Den Tod von Oleg Sentsov verhindern!

Offener Brief

Aus Anlass des Hungerstreiks des ukrainischen Filmemachers Oleg Sentsov in russischer Haft dokumentieren wir nachfolgend den offenen Brief ukrainischer und deutscher Intellektueller und Aktivist/innen vom 25. Mai 2018 an die deutsche Bundeskanzlerin und den Bundesaußenminister.

Lesedauer: 3 Minuten
Offenen Brief aus Anlass des Hungerstreiks des ukrainischen Filmemachers Oleg Sentsov in russischer Haft.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrter Herr Außenminister,

Am 11. Mai 2014 wurden auf der von Russland annektierten Krim der ukrainische Filmemacher und Aktivist Oleg Sentsov und der Aktivist Olexander Kolchenko wegen ihrer öffentlichen Kritik an der russischen Intervention auf der ukrainischen Halbinsel festgenommen. In einem politischen Schauprozess und auf der Grundlage zweier Zeugenaussagen, die durch Folter erpresst worden waren, wurden Oleg Sentsov zu 20 Jahren und Oleksander Kolchenko zu 10 Jahren Haft verurteilt.

Der „Fall der Krimterroristen“ war der erste Strafprozess, der nach der russischen Annexion der Krim und dem Beginn der Aggression im Donbass von russischen Strafverfolgungsbehörden gegen Bürger der Ukraine durchgeführt wurde. Seit vier Jahren sitzen die damals Verurteilten nun schon in den schrecklichsten Arbeitslagern Russlands ein. Von Zeit zu Zeit berichten die Medien von einem möglichen Gefangenenaustausch und angeblichen „Austauschlisten“ zwischen der Ukraine und Russland.

Der Verhandlungsprozess kommt nur sehr schleppend voran, es gibt keine öffentliche Information über die erreichten Kompromisse, etwa 64 ukrainische politische Gefangene sitzen nach wie vor in russischen Gefängnissen ein. Die Bürger der Ukraine leiden unter unzumutbaren Haftbedingungen und sind Folter und Druck ausgesetzt. Sie büßen ihre körperliche und geistige Gesundheit ein und sind dauerhaft getrennt von ihren Familien. 

Sentsovs Gesundheitszustand hat sich in den letzten Monaten wesentlich verschlechtert. Besuche des ukrainischen Konsuls werden verwehrt, ebenso eine angemessene medizinische Versorgung der Gefangenen durch unabhängige Ärzte. Zeitweise war Oleg Sentsovs Aufenthaltsort weder der Familie, noch seinen Rechtsanwälten bekannt. 

Am 14. Mai 2018 ist Oleg Sentsov in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Er fordert die Freilassung aller ukrainischen politischen Gefangenen. Wer Sentsovs Hartnäckigkeit und seine Prinzipientreue kennt, der weiß, dass er bereit ist zu sterben, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden. Der Anwalt von Oleg Sentsov, Dmitry Dinze, veröffentlichte letzte Woche einen handgeschriebenen Brief mit folgendem Wortlaut: 

„Ich, Oleg Sentsov, ukrainischer Staatsbürger, unrechtmäßig verurteilt von einem russischen Gericht, derzeit in Lagerhaft in der Kolonie Labytnangi, verkünde meinen unbefristeten Hungerstreik ab dem 14. Mai 2018. Die einzige Möglichkeit, diesen zu beenden, besteht in der Freilassung aller ukrainischen politischen Gefangenen, die sich auf dem Territorium der Russischen Föderation befinden. Gemeinsam bis zum Ende! Ruhm der Ukraine!“.

In Anbetracht der äußerst schwierigen Situation dürfen wir nicht wegsehen. Oleg Sentsov darf kein Todesopfer der politischen Justiz Russlands werden. Wir bitten Sie dringend, alles Mögliche zu tun, um das Leben von Oleg Sentsov zu retten und die Freilassung der ukrainischen politischen Gefangenen zu ermöglichen.

Die Liste der Unterzeichner/innen mit Stand vom 28.5.2018 ist einsehbar im PDF.

Erstunterzeichner/innen u.a.
1. Herta Müller, Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin
2. Swetlana Alexijewitsch, Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin
3. Rebecca Harms, Mitglied des Europäischen Parlaments
4. Sergej Loznitsa, Filmregisseur
5. Jurij Andruchowytsch, Schriftsteller
6. Serhij Zhadan, Schriftsteller