Tierhaltung in der EU: Gelder für den Umbau

Agrar-Atlas

Die EU zahlt hohe Summen als pauschale Flächenprämien. Dieses Geld fehlt für den teuren, aber dringend benötigten Umbau der Tierhaltung. Dessen Förderung könnte aus der Einsparung der Pro-Hektar–Zahlungen finanziert werden.

Agraratlas - Infografik - Nutztierbestände in der EU und ihre Verteilung
Teaser Bild Untertitel
Eine deutlich verbesserte Haltung der Milliarden Nutztiere in der EU würde die Erzeugerpreise um ein Zehntel bis ein Fünftel verteuern

Die Nutztierhaltung hat mit etwa 40 Prozent einen erheblichen Anteil am landwirtschaftlichen Produktionswert der EU. Dabei ist dieser Anteil zwischen den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich und liegt zwischen 21 Prozent in Rumänien und 75 Prozent in Irland. Ebenfalls sind der Viehbesatz pro Flächeneinheit und die damit verbundenen Probleme sehr unterschiedlich. Starke regionale Konzentrationen gibt es in den Niederlanden, dem Nordwesten Deutschlands und Frankreichs sowie dem Norden Italiens. Neben den daraus folgenden Problemen für die Umwelt gibt es erhebliche Defizite im Tierwohl. Zwar wurden sie bisher in der EU noch nicht systematisch erfasst. Aber Einzelstudien belegen beispielsweise, dass Mastschweine häufig an Gelenkerkrankungen leiden, Rinder lahmen und sich die Fußballen bei Mastgeflügel verändern.

Umfragen zeigen, dass 82 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger der Auffassung sind, dass mehr für den Tierschutz in der Nutztierhaltung getan werden sollte. Diese Auffassung ist in der gesamten EU weit verbreitet, von 58 Prozent in Luxemburg bis hin zu 94 Prozent in Portugal. Die Kosten für Deutschland hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik geschätzt, der dem deutschen Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium zugeordnet ist: Eine deutliche Erhöhung des Tierwohls in Deutschland kostet drei bis fünf Milliarden Euro jährlich und damit etwa 13 bis 23 Prozent der heutigen Produktionskosten.

Doch weder die EU noch die Regierung eines Mitgliedslandes hat bisher eine politische und wirtschaftliche Strategie vorgelegt, die die Dimension dieser Herausforderung anerkennt. Wegen der starken regionalen Unterschiede sind Schritte und Pläne auf nationalstaatlicher Ebene erforderlich. Für sie sollte die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) einen angemessenen Rahmen bieten.

Tatsächlich aber ist die GAP mit ihren pauschalen Direktzahlungen vor allem auf die Flächen ausgerichtet und kaum an den Leistungen der Landwirtschaft orientiert. Zwar gäbe es schon heute im Rahmen der zweiten Säule der GAP die Möglichkeit, jährliche Prämien für besonders tiergerechte Haltungen zu gewähren. Das ist beispielsweise für Weidehaltung, für mehr Bewegungsraum oder für die Bereitstellung von Beschäftigungsmaterialien denkbar. Doch diese Option wird kaum genutzt.

Auch in den EU-Ländern mit bedeutender Fleischproduktion verlangt eine Mehrheit der Bevölkerung, das Tierwohl zu beachten
In der gesamten EU werden von 2014 bis 2020 aus der zweiten Säule nur etwa 1,5 Prozent der Mittel für Tierwohlprämien ausgegeben. Auch in Deutschland liegt ihr Anteil bei unter zwei Prozent. Die EU zahlt jährlich etwa 205 Millionen Euro aus, in Deutschland sind es etwa 35 Millionen. Zum Vergleich: Die pauschalen Flächensubventionen liegen in der EU bei etwa 40 Milliarden Euro, in Deutschland bei fünf Milliarden.

Der Vergleich zeigt, wie wenig sich das Agrarbudget an den Leistungen und Herausforderungen der Landwirtschaft orientiert. Dabei steht gerade die Nutztierhaltung vor großen Herausforderungen. Die Anforderungen in den Bereichen Grundwasser- und Oberflächengewässerschutz, Klimaschutz, Biodiversitätsschutz und Tierschutz steigen.

Diese Anforderungen können nicht nur durch zusätzliche Auflagen und Kontrollen, also ordnungsrechtlich durchgesetzt werden. Denn dies würde zu einer deutlichen Erhöhung der Produktionskosten führen und aufgrund des internationalen Wettbewerbs zu mehr Importen von günstigen Produkten, für die in ihren Herkunftsländern keine strengen Auflagen gelten. So besteht die Gefahr, dass die Umwelt- und Tierschutzziele verfehlt werden. Hingegen könnte das Budget der GAP genutzt werden, um einen Teil der Kosten aufzufangen, die entstehen, wenn Betriebe die an eine verbesserte Tierhaltung gestellten Anforderungen erfüllen.

Agrar-Atlas 2019

Der Agrar-Atlas 2019

Unökologisch, ungerecht und nicht an den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger orientiert - so präsentiert sich die gemeinsame Agrarpolitik der EU seit Jahrzehnten. Auch die alle sieben Jahre stattfinden Reformen ändern daran bislang nichts. Der neue Agrar-Atlas der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt, wie Klima, Artenvielfalt und die bäuerliche Landwirtschaft unter der heutigen Agrarpolitik leiden.

Das muss nicht so sein, denn der Agrar-Atlas zeigt auch, dass es viele gute Strategien, politische Ideen und ausreichend Geld gibt, um Klima- und Naturschutz, eine bessere Tierhaltung und eine vielfältige bäuerlichen Landwirtschaft in Europa zu erhalten. Um das zu erreichen müssen die Menschen in Europa verstehen, dass Agrarpolitik nicht nur für Bäuerinnen und Bauern wichtig ist sondern für alle. 

Der Argar-Atlas 2019 kann hier bestellt oder heruntergeladen werden.

Leider lassen die gegenwärtigen Reformvorschläge der EU-Kommission für die GAP nach 2020 keine grundsätzliche Abkehr von pauschalen Flächensubventionen erkennen. Falls es bei den vorgeschlagenen Direktzahlungen bleibt, sind dennoch einige konkrete Schritte zugunsten der Tiere möglich. Erstens sollte, damit überhaupt mehr Geld für die Entlohnung von Leistungen zur Verfügung steht, ein Höchstanteil für den Sockel der EU-Zahlungen, die sogenannte Einkommensgrundstützung, festgelegt werden.

Zweitens müssten die „Regelungen für Klima und Umwelt“ einen Mindestanteil an den EU-Zahlungen zugesprochen bekommen, und der Tierschutz sollte dort ausdrücklich aufgenommen werden. Drittens sollte die Möglichkeit, einen Teil der Direktzahlung an die Produktion zu koppeln, abhängig von Gemeinwohlleistungen sein, etwa der Weidehaltung, die dem Tierwohl dient.

Und über allem steht auch hier: Bei einer etwaigen Kürzung des Agrarhaushalts sollten nicht, wie gegenwärtig von der Kommission vorgeschlagen, vor allem die Mittel im Bereich der zweiten Säule mit ihren Programmen zusammengestrichen werden, sondern die Direktzahlungen.