Schwarz und queer am Flutgraben in Berlin-Kreuzberg

Ausstellung

Die Fotografien von Zanele Muholi und Mikael Owunna zeigen Menschen aus der Afro-Diaspora, die sich selbst als „queer“ identifizieren.  Annette Maennel hat sich die Ausstellung in Berlin angesehen.

Schwarz und queer am Flutgraben in Berlin-Kreuzberg

Es ist Samstagnachmittag, sonnig und heiß. Ich bin auf dem Weg in die Galerie Futura, die im Atelierhaus am Flutgraben zwischen Kreuzberg und Treptower Park ihr Domizil hat.

Auf dem Gelände kommt mir ein Pärchen entgegen. Eine oder einer von Beiden trägt das lange glatte Haar offen, hat eine herzförmige weiße Sonnenbrille auf der Nase und ein kurzes azurblaues Shirt an, das den gut trainierten Bauch sehen lässt. Seine oder ihre Füße stecken in rosa Söckchen und in weißen Turnschuhen. Alles wirkt hell und luftig. Der oder die andere trägt die Haare geschoren, guckt durch eine bunte Schmetterlings-Brille in den Tag, hat ein ärmelloses Top, derbe Schuhe und dunkle Hosen mit Fransen um den Gürtel an, die auch als Rock interpretiert werden können. Sie halten sich eng umschlungen, wirken sehr entspannt und halten Ausschau nach Plätzen in einem der schattigen Gartenrestaurants am Kanal. Außer mir dreht sich niemand um oder schenkt ihnen mehr Aufmerksamkeit als anderen.

 

Der Eingang zur Ausstellung am Kreuzberger Flutgraben.

Es ist gut, in einer Stadt zu leben, in der jede und jeder nach ihrer oder seiner Fasson leben kann, denke ich. Als Kontrast zu dieser Freiheit denke ich an die Lebensrealität in vielen Ländern, in denen die Heinrich-Böll-Stiftung Partnerorganisationen hat. So steht in einigen Staaten Afrikas auf die Liebe zum gleichen Geschlecht die Gefängnis- oder Todesstrafe. Zwar ist man offiziell in Südafrika nach der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Liebe im Jahr 2006 weiter, doch wird die Schwarze lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Gemeinschaft (LGBTI) weiter mit Hass verfolgt. Auch in sogenannten demokratischen Ländern wie Ungarn oder Russland sind Anfeindungen und Übergriffe auf Homosexuelle an der Tagesordnung. Doch halt. Erst vor drei Monaten gab es einen brutalen Übergriff auf eine Transfrau in Berlin. Das Anti-Gewalt-Projekt Maneo hat im Jahr 2017 über 320 Hinweise auf Gewalttaten mit homophobem Hintergrund im „bunten“ Berlin erhalten. Auch wir haben ein Homophobie Problem. Und: Das queere Pärchen, welches ich auf dem Weg zur Galerie gesehen habe, ist weiß. Können sich Queers of Colour oder Migrant*innen genauso frei und ohne Angst vor Gewalt in der Stadt bewegen? Haben sie denselben Zugang zu Rechtsschutz, Gesundheitsversorgung und anderen Grundrechten wie weiße LGBTI? Warum sind die sonst so bunten Demonstrationen des CSD und Dyke March in Berlin nach wie vor hauptsächlich weiß? An diesen Fragen wird offenbar, dass Diskriminierungs- und Machtverhältnisse verschränkt sind.  

Queering The Gaze

Die aktuelle Ausstellung „Queering The Gaze“ in der Galerie Futura nimmt das vermeintliche Anderssein als LGTBI von Schwarzen Menschen in den Fokus und zeigt in einem einzigen großen Raum die Fotografien von Zanele Muholi und Mikael Owunna.

So widmet sich die Südafrikanerin Zanele Muholi insbesondere schwarzen lesbischen Frauen. Sie leben besonders gefährlich – von Mord bis „heilenden Vergewaltigungen“ durch „Freunde“ oder Nachbarn reicht das Spektrum an Gewalt. In einer Erklärung zu „Faces and Phases“, einem früheren Projekt von ihr, schreibt sie: „Wir suchen Schutz in unserer Verfassung. Aber Realität ist, dass schwarze Lesben in südafrikanischen Townships Ziel gewaltvoller Unterdrückung sind.“ Auch hier gilt: Die Realität Schwarzer Lesben ist nicht die gleiche, wie die Realität weißer Lesben.  Ich kann mich noch sehr gut an die Bilder aus dieser Serie erinnern, mit denen sie 2014 in der Heinrich-Böll-Stiftung und im Schwulen Museum zu Gast war.

 

Im Treppenhaus: Die Fotografien von Zanele Muholi und Mikael Owunna werden in einem einzigen großen Raum gezeigt.

Muholi nennt sich selbst „Artivistin“ und vereint so in einem Wort ihre künstlerische Tätigkeit und ihr politisches Engagement für die Rechte von Schwarzen Lesben und LGBTI-Personen.

Der nigerianisch-schwedische Fotograf Mikael Owunna porträtiert Menschen aus der Afro-Diaspora, die sich selbst als „queer“ identifizieren. Die Porträtierten vereinen mühelos und spielerisch verschiedene Identitäten und entziehen sich stereotypischer Repräsentationen. Ihr Ausdruck ist nie resigniert oder verletzt, sie wirken ganz bei sich, selbstbestimmt und selbstbewusst. Inmitten der doppelten Diskriminierung als queere Person und als Person of Colour strahlen sie Kraft und Widerstand aus.

„Viele Besucherinnen und Besucher fühlen sich von dem Thema angesprochen, sind interessiert, neugierig und lesen in den Katalogen“, berichtet Dorothea Nold, die künstlerische Leiterin der Galerie.

Lange schaue ich in die Gesichter und suche nach den Geschichten, die ein Leben ausmachen. Ich möchte erfahren, wie sie leben, was sie arbeiten, was sie denken, was sie fühlen, was sie sich wünschen. Mikael Owunna hat mit den Menschen vor seiner Kamera kleine Interviews geführt. Darüber werden die Porträtierten nahbarer. Und natürlich: Mai´Yah, Amadi, Yéwá, Badu, Gray, Lahya, Subrira, Wandia, Said, Tyler und Wiilo verstecken sich nicht, wie ihre Accounts bei Instagram, Facebook oder Tumblr zeigen.

Die Ausstellung ist eine Kooperation von alpha nova & galerie futura und der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie ist noch bis zum 27. Juli 2018 zu sehen.

www.alpha-nova-kulturwerkstatt.de

Am Flutgraben 3, 12435 Berlin

Mittwoch - Samstag, 16-19 Uhr