Viehzucht und Fleischverzehr sind Ursachen für den Ausbruch von Krankheiten, die von Wildtieren auf Menschen übergehen. Solche Zoonosen können katastrophal sein – wie im Fall von Covid-19.
Die internationale Organisation für Tiergesundheit (OIE) schätzt, dass 60 Prozent aller beim Menschen existierenden Infektionskrankheiten Zoonosen sind, also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden und umgekehrt. Sie verursachen etwa 2,5 Milliarden Krankheitsfälle bei Menschen – von der Malaria- bis zur Covid-19-Infektion – und 2,7 Millionen Todesfälle jedes Jahr.
Eine der wohl bekanntesten zoonotischen Infektionskrankheiten ist die Tollwut. In Deutschland kommt sie seit einigen Jahren nicht mehr vor, in vielen anderen Ländern der Welt hingegen schon. Viele solcher Krankheiten sind aber erst vor Kurzem aufgetreten, wie die Vogelgrippe, das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS, auch Atemwegssyndrom), das West-Nil-Virus, der „Rinderwahn“ (BSE) oder eben Covid-19. Der Ursprung dieser Infektion wird auf dem Wildtiermarkt der chinesischen Stadt Wuhan vermutet, wo das Virus durch den Konsum von Wildfleisch auf den Menschen übergesprungen sein soll. Bei der Übertragung von Zoonosen auf den Menschen spielen die Umstände von Fleischproduktion und -konsum eine zentrale Rolle. Untersuchungen haben ergeben, dass fast 75 Prozent der verschiedenen bekannten Zoonosen von Wildtieren stammen, beispielsweise durch den Konsum ihres Fleisches. Da immer mehr Flächen für die landwirtschaftliche Produktion genutzt und so die Lebensräume von Wildtieren zerstört werden, überschneiden sich die Lebensräume von Wildtieren und Menschen zunehmend. So steigt die Gefahr, sich bei infizierten Tieren anzustecken. Auch Zwischenwirte wie Zecken oder Mücken spielen eine Rolle. Der Anteil von Zoonosen an menschlichen Krankheiten wird sich mit steigender Weltbevölkerung und veränderten Konsummustern hin zu mehr Fleisch noch erhöhen, wenn nicht politisch umgesteuert wird.
Ein Beispiel für den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Zoonosen ist der gut untersuchte Ausbruch des Nipah-Virus in Malaysia. Brandrodung und eine starke Dürre in Indonesien vernichteten von August bis Oktober 1997 etwa fünf Millionen Hektar Wald. Die riesigen Rauchschwaden verhinderten, dass in Malaysias Wäldern ausreichend Blüten und Früchte gedeihen konnten. Flughunde, die das Nipah-Virus in sich trugen, suchten jetzt in Mangofarmen nach Nahrung. Das Virus wurde dort entweder durch ihren Speichel oder ihren Urin auf die Hausschweine übertragen, die ebenfalls Mangos fraßen. Die Schweine wiederum infizierten Bauern und Bäuerinnen, die an einer Enzephalitis erkrankten. Diese Gehirnentzündung verursachte Hunderte von Todesfällen, die Sterblichkeitsrate lag bei etwa 40 Prozent.
Stärkere Präsenz der Menschen, Verkleinerung der Lebensräume von Wildtieren und eine größere Zahl an Nutztieren: Diese drei Faktoren machen die Übertragung von Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen wahrscheinlicher. Einer im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichten Recherche zufolge können Rodungen oder Trockenlegungen von Flächen für die Landwirtschaft sowie die landwirtschaftliche Produktion mit mehr als 25 Prozent aller Infektionskrankheiten und mehr als 50 Prozent aller zoonotischen Infektionskrankheiten beim Menschen in Verbindung gebracht werden. Auch die industrielle Nutztierhaltung erhöht das Risiko der Übertragung. Während sich die Weltbevölkerung in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt hat, nahm die globale Fleischproduktion um mehr als das Dreifache zu. In Tierzahlen heißt das, dass im Jahr 2017 weltweit etwa 1,5 Milliarden Rinder, eine Milliarde Schweine, fast 23 Milliarden Geflügeltiere sowie mehr als 2 Milliarden Schafe und Ziegen gehalten wurden, vielfach in Gruppen von vielen Zehntausend Tieren auf engem Raum.
Die Weltgesundheits- und die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen warnen schon seit Jahren vor Pandemien im Zusammenhang mit industrieller Tierhaltung – vor allem von Geflügel und Schweinen. Besonders problematisch sind intensive Tierhaltungssysteme, in denen die genetische Vielfalt der Tiere sehr gering ist. Dringt in diese Systeme ein Virus ein, kann es sich leicht ausbreiten, weil es auf einen Schlag viele passende Wirtszellen findet. Ein enger Kontakt schafft dann auch für den Menschen ein hohes Risiko. Außerdem trägt der Handel sowohl mit lebenden Tieren als auch Fleischprodukten potenziell zur globalen Verbreitung von Zoonosen bei. Die der UN zuarbeitende wissenschaftliche Arbeitsgruppe für aviäre Influenza bei Wildvögeln ist überzeugt, dass die Vogelgrippe-Viren nicht nur durch Wild- und Zugvögel übertragen werden. Sie sieht auch in dem internationalen Handel mit Geflügel eine Gefahr, ebenso in den Infektionen in Geflügelbetrieben. Die Viren gelangen von dort in die Natur und werden dann auf Wildvögel übertragen.
Wie gefährlich die Vogelgrippe ist, hängt einerseits vom Erreger ab, andererseits vom Kontakt der Menschen mit krankem oder verendetem Geflügel. An der Vogelgrippe mit ihrem Erreger H5N1 erkrankten seit 2003 weltweit rund 850 Menschen, von denen etwa 450 starben, also mehr als die Hälfte. Wenn aber auch die Infektion von Mensch zu Mensch hinzukommt, drohen Millionen Tote. Spätestens die Covid-19-Infektion hat gezeigt, was bisher oft übersehen wurde: Um das Risiko künftiger Pandemien zu verringern, muss die Biodiversität unseres Planeten geschützt und die industrielle Tierhaltung umgebaut werden.