Chronologie der Balkankriege

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Mai 1980: Mit dem Tod von Staats- und Parteichef Josip Broz Tito stirbt die zentrale Integrationsfigur Jugoslawiens. Damit verwandelt sich die schleichende Gesellschaftskrise endgültig in eine offene staatspolitische Krise.

1986: Durch einen innerparteilichen Putsch übernimmt Slobodan Milosević die Führung der serbischen Kommunisten. Zum Zweck des Machzuwachses in Serbien und darüber hinaus schlägt er einen populistischen Kurs ein. Als ideologische Grundlage dient ihm dabei das im gleichen Jahr veröffentlichte Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften, das kaum verdeckt einen großserbischen Nationalismus propagiert.

1987-89: Als Ausgangspunkt der populistischen Mobilisierung von Serben im gesamten Jugoslawien dienen Milosević die Auseinandersetzungen zwischen Albanern und Serben in der autonomen serbischen Unruheprovinz Kosovo. Vom Belgrader Regime geförderte nationalistische Massendemonstrationen von Serben aus dem Kosovo führen zum Rücktritt der Regierungen der serbischen Provinz Vojvodina wie der Republik Montenegro. In ihre Positionen gelangen Milosević-treue Kräfte. Im Kosovo erzwingt Milosević die Absetzung des albanischen Parteichefs, das serbische Parlament beschließt die Aufhebung des Autonomiestatus der Provinz Kosovo (und Vojvodina); beides wird von albanischen Streiks und gewaltsamen Protesten begleitet. Weitere Kundgebungen führen zur nationalistischen Mobilisierung von Serben in Kroatien (und begrenzt in Bosnien-Herzegowina).

In Slowenien, wo sich national orientierte Intellektuelle und Republikführung als Reaktion auf die Politik Serbiens angenähert haben, erklärt das Parlament im September ’89 die Souveränität der Republik.

1990:  Auf dem 14. Parteitag bricht die kommunistische Partei Jugoslawiens am Konflikt zwischen den Delegationen aus Serbien und Slowenien bzw. Kroatien auseinander. Damit hört das sozialistische Nachkriegsjugoslawien de facto auf zu existieren. Im Verlauf des Jahres finden in allen Republiken Mehrparteienwahlen statt, bei denen mit Ausnahme von Serbien und Montenegro die kommunistischen Parteien die Macht verlieren. In Kroatien erringt die nationalistische HDZ unter dem zukünftigen Präsidenten Franjo Tudjman die Macht, in Bosnien-Herzegowina gewinnt eine Dreierkoalition nationalistischer Parteien (kroatische HDZ, serbische SDS unter Radovan Karadžić, bosnisch-muslimische SDA unter Alija Izetbegović) die Wahlen.

1991: Nachdem Slowenien und Kroatien im Juni ihre Unabhängigkeit ausrufen, kommt es zum zehntätigen Krieg zwischen slowenischen Einheiten und der Jugoslawischen Volksarmee (JNA), der mit dem Abzug der letzteren endet. In Kroatien bricht der Krieg zwischen der entstehenden kroatischen Armee und lokalen bewaffneten Serben, die von der zerfallenden JNA unterstütz werden, aus.

1992: Anfang Januar erwirkt der UN-Vermittler Cyrus Vance einen Waffenstillstand für Kroatien, der die Stationierung von Blauhelmtruppen in serbisch kontrollierten Gebieten umfasst. Kroatien und Slowenien werden von den Staaten der EG und weiteren Ländern international anerkannt.

Anfang März findet in Bosnien-Herzegowina auf Initiative von SDA und HDZ ein Referendum über die Unabhängigkeit der Republik statt. Zwei Drittel der Wähler stimmen mit „Ja“, ein Großteil der serbischen Bevölkerung folgt dem Boykottaufruf der SDS, die den Verbleib der Republik im serbisch dominierten Rest Jugoslawiens fordert und bereits im Januar ihre eigene, serbische Republik in Bosnien (die sog. Republika Srpska – RS) ausgerufen hatte. Bewaffnete Anhänger der SDS errichten nach der Abstimmung für mehrere Tage Barrikaden in Sarajevo und weiten Teilen der Republik.

Nachdem die EG am 6. April 1992 die Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas anerkennt, beginnt der Bosnienkrieg. Bewaffnete Einheiten der SDS, unterstützt von paramilitärischen Gruppen aus Serbien und der Jugoslawischen Volksarmee erobern rasch 70 Prozent des bosnischen Territoriums. Sarajevo und weitere Städte werden belagert. Auf dem Gebiet der Republika Srpska kommt es zu systematischer „ethnischer Säuberung“. Im Verlauf des Sommers gelangen Informationen über Lager an die Weltöffentlichkeit, in denen Nicht-Serben tausendfach misshandelt und ermordet werden. Nach internationalen Protesten wird ein Großteil von ihnen aufgelöst.

Die in Bosnien stationierte UN-Blauhelmtruppe UNPROFOR mit ihrer Neutralitätsverpflichtung verkommt zum hilflosen Beobachter der Ereignisse.

Im Mai gründen Serbien und Montenegro den Bundesstaat Jugoslawien, gegen den die internationale Gemeinschaft kurz darauf Wirtschaftssanktionen verhängt.

1993: Ein Friedensplan der beiden internationalen Vermittler Vance und Owen, der die Aufteilung der Republik in 10 Kantone nach ethnischen Kriterien vorsieht, scheitert am Widerstand der politischen Führung der RS.

Der Teilungsplan befördert die Eskalation des schwelenden Konfliktes zwischen bosnischer Armee und den Militäreinheiten der HDZ zum offenen Krieg, führt zur militärischen Teilung der Stadt Mostar und zu weiteren ethnischen Säuberungen. Die HDZ ruft die Kroatische Republik Herceg-Bosna aus. Bosnisch-kroatische Einheiten zerstören die alte Brücke von Mostar.

Der Sicherheitsrat erklärt Srebrenica, Sarajevo und vier weitere, von bosnisch-serbischen Einheiten belagerte Städte zur UN-Schutzzone.

1994: Nachdem eine Granateinschlag auf dem Marktplatz von Sarajevo 69 Menschen tötet zieht die Armee der Republika Srpska ihre schweren Waffen um Sarajevo unter Androhung von Luftschlägen durch die NATO zurück.

Im März unterzeichnen in Washington die Vertreter der Republik Bosnien-Herzegowinas und der Herceg-Bosna einen Friedensvertrag, der die Gründung einer kroatisch-muslimischen Föderation in Bosnien beinhaltet.

Vertreter der sog. Kontaktgruppe (USA, Großbritannien, Russland, Frankreich und Deutschland) legen einen neuen Friedensplan vor, der die Neuordnung des Landes in zwei Entitäten – der Föderation und der RS – und der Gebietsverteilung von 49 zu 51 Prozent beinhaltet. In Belgrad stimmt Milosevic dem Plan zu, während ihn die RS-Führung in Pale ablehnt. Daraufhin verhängt Belgrad Sanktionen gegen die bosnisch-serbische Republik, und befreit sich so teilweise aus der internationalen Isolation.

1995: Im Frühjahr wendet sich das militärische Kräfteverhältnis zu Ungunsten der Armee der Republika Srpska. Die Bosnische Armee und bosnisch-kroatischen Einheiten erobern in gemeinsamen Militäraktionen im Verlauf von Sommer und Herbst weite Gebiete im Westen Bosniens.

In Kroatien gelingt der Armee in zwei kurzen Militäraktionen die Eroberung der serbisch kontrollierten Gebiete, die begleitet wird vom Massenexodus der dortigen Serben.

Nach Angriffsdrohung der NATO nimmt die Armee der RS im Mai 350 UN-Blauhelme als Geiseln und benutzt sie als lebende Schutzschilde.

In der einzigen erfolgreichen Gegenoffensive des Jahres erobern serbische Truppen am 11. Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica, und kurz darauf auch die benachbarte Schutzzone Zepa.

Nachdem ein weiterer Granateinschlag auf dem Markt von Sarajevo Ende August 41 Zivilisten tötet, bombardieren NATO-Kampfflugzeuge erstmals seit Beginn des Bosnienkrieges großflächig Stellungen der bosnisch-serbischen Armee. Daraufhin willigt schließlich die politische Führung der Republika Srpska als letzte der Aufnahme von Friedensverhandlungen auf der Grundlage des Kontaktgruppenplans zu.

Am 21. November unterzeichnen nach dreiwöchigen Verhandlungen unter Federführung des US-Vermittlers Richard Holbrook im amerikanischen Dayton die Vertreter Bosnien-Herzegowinas, der Bundesrepublik Jugoslawiens und Kroatiens das Dayton-Abkommen und beenden damit den Bosnienkrieg. Zentraler Bestandteil des Friedensvertrages ist die Dayton-Verfassung, die einen Staat Bosnien-Herzegowina vorsieht mit schwachen, weitgehend nach ethnischen Kriterien verfassten zentralstaatlichen Institutionen und zwei mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteten Entitäten, die ebenfalls zu weiten Teilen ethnische verfasst sind.

Am 14. Dezember 1995 unterzeichnen in Paris die Präsidenten Izetbegović, Milošević und Tudjman feierlich den Dayton Peace Accord.