Wahlkampf der Rechtspopulisten: Der Blick der USA auf den Europawahlkampf

Hintergrund

Im Zuge der Wahl des Europäischen Parlaments entdecken Amerikaner/innen viele Parallelen zu den Entwicklungen im eigenen Land. Deshalb gilt das Interesse der konservativen und liberalen Medien vor allem den aufstrebenden europäischen Rechtspopulist/innen.

New York, U-Bahn

Wenn zuletzt in den USA über Europa diskutiert wurde, ging es vor allem um die Themen Brexit, NATO, Strafzölle, Iran-Sanktionen und Nord Stream 2. Die EU als Institution spielt in diesen Debatten meist nur eine untergeordnete Rolle. Entsprechend werden die EP-Wahlen nur begrenzt diskutiert; das größte Interesse besteht am gegenwärtigen Aufwind der rechtspopulistischen Parteien in Europa, deren Wahlkampf – je nach Einstellung – mit Besorgnis oder Neugier verfolgt wird.

Ablehnung der EU prägt die US-Regierungspolitik

Nach den Krisenjahren mit Eurokrise und Streit um Migration und vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen – die ungeklärte Brexit-Frage, das schwierige Verhältnis zwischen Emmanuel Macron und Angela Merkel und die Aushöhlung des Rechtsstaats in einigen Mitgliedstaaten – wird die EU unter US-Beobachter/innen zumeist als geschwächter Akteur wahrgenommen. Während vorherige US-Präsidenten mehr oder weniger das europäische Integrationsprojekt unterstützt haben, hat Donald Trump von Beginn an seine Abneigung gegenüber der EU zum Ausdruck gebracht. Bereits im Wahlkampf 2016 sprach er sich für einen Brexit aus. Seitdem kritisiert Trump regelmäßig europäische Partnerstaaten wie Deutschland und sucht stattdessen den Schulterschluss mit den rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest. Dazu passend besuchte Außenminister Mike Pompeo noch im Februar Budapest und Warschau, während er kürzlich einen Berlin-Besuch absagte. In dieser Woche wurde Victor Orbán ins Weiße Haus eingeladen – und erhielt dort kurz vor den EP-Wahlen Rückendeckung von Trump.

Vor dem Gespräch mit Orbán hatten Senatoren beider Parteien den US-Präsidenten dazu aufgefordert, das zunehmend repressive Vorgehen der Orbán-Regierung gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen und unabhängigen Medien in Ungarn anzusprechen. Stattdessen aber lobte Trump Orbán für dessen strenge Einwanderungspolitik und seinen Einsatz zur Verteidigung christlicher Kultur in Europa und bezeichnete den ungarischen Premierminister als einen in ganz Europa respektierten Politiker, der sich für die Sicherheit seines Landes einsetzt. Damit setzte Trump einen erneuten Seitenhieb gegen die EU mit ihrem offenen Binnenmarkt und zeigte, wo seine Sympathien in Europa liegen – auf Seiten der nationalistischen, EU-kritischen und anti-liberalen Kräfte. Für Orbán selbst, dessen Regierung mit der EU in Streit über den Rechtsstaatsabbau in Ungarn liegt und dessen Partei Fidesz bis auf Weiteres aus der Europäischen Volkspartei suspendiert wurde, hätte die Unterstützung durch Trump zu einem kaum günstigeren Zeitpunkt kommen können.

Trump-Regierung unterscheidet bei EU-Mitgliedern zwischen guten und schlechten Partnern

Trump wird in seiner EU-kritischen Haltung vom Nationalen Sicherheitsberater John Bolton bestärkt, der ein erklärter Gegner der supranationalen EU ist. Laut Bolton beraubt die EU die Mitgliedstaaten ihrer nationalen Souveränität und ist daneben von Grund auf eine anti-amerikanische Organisation. Wie Trump unterstützt Bolton den Brexit und stellt spezielle Handelsbeziehungen zwischen den USA und Großbritannien in Aussicht. Daneben versucht die Trump-Regierung – ähnlich wie ehedem die Bush-Regierung – die EU-Mitgliedstaaten in gute und schlechte Partner der USA einzuteilen und damit die EU auseinander zu dividieren. Die Abneigung der Trump-Regierung gegen die EU zeigt sich auch im Kleinen: in einem zwar politisch unbedeutenden aber symbolträchtigen Schritt setzte das US-Außenministerium Ende 2018 den protokollarischen Rang des EU-Botschafters in Washington herab und machte diesen Schritt erst nach Protesten wieder rückgängig.

Rechtspopulisten dominieren den US-Blick auf den Wahlkampf

Auf Seiten der US-Medien liegt in Bezug auf die Wahl des Europäischen Parlaments das größte Interesse bei den aufstrebenden europäischen Rechtspopulisten . Dies gilt sowohl für die konservativen als auch liberalen Medien. So berichtete zum Beispiel Fox News, dessen Kommentator/innen oftmals Trumps EU-kritische Haltung teilen, über die starken Umfragewerte von Nigel Farages Brexit Party, welche die Mehrzahl der britischen Sitze im EP gewinnen könnte. Fox Business berichtete von Farages Ankündigung, dass im neuen Europäischen Parlament, in dem eine Vielzahl von EU-kritischen Abgeordneten sitzen wird, der Kampf gegen die „Globalisten“, die in Brüssel, Washington und andernorts nationale Demokratien durch nicht gewählte Bürokratien ersetzten wollen, fortgeführt wird. Auch Breitbart News legt in seiner Berichterstattung den Schwerpunkt auf die Kampagnen in Großbritannien und berichtet von Tony Blairs „verzweifelten Versuchen“, die Brit/innen davon abzuhalten, für die Brexit Party zu stimmen. Daneben berichtet Breitbart News über die starken Umfrageergebnisse der Rassemblement National und Marine Le Pens Aufforderung an Emmanuel Macron, zurücktreten, falls La République en Marche nicht stärkste Partei in Frankreich wird.

Auch unter den liberalen Medien und Beobachter/innen stößt der Aufwind von rechtspopulistischen Parteien in Europa auf großes Interesse. So berichtet zum Beispiel die Washington Post über Matteo Salvini und Marine Le Pens Bemühungen, andere EU-kritische Parteien in Europa für ihre Europäische Allianz der Völker und Nationen zu gewinnen. Ein anderer Artikel verweist darauf, dass die Stärkung von rechtspopulistischen Kräften im EP entscheidende Auswirkungen auf die künftige Entscheidungsfindung im Parlament haben und die Wahl zu einem Wendepunkt der europäischen Politik werden könnte. Daneben werden aber auch die Schwierigkeiten Salvinis thematisiert, alle rechtspopulistischen und rechtsnationalen Parteien zusammenzubringen und zum Beispiel die polnische PiS in eine Wahlallianz einzubinden. The Atlantic folgert, dass sich die rechts-populistischen Parteien außer auf die Befürwortung von starken Grenzen, die Ablehnung von Einwanderung und die Bekämpfung von islamischem Terrorismus nur auf wenige Themen einigen können.

Werden die Rechtspopulisten 2019 in der EU ähnlich erfolgreich sein wie Trump 2016 in den USA?

Das große Interesse unter US-Beobachtern an rechtspopulistischen Parteien vor den EP-Wahlen liegt wohl auch darin begründet, dass viele darin Parallelen zu den Entwicklungen in den USA sehen und sich fragen, ob nationalistische Politik weiter an Anziehungskraft und an Einfluss gewinnt. Laut dem konservativen Washington Post-Kolumnist Henry Olsen zeigt die Stärke der rechtspopulistischen Parteien in Europa, dass die Themen, mit denen Donald Trump 2016 Wahlkampf gemacht hat, nicht an Zugkraft verloren haben. In fast allen westlichen Staaten würden Nationalismus, kultureller Konservatismus und EU- sowie einwanderungsfeindliche Einstellungen an Zustimmung gewinnen. Trump habe der Unzufriedenheit unter einer breiten Bevölkerungsschicht in den USA eine Stimme gegeben. Die traditionellen Parteien sollten sich darauf einstellen, dass der Trumpismus Trump überdauern wird, und deshalb effektive Antworten auf die Frage finden, wie sie der Unzufriedenheit vieler Bürger/innen künftig besser begegnen können.

Da sich Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chef-Stratege, gern als Wegbereiter einer globalen Revolution sieht, besteht unter amerikanischen Beobachter/innen zudem großes Interesse an Bannons Bemühungen, durch seine Organisation „The Movement“ verschiedene rechtspopulistische Parteien in Europa zusammenzubringen. Wie unter anderem The New Yorker berichtet, waren Bannons Bemühungen allerdings bislang wenig erfolgreich, da führende Rechtspopulist/innen wie Le Pen seine Ratschläge mit Verweis darauf, dass Bannon wenig Verständnis von Europa habe, zurückwiesen. Dies ist zwar einerseits Genugtuung für Bannons Kritiker; es bleibt aber ein mulmiges Gefühl, dass die europäischen Rechtspopulist/innen bei den EP-Wahlen einen Überraschungserfolg einfahren könnten und damit den künftigen politischen Diskurs ähnlich prägen könnten wie Donald Trump in den USA seit 2016.