aller Insektenartenarten zurückgeht und ein Drittel aller Arten vom Aussterben bedroht ist. Pro Jahr nimmt die Gesamtbiomasse der Insekten – so die Schätzung aus Sydney – um 2,5 Prozent ab. Die meisten der in die Untersuchung einbezogenen Forschungsstudien stammen aus Europa, einige aus Nordamerika und wenige aus Asien, Afrika oder Lateinamerika. Regionale Beispiele für Insektensterben gibt es viele: Im Vereinigten Königreich ist die Schmetterlingspopulation seit 1976 um etwa die Hälfte geschrumpft. In deutschen Naturschutzgebieten hat sich Stichproben zufolge die Biomasse der Fluginsekten zwischen 1989 und 2016 um 76 Prozent reduziert. In Nordamerika sind die Bestände des östlichen Monarchfalters in 30 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen. Und in den Niederlanden sank die Zahl der Köcherfliegen zwischen 2006 und 2016 um 60 Prozent. Für viele Regionen fehlen derzeit noch Daten, insbesondere für die Tropen. Die Erkenntnisse deuten aber darauf hin, dass der Rückgang ein globales Phänomen ist.
Klimakrise, Luftverschmutzung und Pestizideinsatz als wichtigste Ursachen
Die Wissenschaft führt das Verschwinden der Insekten auf eine ganze Reihe von Faktoren zurück wie den Verlust von Lebensräumen, die Klimakrise und Lichtverschmutzung. Auch der zunehmende Einsatz von Düngemitteln und invasive Arten spielen eine wichtige Rolle. Die Auswirkungen von Pestiziden auf Insektenpopulationen wurden bislang am ausführlichsten am Beispiel der Schmetterlinge untersucht – eine Insektengruppe, für die relativ gute Populationsdaten vorliegen. Forschende haben unter anderem festgestellt, dass in ökologischen Landwirtschaftsbetrieben mehr Schmetterlinge leben als in Nachbarbetrieben, die nicht auf ökologischen Anbau setzen. In Gärten, in denen Pestizide ausgebracht werden, kommen nur halb so viele Schmetterlingsarten vor wie in unbehandelten Gärten.
Die Auswirkungen von Pestiziden auf die Umwelt hat erstmals 1962 die Wissenschaftlerin Rachel Carson in ihrem Buch „Der stumme Frühling“ hervorgehoben. Darin machte sie auf die Probleme aufmerksam, die durch den Einsatz von Insektiziden wie DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) und Organophosphate verursacht werden. Diese Chemikalien wurden mittlerweile in den meisten Ländern verboten. Jedoch hat die Industrie sie durch neuere Verbindungen ersetzt, von denen viele für Insekten deutlich giftiger sind, zum Beispiel die in den 1990er-Jahren eingeführten Neonikotinoide. Weltweit sind sie die heutzutage am häufigsten verwendeten Insektizide – auf Insekten wirken sie etwa 7.000 Mal giftiger als DDT.
Immer weniger Wildpflanzen
Insekten sind auf ganz umfangreiche Art und Weise von Pestiziden betroffen. Obwohl Insektizide die Pflanzen vor Schädlingen schützen sollen, schaden sie letztlich allen Insekten, sowohl den Schädlingen als auch den Nützlingen. Sie töten auch die natürlichen Feinde von Pflanzenschädlingen: Insekten wie Marienkäfer, Schwebfliegen oder Florfliegen. Pflanzenschädlinge wie Blattläuse können sich dadurch oft schnell wieder erholen. Aber auch Fungizide und Herbizide schaden Insekten. Einige Fungizide wirken zum Beispiel synergistisch mit Insektiziden – ist ein Insekt beiden Substanzen gleichzeitig ausgesetzt, wirken sie noch giftiger. Darüber hinaus vernichten Herbizide den Pflanzenbewuchs, darunter Wildblumen, die eine wichtige Ressource für Landinsekten darstellen.
Insektensterben kostet Lebensqualität
Systemische Insektizide wie Neonikotinoide kontaminieren die Böden und werden von den Wurzeln der Wildblumen aufgenommen – was wiederum ihren Nektar und Pollen belastet. Neonikotinoide haben außerdem eine Reihe subletaler Auswirkungen auf Bienen. Sie rufen Lernschwierigkeiten hervor, die Kommunikation und Navigation der Bienen beeinträchtigen. Sie verschlechtern das Immunsystem, weshalb Bienen anfälliger für Krankheiten werden und außerdem schädigen sie deren Fruchtbarkeit. In einer aktuellen Studie – veröffentlicht im Fachmagazin „Science“ – wurden in drei Vierteln der weltweit gesammelten Honigproben Neonikotinoide gefunden. Honigproben enthalten darüber hinaus oft nicht nur einzelne Neonikotinoide, sondern gleich einen Cocktail aus zehn oder mehr Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden. Wenn Honigbienen diese Mischungen aufnehmen, ist es sehr wahrscheinlich, dass Tausende anderer Bestäuberinsekten beim Besuch der Blüten diese Mischungen ebenfalls aufnehmen.
All diese Auswirkungen werden im Zulassungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt. Obwohl die Folgen fatal sind: Ein fortschreitender Rückgang der Insekten bedroht lebenswichtige Ökosystemleistungen wie Bestäubung, Recycling und biologische Schädlingsbekämpfung. Das Insektensterben führt zu relevanten Lücken in Nahrungsnetzen und gefährdet letztlich das menschliche Wohlergehen durch geringere Qualität und Quantität unserer Ernten.