Weltweit steigt die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft. Einige der gefährlichsten Stoffe wurden in der EU bereits verboten, kommen in anderen Teilen der Welt aber im großen Stil zum Einsatz. Viele sind für den Anbau von Soja und Mais bestimmt, die meist im Futtertrog von Nutztieren landen.
Seit 1990 hat sich der Einsatz von Pestiziden weltweit verdoppelt. Heute beläuft er sich auf mehr als vier Millionen Tonnen jährlich. Es ist purer Pestizid-Wirkstoff, umfasst also die Substanzen, die Unkräuter, Insekten oder Pilzkrankheiten bekämpfen. Die Handelsmengen sind viel größer: Um die Anwendung zu vereinfachen und die Wirksamkeit zu verbessern, werden die Pestizide mit weiteren Chemikalien und Wasser gemischt. Während der Einsatz in vielen Ländern der Europäischen Union (EU) in den vergangenen 30 Jahren stagnierte, hat er in anderen Teilen der Welt stark zugenommen.
Dieser Anstieg beruht auch auf der weltweit wachsenden Nachfrage nach Fleisch. Denn sie fördert den Bedarf an proteinhaltigen Futtermitteln aus Soja, dessen wichtigste Anbauländer USA, Brasilien und Argentinien sind. Diese drei Länder gehören zu den größten Pestizidverbrauchern überhaupt. An Herbiziden, den Unkrautvernichtungsmitteln, wurden in den USA mehr als 250.000 Tonnen verwendet, in Brasilien knapp 230.000 und in Argentinien 161.000 Tonnen, zusammen knapp 70 Prozent des Weltverbrauchs.
Dort kommen die Agrarchemikalien in der Produktion zahlreicher Nutzpflanzen zum Einsatz. Das meistens zu Futtermittel weiterverarbeitete Soja spielt eine besondere Rolle. So sind etwa in Brasilien 52 Prozent der gesamten Pestizidverkäufe für die Anwendung im Sojaanbau bestimmt. Parallel zur Sojaproduktion, die sich seit 1990 fast versechsfachte, werden heute in Brasilien neun Mal mehr Pestizide gespritzt als vor 30 Jahren.
Die Zunahme des Pestizidverbrauchs in Brasilien und Argentinien hängt mit der Einführung von gentechnisch modifizierten (GM) Sojapflanzen Ende der 1990er-Jahre zusammen. Sie sind resistent gegen Glyphosat. So kann das Totalherbizid auch während der Wachstumsphase der Sojapflanze gespritzt werden, um konkurrierende Pflanzen zu vernichten. Doch je mehr Glyphosat zum Einsatz kommt, umso wahrscheinlicher wird es, dass die Unkräuter gegen das Herbizid resistent werden – weshalb die Landwirtinnen und Landwirte wiederum auf größere Mengen und andere Unkrautvernichter zurückgreifen. So ist ein Teufelskreis entstanden. Davon profitieren die Hersteller der Pestizide. Allen voran sind es die Unternehmen Syngenta mit Sitz in der Schweiz, Bayer und BASF aus Deutschland sowie Corteva und FMC aus den USA. Die fünf Konzerne kontrollieren mehr als 70 Prozent des globalen Pestizidmarktes, dessen Wert 2019 auf 60 Milliarden US-Dollar geschätzt wurde. Syngenta ist Weltmarktführer und erzielt allein ein Viertel des Branchenumsatzes.
Die Pestizide, die die fünf Konzerne verkaufen, unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise ebenso wie in ihrer Gefährlichkeit. Zivilgesellschaftliche Organisationen schätzen, dass die Unternehmen 2018 zusammen 35 Prozent ihrer weltweiten Pestizidumsätze mit den Substanzen erzielten, die als besonders schädlich für Menschen oder die Umwelt gelten. Die Nichtregierungsorganisation Pesticide Action Network (PAN) stuft sie als „hochgefährlich“ ein und stützt sich dabei auf nationale und internationale Bewertungen verschiedener Behörden.
Das Geschäft dieser „CropLife-Konzerne“ mit hochgefährlichen Pestiziden läuft beim Anbau von Futtermittelpflanzen besonders gut. Die Verwendung für Soja und Mais macht fast die Hälfte aller ihrer Verkäufe an hochgefährlichen Pestiziden aus. In ihrem größten Markt Brasilien entfielen sogar fast zwei Drittel auf den Sojaanbau. Spitzenreiter war Glyphosat, das von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde. Neben der Bayer AG, die den größten Teil ihres Glyphosatgeschäftes über den aufgekauften US-Konzern Monsanto erworben hat, vertreiben längst Hunderte andere Firmen das umstrittene Herbizid. Allein in Brasilien und allein für den Sojaanbau sind 246 glyphosathaltige Pestizidprodukte von 50 verschiedenen Unternehmen zugelassen.
Es kommen auch zahlreiche andere hochgefährliche Stoffe zum Einsatz. Beliebt ist zum Beispiel Paraquat. Dieses 1955 entwickelte Herbizid wurde wegen seiner hohen akuten Toxizität bereits in über 50 Ländern verboten, darunter die EU-Staaten und die Schweiz, China und seit September 2020 schließlich auch Brasilien. Trotzdem verkaufen es Syngenta und andere Firmen weiterhin in Ländern, in denen die Regulierung und ihre Umsetzung schwächer sind. Auch die deutschen und US-amerikanischen Konzerne vertreiben zahlreiche Pestizide, die in ihren Heimatmärkten wegen bekannter Risiken verboten sind. So verkauft die deutsche Bayer AG in Südamerika Insektizide, die innerhalb der EU verboten wurden, weil sie für Bienen höchst giftig sind.
Viele dieser Pestizide werden in der EU produziert und anschließend exportiert. Mit dem EU-Mercosur-Abkommen könnte dieser Handel weiter zunehmen, weil die Zölle für Chemieprodukte – einschließlich der für Pestizide – reduziert werden sollen. Immerhin: Die europäische Kommission will die Produktion von EU-weit verbotenen Chemikalien, darunter hochgefährliche Pestizide, für den Export stoppen. Erste Erfolge: In Frankreich tritt ein solches Verbot 2022 in Kraft. Der Export aus der Schweiz wird ab 2021 verschärft und für fünf Pestizide verboten.