Illustration: Lisandra Flach

Die Globalisierung ist nicht am Ende …

... sie muss nur neu bewertet werden.

Die Vorteile der Globalisierung sind offensichtlich. Sie ermöglichte, die internationale Produktion und Güterversorgung effizient zu organisieren und die Spezialisierungsvorteile eines jeden Landes durch internationale Arbeitsteilung optimal zu nutzen. Allerdings geriet die Globalisierung während der Corona-Krise unter Druck. Der internationale Handel erwies sich anfangs als krisenanfällig und viele Lieferketten brachen durch Lockdowns und Grenzkontrollen zusammen. Die Pandemie brachte die Diskussion über die Rückverlagerung der Produktion zurück, um die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu reduzieren. Wird der Prozess der Globalisierung nach der Pandemie wie bislang voranschreiten, oder wird sich die Globalisierung unter dem anhaltenden Eindruck der Corona-Pandemie verändern? Und wie können wir Lieferketten widerstandsfähiger machen?

Es steht außer Frage, dass die Pandemie anfangs erhebliche Störungen in den Lieferketten verursacht hat. Allerdings setzten die Lockdowns global zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein, weshalb Produktionsausfälle teilweise durch Importe ersetzt werden konnten. Außerdem hat sich die Befürchtung, dass die Pandemie zur Gefährdung der Güterversorgung in Deutschland führen würde, nicht bewahrheitet.

Einerseits ist Deutschland im internationalen Vergleich stärker auf internationale Lieferketten angewiesen, andererseits verfügt es über eine starke Diversifizierung in Bezug auf Zulieferer. Unsere Analyse zeigt, dass nur elf Prozent der Güter, die Deutschland importiert, aus nur fünf oder weniger Ländern importiert werden. Und diese Waren, die von wenigen Lieferanten abhängig sind, kommen in ihrer Mehrzahl aus EU-Ländern. Die geografische Diversifizierung der Lieferkette Deutschlands schützt gegen Schocks.

Es ist zu erwarten, dass in Zukunft die Zahl der Probleme in den Lieferketten durch Naturkatastrophen, Pandemien und politische Krisen zunehmen wird. Um zu fragen, wie man Lieferketten widerstandsfähiger machen kann, müssen wir über Alternativszenarien nachdenken.

Unsere Studien zeigen, dass die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 nur marginal kleiner wären, wenn wir die Globalisierung zurückdrehen. Gleichzeitig würde das Zurückholen der Produktion nach Deutschland zu enormen Wohlstandsverlusten führen. Auch die räumliche Nähe ist keine Lösung für die aktuelle Krise, da die nächste Krise eine regionale sein könnte. Wir sollten stattdessen das Risiko von Lieferausfälle möglichst breit streuen, indem wir unsere Lieferketten klug über verschiedene Länder aufspannen. Die damit gewonnene Stabilität der Güterversorgung verspricht mehr als die wirtschaftliche Abschottung.

Neue Produktionstechnologien wie etwa die additive Fertigung machen Lohnkostenunterschiede weniger relevant und könnten zu graduellen Verkürzungen der Lieferketten im Bereich Güterhandel führen. Das bedeutet aber keineswegs das Ende der Globalisierung.

Vor allem wird die Globalisierung im Bereich des internationalen Dienstleistungshandels gewaltig voranschreiten. Der Dienstleistungshandel hat sich in den letzten zwanzig Jahren vervierfacht und erlebt mit der Pandemie einen Boom. Homeoffice und weitere Formen der digitalen Dienstleistungserbringung wie Fernunterricht, Finanzdienstleistungen oder Softwareentwicklung reduzieren die Grenzen für Exporteure und können globale Märkte für digitale Dienstleistungen schaffen. Plötzlich werden vormals nicht handelbare Dienstleistungen handelbar.

Zudem ist ein Trend zur Servitization zu nennen, also die Veränderung des Produktportfolios der Unternehmen weg von traditionellen Sachgütern hin zu einer Kombination aus Waren und Dienstleistungen. Beispielsweise enthält ein Auto eine Vielzahl von Dienstleistungskomponenten wie Software, Design, Engineering. Länder mit einer starken Industrie wie Deutschland können von Synergien zwischen Gütern und Dienstleistungen profitieren, um die Diversifizierung der Exporte zu erhöhen.

Die Globalisierung nach Corona wird folglich nicht rückabgewickelt, sondern mit dem Dienstleistungshandel einen neuen Schub bekommen sowie um den Gesichtspunkt der Resilienz der Lieferketten ergänzt.


Lisandra Flach ist Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft und Professorin für Volkswirtschaftslehre (insbesondere Ökonomik der Globalisierung) an der LudwigMaximilians-Universität München.

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