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Wie viel Mitsprache ist erlaubt?

Die Asiatische Infrastruktur Investment Bank (AIIB) ist eine der wichtigsten globalen Finanzakteure. Sie präsentiert sich als umweltfreundliche Bank, die Betroffene hört, Umweltstandards berücksichtigt und keine Korruption toleriert. Ihre bisherige Bilanz lässt allerdings Zweifel aufkommen.

Das Motto der von China geführten Asiatischen Infrastruktur Investment Bank (AIIB) lautet «Lean, clean & green». Sie stellt sich als neue Bank fürs 21. Jahrhundert dar, die mit geringem Aufwand (lean) umweltfreundliche Projekte (green) finanziert und keine Korruption toleriert (clean). Seit der Aufnahme ihrer Geschäfte 2016 hat sie sich schnell zu einem der wichtigsten globalen Finanzakteure entwickelt. Drei Jahre nach ihrer Gründung sind alle wichtigen Richtlinien, die die AIIB Governance und Standards bestimmen, in Kraft getreten. Das Resultat ist äußerst bedenklich.

Während ihrer Aufbauphase hat die AIIB hauptsächlich Projekte anderer Banken mitfinanziert. Dies soll sich ab 2019 ändern. Die AIIB plant nun, zur global führenden Bank von großen Infrastrukturvorhaben zu werden. Dabei geht es um Exportkorridore, Kraftwerke,  Staudämme, Pipelines und dergleichen. Projekte dieser Art sind per Definition mit hohen Risiken behaftet, die von irreversiblen Umweltschäden und Zwangsvertreibungen bis zu massiver Korruption und Schuldenbergen reichen.

Mit der Gründung der AIIB ist China ein globaler Coup gelungen, der die industriellen Länder der G7 gespalten hat. Die Obama- Administration hatte die Europäer eindringlich dazu angehalten, der AIIB nicht beizutreten. Sie sah die AIIB als Instrument geopolitscher Machtinteressen Chinas, bei dem Transparenz und Umweltschutz unter den Tisch fallen würden. Aber gerade der traditionell verlässlichste Partner der USA, das Vereinigte Königreich, scherte aus und wurde AIIB-Gründungsmitglied. Kurz darauf folgten die Bundesrepublik und andere europäische Staaten. Auch ohne die USA und Japan als Mitglieder steht China jetzt zum ersten Mal an der Spitze einer multilateralen Institution. Dank der Beteiligung westlicher Staaten genießt sie einen Status, der mit anderen von westlichen Ländern geführten Institutionen –  wie zum Beispiel der Weltbank –  vergleichbar ist.

Die AIIB hat derzeit 74 Mitgliedsstaaten und 26 weitere Staaten möchten beitreten. China ist mit zirka 30 Prozent der bei weitem größte Anteilseigner und hat effektiv Vetorecht. Nach China, Indien und Russland folgt die Bundesrepublik als viertgrößter und wichtigster westlicher Anteilseigner mit etwa 4,6 Prozent.  Aber wichtiger als der prozentuale Beitrag Deutschlands und anderer westlicher Staaten ist die internationale Glaubwürdigkeit, die ihre Mitgliedschaft der AIIB verliehen hat. Das wurde von den drei großen internationalen Ratingagenturen attestiert, die ihr 2017 das begehrte Triple-A Credit Rating zuteilten. Damit kann die AIIB zu günstigen Konditionen Gelder auf internationalen Kapitalmärkten aufnehmen und ihr Startkapital von 100 Milliarden US-Dollar erweitern.

Das Finanzministerium rechtfertigte den Beitritt Deutschlands damit, sich für hohe Umweltstandards und beste Praktiken einsetzen zu wollen. Die Bundesregierung hatte richtig erkannt, wie fundamental wichtig solche Standards bei großen Infrastrukturprojekten sind. Schließlich geht es um Projekte wie große Kraftwerke, die jahrzehntelang Treibhausgase ausstoßen und die Klimaerhitzung weiter beschleunigen. Oder um Straßennetze, die durch ökologisch intakte Gebiete führen und hohe Risiken für den Schutz von Biodiversität und Wäldern bergen. Ganz zu schweigen von der Luftverschmutzung und dem Verlust von Land, den die Gemeinschaften vor Ort erleiden müssen.

«Mit der Gründung der AIIB ist China ein globaler Coup gelungen, der die industriellen Länder der G7 gespalten hat. Die Obama-Administration hatte die Europäer eindringlich dazu angehalten, der AIIB nicht beizutreten.»

Wie schnell man aber an die Grenzen seiner Einflussmöglichkeiten kommt, hat die Bundesrepublik bald erfahren können. Berlin plädierte dafür, dass der AIIB-Aufsichtsrat seine Aufgaben in Peking wahrnimmt. Aber der von China ernannte AIIB-Präsident setzte es durch, seinen Aufsichtsrat auf Distanz zu halten und die Mitglieder in ihren jeweiligen Hauptstädten zu belassen, mit der Begründung, das sei effizienter. Die Bundesregierung fand für sich einen Kompromiss. Der Repräsentant aus Berlin ist bei der deutschen Botschaft in Peking untergebracht, wohl in der Hoffnung, die AIIB so enger beaufsichtigen zu können. 

Die AIIB-Betonung auf «Effizienz» hat von Januar 2019 an ein neues Stadium erreicht. Mit der Bewilligung eines sogenannten. «Accountability Frameworks»  kann der AIIB-Präsident nun ganze Kategorien von Krediten genehmigen, ohne den Aufsichtsrat einzubeziehen. Dieser Trend soll sich weiter fortsetzen, um eine schnelle und reibungslose Bewilligung von Krediten zu fördern.

Wenn große Projekte weitgehend frei von Korruption und umweltschonend gebaut werden sollen, setzt das maximale Transparenz und Einbeziehung der Öffentlichkeit voraus. Die Richtlinien der AIIB enthalten zwar die gängigen Begriffe, aber sie sind vage und haben entscheidende Schlupflöcher. So ist zum Beispiel nicht vorgesehen, Umweltprüfungen innerhalb einer bestimmten Frist zu veröffentlichen. Dies erschwert es Betroffenen, sich zu beteiligen und Bedenken einzubringen. Kreditnehmer/innen sind zwar aufgefordert, Maßnahmen zum Umweltschutz auf eine Art und zu einer Zeit erfüllen, die für die AIIB «akzeptabel» ist. Was akzeptabel ist, wird nicht definiert.

Informationen über Projekte werden verweigert

Erste – von der AIIB allein finanzierte – Projekte deuten auf die Probleme hin, die entstehen können, wenn klare Standards für Transparenz fehlen. Ein Beispiel ist der Kredit der AIIB an Beijing Gas, eine private Firma, die die Luftqualität in Peking verbessern möchte. In den ländlichen Gegenden um Peking herum soll dazu von Kohle auf Gas umgestellt werden. Da dieses Projekt quasi vor der Haustür der AIIB in Peking stattfindet, könnte man annehmen, dass detaillierte Informationen leicht zu erhalten sind. Europäische Regierungen und die Zivilgesellschaft baten die AIIB auch um eine Liste und die Standorte der 510 betroffenen Dörfer. Diese Bitte wurde abgelehnt mit dem Argument, dass eine private Firma nicht dazu verpflichtet sei, detaillierte Information zur Verfügung zu stellen. 

Ein weiterer Kredit für Beijing Gas wurde im September dieses Jahres angekündigt – für den Bau einer umweltschädlichen Infrastruktur für Flüssigerdgas. Chinesische Umweltschützer/innen laufen hohe persönliche Risiken, wenn sie auch nur Fragen zu den Auswirkungen dieses Projekts stellen. Die starke Einschränkung der Internet-, Presse- und Meinungsfreiheit in China macht eine öffentliche Diskussion nahezu unmöglich. Das brutale Vorgehen des Partei-Staats gegen die Zivilgesellschaft hat unter Präsident Xi neue Ausmaße erreicht.

Analog zu anderen Banken hat die AIIB auch einen Mechanismus für Beschwerden etabliert, aber er ist so bürokratisch und kompliziert, dass er praktisch unzugänglich ist. Öffentlicher Zugang zu Information, Rede- und Versammlungsfreiheit sind politisch empfindliche Bereiche in China und anderen Ländern, wo das Engagement der Zivilgesellschaft oft kriminalisiert wird.

Die AIIB-Mitgliedschaft Deutschlands und anderer europäischer Staaten verleiht Peking eine Glaubwürdigkeit als Führer einer multilateralen Institution. Auch wenn Widerstände vorhersehbar sind: Diese Staaten müssen politisches Kapital einsetzen, damit die Investitionen der AIIB transparent, umweltfreundlich und sozialverträglich sind. Sie dürfen nicht zu Komplizen für den Export einer Weltordnung werden, in der die Menschenrechte und demokratische Werte zum Tabu werden.


Korinna Horta arbeitet seit vielen Jahren zu den Menschenrechts- und Umweltauswirkungen internationaler Finanzinstitutionen. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften an der Johns Hopkins University in Washington und promovierte zum Thema politische Ökologie bei der University of London. Sie ist unabhängige Beraterin und Forscherin an der Universität Lissabon.

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